56. Verschiedene Geschichten (1. Teil A-F)

2. Teil G-H   -   3. Teil I-M


Übersicht, zeitlich geordnet:

A: Verkündung des Christentums durch den hl. Ritter Georg

B: Obersaxen / Sursaxa / Sursaissa

C: Teil. -Der Namenlose, genannt Rhäzünser Meister

D: Ursula II. von Rhäzüns - Gräfin aus dem Geschlecht der Hohenzollern

E: Hans Gandrian: Ammann und Landrichter (Urkunden 1461-1491)

F: Erklärung des Flurnamens Pleum da Spagna / Spanierboden 

G: Dr. Johann von Planta I., Herr zu Rhäzüns 

H: Das Epitaph (Grabdenkmal) des Johann Anton von Rost

I: Vier Hochspannungsleitungen verteilen Elektro-Strom über das Rhäzünser Territorium

K: Oleodotto del Reno SA

L: Der Sprachenartikel in der Bundesverfassung 1935/1938 (Botschaft des Bundesrats, Auszug aus dem Bericht aus dem Bundesblatt Nr. 22 vom 2. Juni 1937

M: Vers memorials ord l`historia dalla patria (Per la tschena dil tschiver rumeunsch 1901) / Gedicht aus der Geschichte der Heimat (Für den romanischen  Fasnachtsznacht von1901)



A: Verkündung des Christentums durch den hl. Ritter Georg

"Legende" 1:1-Wiedergabe / Verkürzt: siehe unter 19. Entstehung und Entwicklung des Christentums … S. 2. Zweiter Abschnitt

Was nun die Legende des hl. Ritters Georg angeht, lebt dieselbe heute noch folgendermassen im Munde des Volkes, ist sogar im alten Kirchenbuch in Feldis zu lesen. 
Von den Arianern vertrieben, flüchtete er um Mitte des 4. Jahrhunderts über die Alpen, fand im alten Rätien Schutz und Aufnahme, und war in unserm Lande besonders tätig für die Ausbreitung des Christentums. (Der Drache, den er augenscheinlich bekämpft, ist eben der Unglaube, gegen welchen er stritt).
Viele Gemeinden des heutigen Graubündens verehren ihn als ihren Kirchen-Patron, ja sogar ist sein Andenken in vielen Kirchen und Gemeinden, selbst in Gerichtssiegeln geblieben, bis auf den heutigen Tag. – Sowohl er selber als auch seine Reliquien bewirkten Wunder. Wie nun St. Georgius unter dem Schutze der Bekehrten segensreich wirkte und keiner weiteren Verfolgung durch seine ehemaligen Feinde wähnte, hatten diese doch den Zufluchtsort des Heiligen erspürt und einen Trupp Bewaffneter über die Gebirge gesendet, ihn aufzufangen und lebendig zurück zu bringen. Das ging nun nicht leicht, denn der mächtige Graf in Ober-Rätien hatte ihn in seinen Schirm genommen. Dessen ungeachtet lauerte die arge Rotte lange Zeit, ihn zu fangen, wenn er ausging, das Evangelium zu predigen.

So war der Heilige einstens auf dem Missionswege von Amides (Domat/Ems) nach Val Tumiliasca (Domleschg) begriffen und ritt den Pfad durch den finstern Brühl-Wald hinein, als er plötzlich hinter sich die längst gefürchteten Widersacher, hoch zu Ross heransprengend, erkannte. Er gab seinem Rösslein die Sporen, und das gute Tier, das an Grösse den Gäulen der Bösewichter bedeutend zurückstand, ward wie von unsichtbarer Hand durch das Dicklicht geführt und gestärkt, und blieb lange Zeit den Andern voran, bis dass endlich doch die Verfolger ganz nahe waren. 
Da, wo heute der Kirche St. Georg gegenüber am rechten Rheinufer eine schroffe Felswand himmelan steigt, setzte St. Georgs Tierlein an, und – rettete durch einen kühnen Sprung seinen Gebieter und sich selber ans andere Ufer hinüber. Vom heftigen Anpralle am harten Gestein waren sämtliche Hufeisen ihm weggerissen, aber es wieherte fröhlich, hatte es doch seinen Herrn dem sichern Tode entrissen. – Lange Zeit wurden diese Hufeisen im Schloss Rhäzüns als Heiligtum aufbewahrt, und hängen nunmehr, als Gedenkzeichen an die wunderbare Lebensrettung, angenagelt an der Pforte der Kirche St. Georg.

Dort, in der Nähe der Stelle, wo St. Georgs Pferd ansetzte, um seinen Herrn zu retten,   standen noch im Jahre 1850 Reste einer kleinen Kapelle, welche auch dem hl. Georg geweiht war. – Seine Verfolger, Zeugen der wunderbaren Lebensrettung, erblickten darin das Walten einer höheren Macht, bekehrten sich zum Christentum und liessen sich von ihm taufen. Auch bauten sie ihrem Seelenretter zu Ehren, sich aber zum steten Gedenken, Andern zur Warnung und Beispiel hüben und drüben Kapellen.

Vor nicht gar langer Zeit (d. h. vor der Reformation in Bünden) kamen die Einwohner von Rothenbrunnen, Feldis und Scheid an gewissen Festtagen, sonderlich am St. Georgi-Tage, den 23. April, innerhalb der erwähnten Kapelle zum Bittgange zusammen. An welcher Stelle man noch im Jahr 1880, den am Boden liegenden langen Stein sieht, in welchem man in der Mitte der Oberfläche ein Loch bemerkt, in welches die Fahnen der Wallenden aufgepflanzt wurden. Dieser Stein heisst in unsern Tagen noch „Crap Sonch a Peults“ (Stein des heiligen Hipolytus, des Kirchenpatrons der Feldiser) und warteten dort auf die Prozessionen von Ems, Bonaduz und Rhäzüns her. Dann zogen sie mit diesen vereint zur Kapelle, und nach vollbrachter Beehrung des hl. Georg über die Brücke zur andern Kapelle. Wie nun in Folge der Reformation der drei Gemeinden Rothenbrunnen, Feldis und Scheid einerseits die alte Kapelle rechterseits des Rheines einging, zerfiel, und nicht wieder aufgebaut wurde, ward die Kapelle St. Georg bei Rhäzüns zur Kirch-Kapelle erhoben“.
1

Verfasser: Dr. Dietrich Jecklin 1880


B: Obersaxen / Sursaissa / Sursaxa:

die Walser Insel“ im romanischen Sprachraum stand über 600 Jahre lang unter der Herrschaft von Rhäzüns (1213-1815). Anfangs des 13. Jh. wanderten die Gomser aus dem Wallis über das Urnerland und Disentis nach Obersaxen.1

Die Gegend von Obersaxen war vor der Zuwanderung der Walser aus dem Wallis bereits durch die Romanen besiedelt. Dies beweist ein Testament des Bischof Tello. Im Jahr 765 gehörten Güter in Sursaxa zum Herrenhof Ilanz, was zumindest auf eine dünne Besiedlung hinweist. 831 bestand ein Benefizium in Sursaxa, also eine Kirche.

Bei der Ansiedlung von Walsern spielte das Kloster Mustér/Disentis eine bedeutende Rolle, denn im 13. Jahrhundert erstreckte sich dessen Herrschaft vom Rhonegletscher bis zum Petersbach in Obersaxen. Alte Klosterchroniken berichten, dass Mönche und Äbte aus dem Wallis in Disentis/Mustér wirkten. Im Jahre 1213 habe nur noch ein nichtwalserischer Mönch im Konvent gelebt. Unter den Walsern wurde auch Anricus de Sursaxa (Obersaxen) aufgeführt. Somit müsste bereits zu dieser Zeit eine kleine Anzahl Walser in Obersaxen ansässig gewesen sein. Obersaxen wird also eine der frühesten, wenn nicht die älteste der noch existierenden Walser Siedlungen Rätiens sein.  

Eine grössere Siedlungsbewegung dieser deutschsprechenden Gomser kam auf Umwegen um die Mitte des 13/14. Jh. über die norditalienischen Gebirgstäler. Im hinteren Rheinwald verteilten sie sich über die höhergelegenen Regionen Rätiens. Wie schon anfangs erwähnt, wanderten die Obersaxer schon zu Beginn des 13. Jh. (Stichjahr 1213) von Goms über das Urnerland und Disentis/Mustér nach Obersaxen.2

Das Gebiet der Rhäzünser umfasste in jener Zeit Rhäzüns, Bonaduz und den Hof Sculms im Safiental. Dass es sich dabei bereits um eine vollständige Edelherrschaft handelte, erhellt unter anderem auch daraus, dass Heinrich III. von Rhäzüns in Dokumenten aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts als edler Heinrich“ von Rhäzüns auftritt. Dieser Heinrich III. war in kriegerische Unternehmungen gegen den Bischof von Chur verwickelt, schloss dann aber Frieden, er wählte sich gar eine Grabstätte in der Domkirche und stiftete einen Altar. In der Stiftungsurkunde wird auch erstmals das Schloss Rhäzüns um 1288 erwähnt, das als mittelalterliche Anlage vom Heinrich III. erbaut worden sein dürfte. 
Ebenfalls unter ihm vergrösserte sich die Herrschaft um den ehemals „königlichen Hof in Obersaxen“, den der Rhäzünser vom Bistum Chur erwerben konnte, sowie um einige Rechte am Heinzenberg in Urmein und Sarn.

Ein anderer Umstand deutet auf direkte Kontakte zwischen Obersaxen und dem Wallis hin und könnte die länger andauernde Zuwanderung mitbegünstigt haben. 1398 heiratete Landvogt Guitschart von Raron VS die Witwe Margaretha, geborene von Rhäzüns, die ihrem Gatten einen Teil der Güterzinsen von Obersaxen einbrachte. Damals war Obersaxen schon mindestens hundert Jahre lang der Herrschaft Rhäzüns zinspflichtig und blieb es bis 1819. Im selben Jahr ging dann der zur damaligen Zeit von Österreich verwaltete Rhäzünser Besitz an den Kanton Graubünden über. Obersaxen kaufte sich um das zwanzigfache des jährlichen Hofzinses mit 4400 Gulden an die Graubündner Kantonskasse los und frei.

Das Wappen der Freiherren von Rhäzüns, die durch die Ansiedlung der Walser Rechte in Obersaxen erhielten, wird ergänzt durch den Schlüssel, das Symbol des Apostels Petrus, der im Siegel aus dem 14. Jahrhundert dargestellt wurde. Blasonierung: Gespalten, vorn in rot ein pfahlweise gestellter goldener (gelber) Schlüssel, hinten in blau zwei silberne (weisse) Balken.3                                           

                                                                                                                                                                   

Obersaxer Wappen


C: Der Namenlose, genannt Rhäzünser Meister, um 1350:

Der Namenlose Schöpfer von sakralen Wandmalereien in Bildsprachen alter Fresken im nördlichen Graubünden. Das Hauptwerk der gotischen Kalkmalereien findet sich in der Kirche St. Georg in Rhäzüns. (Darum nennt man ihn auch Rhäzünser Meister)

In der zweiten Hälfte des 14. Jh. scheinen die vom nördlichen Kulturraum beeinflussten Maler von der Abbildung der höfischen Kultur des Rittertums zunehmend zur Darstellung ländlicher Volksfrömmigkeit übergegangen zu sein. Das umfangreichste Werk dieser Art wird im Kanton Graubünden dem namentlich unbekannten, so genannten Rhäzünser Meister zugeschrieben. Benannt wird der Rhäzünser Meister nach seiner bedeutendsten Schöpfung von sakralen Wandmalereien im nördlichen Graubünden. Gotische Kalkmalereien. Armenbibel: Im Sinne einer „Bibla pauperum“ führen diese Malereien auch einem leseunkundigen Publikum die Heilsgeschichte mit 60 Bildern vor Augen, die an die Nord-West- sowie an die Südwand gemalt wurden.

Sein Werk umfasst Zyklen in Rhäzüns, Lantsch/Lenz, Latsch, Bergün, Clugin, Mon, Casti, Wergenstein, Schlans, Disentis/Mustér, in der Kathedrale Chur und in Tamins/Tumegn.

Das Hauptwerk des Meisters von Rhäzüns findet sich an den Schiffswänden in der Kirche St. Georg, Rhäzüns.1  M.s.u. 19. Kirche St. Georg.


Leiden Christi. Bild Nr. 39 Gregorsmesse mit Heiligenreihe, Bild Nr. 40. Nordwand St. Geog, Rhäzüns.
M.s.u. 19. Kirche St. Georg.

 
Rhäzüns, Kirche St. Georg: Rück- oder Westwand, St. Georg, Rhäzüns. M.s.u. 19. Kirche St. Georg.

Kirche St. Cosmas und Damian, Mon (Albula): An verschiedenen Orten in Graubünden greift der Rhäzünser Meister auf ähnliche Bildmuster zurück und vertieft sie in seiner herzerwärmenden und verinnerlichten Weise (gegen Ende des 14. Jahrhunderts). Besonders eindrücklich lässt er die Bäume in seinem Gethsemane-Bild in Mon mitreden: Vor Christus in seiner Not erhebt sich viel sagend ein steil ansteigender Abhang. Übergross steht darauf der „Kelch des Leidens“ – doch eingerahmt von zwei vollen, runden Lebensbäumen. Und von hinten neigt sich ein bergender Baum sachte zum Verzweifelten und führt in einer weiten, schwingenden Linie zum stärkenden Engel hin. Klar bedeutend, dass das Leiden nicht das Letzte ist.
Bild und Text aus: Terra Grischuna 6/2000. S. 29.


Christus betet im Garten Gethsemane.2

Kirche St. Maria, Lantsch/Lenz: Dieses Bild ist ein Werk des Rhäzünser Meisters aus dem späten 14. Jh. Eva sitzt am Spinnrocken und stillt gleichzeitig ein Kind, welches sowohl die weibliche Pflicht zur Mutterschaft dokumentiert als auch einen weiteren Hinweis auf die Häuslichkeit weiblichen Schaffens darstellt. Im Gegensatz dazu ist Adam mit der Hacke bei der Feldarbeit festgehalten.
Bild aus: Bündner Geschichtenbuch

 
Kirche St. Maria: Spinnende Eva, Frauenarbeit im Mittelalter.3

Kirche Lindau, Clugin (Andeer): Weihnachtsbild
In der Vorzeichnung einer „Anbetung der Könige“, deren linker Teil durch den späteren Fensterausbruch zerstört wurde, ist noch der hinweisende Engel mit dem Stern zu sehen. Maria thront als Königin und hält das auf ihrem Knie stehende Kind, das die Goldschale des ersten Königs entgegennimmt. Hinter ihr der „Sinnende Joseph“ (mit Rosenkranz, ohne Heiligenschein), eine missverstehende Umdeutung des grollenden Joseph der byzantinischen Weihnachtsbilder, die sich im Westen verbreitete, weil Joseph zum Vorbild der Rosenkranz-Bruderschaften wurde. 

Clugin, Graubünden, 1370, Rhäzünser Meister. Die Malweise ist elegant gotisch. 

Kirche St. Georg, Schlans (Trun)
An der Südseite des Turmes stellt eine Zeichnung aus dem späten 14. Jahrhundert die Gebote der Feiertagsheiligung dar. Christus steht mit erhobenen Händen zwischen Symbolen der an Feiertagen verbotenen Arbeiten, hauptsächlich bäuerliche Tätigkeiten.
Darüber die Gregorsmesse: Der Heilige kniet vor dem Altar der Kirche Santa Croce in Rom vor Christus. Auf dem Grund sind die Instrumente der Passion verteilt. Die Parallelität der zerstreuten Handwerkssymbole auf dem „Feiertagsbild“ und der Passionsinstrumente zeigt die innere Verwandtschaft beider Bildmotive, die übrigens auch in der Kirche St. Georg von Rhäzüns nebeneinander erscheinen.

 
Turmwand in der Vorhalle

Tamins/Tumegn:„Licht ins Dunkel der Taminser Kirchengeschichte gebracht“, stand in der Südostschweiz vom 8. Mai 2013.
In seinem neuen Sonderheft stellt der Archäologische Dienst Graubünden die Ergebnisse der Grabung von 2010 in der reformierten Taminser Kirche vor und bestätigt dabei alte Vermutungen: Der Kirchenhügel hat eine lange Geschichte.

„Es war der Rhäzünser Meister“: Nämlich aus der Bauphase des 14. Jahrhunderts stammen die Malereifragmente. Zwar ist eine Rekonstruktion der Darstellungen nicht möglich, klar ist aber, dass die Ausmalung der damaligen Kirche der Werkstatt des Rhäzünser Meisters zuzuordnen ist. Bemerkenswert ist der Bau aber auch, weil es sich um ein im nördlichen Alpenraum eher seltenes Gotteshaus mit zwei Apsiden und dazwischenliegenden Arkaden handelte. Von verblüffender Ähnlichkeit ist laut Seifert eine Kirche, die man noch heute besuchen kann: Sant`Ambrogio im Tessiner Bleniotal.4  


2011. Bilder aus der Taminser Kirchenrestaurierungs-Broschüre.


Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt, Chur.
Wandmalereien der Gotik: Ein bedeutender gotischer Bilderzyklus befindet sich im Westjoch des nördlichen Seitenschiffes.
Weltgerichts-Fragment: Die Fresken sind im oberen Viertel nur fragmentarisch erhalten und lediglich als Vorzeichnung zu sehen. Der Bilderzyklus am linken unteren Rand des Bogenfeldes ist weniger aufwendig gearbeitet und stammt wahrscheinlich vom Rhäzünser Meister.
Weitere Wandmalereien werden dem genannten Meister von Rhäzüns im nördlichen Graubünden sowie auch in den Südtälern zugeschrieben:
Disentis/Mustér,Stierva, Casti, Wergenstein, Fardün,Latsch, Bergün, Südtal Misox sowie in Sant`Ambrogio, Val Blenio TI.5


D: Ursula II. von Rhäzüns – Gräfin aus dem Geschlecht der Hohenzollern

Gräfin Ursula II. von Rhäzüns rettete einst die Hohenzollern vor dem Aussterben    

September 2011: Ein Bericht im Rhiiblatt.1
Die Kunst des politischen Überlebens beherrschten die schwäbischen Hohenzollern fast 800 Jahre lang. Dabei standen sie im Mittelalter mehr als einmal am Rand des Abgrunds. Das grösste Problem löste Ursula von Rhäzüns. 


Ursula II. v. Rhäzüns mit ihrem Ehemann Graf Eitel-Friedrich I.

Die Freude stand Volker Trugenberger, dem Vorsitzenden des Hohenzollerischen Geschichtsvereins, vor wenigen Wochen förmlich ins Gesicht geschrieben. Der Andrang im Hohenzollerischen Landesmuseum Hechingen übertraf alle Erwartungen. Als die Stühle ausgingen, wurden rasch Bierbänke herbeigeschafft, doch auch diese reichten nicht aus. Dem Interesse tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil: Dem Vortrag schloss sich trotz dicker Luft und fortgeschrittener Uhrzeit eine äusserst rege Diskussion an. Dieses grosse Interesse hatte zum einen sicher mit dem Bekanntheitsgrad des Referenten Casimir Bumiller zu tun. Doch darüber hinaus dürfte auch das Thema des Vortrags dafür gesorgt haben: Hohenzollern im Mittelalter. Dabei entsteht ein ganz anderes Bild des Landes. Das fängt schon mit der geografischen Situation an: Die hohenzollerische Landkarte in den lokalpatriotischen Köpfen ist jene des 19. Jahrhunderts – der überzwerche Socken, der einige Kilometer nördlich des Bodensees beginnt und dann von der Donau bis zum Neckar an die Ausläufer des Schwarzwalds reicht. Das Hohenzollern des 13. Jahrhunderts hatte ganz andere Grenzen. Dazu gehörte zwar beispielsweise Hechingen, das hohenzollerisch geblieben ist. Doch die spätere Residenzstadt Sigmaringen gehörte ebenso wenig dazu wie etwa Bumilliers Heimatort Jungingen. Stattdessen sind Balingen und Mühlheim an der Donau ur-hohenzollerische Städte gewesen. Selbst Mössingen und das Steinlachtal waren damals zollerisch.

Mangel an Zielstrebigkeit und Skrupellosigkeit
Doch weshalb gelang es den Hohenzollern nicht, aus dem keineswegs unbedeutenden Konglomerat eine geschlossene Herrschaft zu bilden? Dazu habe es den schwäbischen Hohenzollern, merkte Bumiller an, einerseits an der „Zielstrebigkeit und auch Skrupellosigkeit“ gefehlt, mit der die benachbarten Württemberger ihr Territorium zusammenzimmerten und dabei eine Herrschaft um die andere schluckten. Nachteilhaft wirkten sich auf zollerischer Seite zudem die zahlreichen Erbteilungen aus. Die Abspaltung der Hohenberger mit ihrem grossen Herrschaftsgebiet um Horb und Rottenburg am Neckar war der erste grosse Schlag, der den Zollern zusetzte. Doch auch die verbliebenen Territorien wurden geteilt.
Am Ende verfügten die Grafen als Landesherren gerade einmal noch über sechs oder sieben Dörfer. Diese Schwächung wiederholte sich ein letztes Mal im 16. Jahrhundert, als Graf Carl I. nach der Erwerbung Sigmaringens über das grösste zusammenhängende Herrschaftsgebiet der schwäbisch-hohenzollerischen Geschichte verfügte. Doch nach seinem Tod kam es neuerlich zur Erbteilung in die Linien Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Haigärloch. Damit haben die schwäbischen Hohenzollern ihre letzte Chance verspielt, eine eigenständige Rolle in der südwestdeutschen Geschichte zu spielen. In der anschliessenden Diskussion spielten diese Erbteilungen gleichfalls eine Rolle. Doch die Nachfolge des erstgeborenen Sohns war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eben keineswegs so selbstverständlich, wie man dies aus heutiger Sicht anzunehmen geneigt ist.

Ursula II. v. Rhäzüns bringt Geld und Nachwuchs
Irgendwie haben es die schwäbischen Hohenzollern gleichwohl verstanden, auf der politischen Landkarte präsent zu bleiben. Das Schlüsselerlebnis hierfür war der bekannte Bruderzwist zwischen Graf Eitel-Friedrich I. und Graf Friedrich dem Öttinger. Beide waren politisch und wirtschaftlich am Boden und mussten in auswärtigen Diensten ihr Brot verdienen. Am Ende kam es zur Zerstörung der Stammburg Hohenzollern und dem kaiserlichen Verbot, diese jemals wieder aufzubauen. Aber die politischen Gewichte verschoben sich, und unter dem Schutz Österreichs und des stammverwandten Brandenburg gelang die Konsolidierung der verbliebenen Rest-Grafschaft.
Selbst das grösste Problem löste Graf Eitel-Friedrich I., denn die Erbfolge stand um 1430 auf wackligen Füssen. Neben dem Öttinger lebte nur noch der unverheiratete Eitel-Friedrich selbst. Württemberg zwang den Grafen damals zu einem Erbvertrag, sollten die schwäbischen Hohenzollern aussterben. Doch der bereits im fortgeschrittenen Alter stehende Graf begab sich auf Brautschau und wurde fündig in Rhäzüns: Ursula II. v. Rhäzüns brachte viel Geld in die leeren zollerischen Kassen – und gebar Eitel-Friedrich den lang ersehnten Stammhalter Jos Niklas: ein Kind, wie Casimir Bumiller scherzhaft anmerkte, das nur dazu geboren schien, Württemberg eine lange Nase zu machen.

Der Sohn von Graf Eitel Friedrich und Gräfin Ursula II. von Rhäzüns, Graf Jos Niklas von Zollern, bekam nach längeren Erbstreitigkeiten erst durch ein Schiedsgericht unter dem Bischof von Chur und Konstanz die Stammherrschaft Rhäzüns zugesprochen.
M.s.u. 29. Zeittafel der Herrschaft Rhäzüns,   30. Entstehung 




E: Hans Gandrian: Ammann und Landrichter (Urkunden 1461-1491)

Beitrag zur Geschichte der Familie Gandrian mit Herkunft aus Rhäzüns

Von Georges Capol, Vattiz

Einleitung: Über die Familie Gandrian, ein altes Bündner Geschlecht aus Sagogn, Duvin und Flims, ist bisher wenig geschrieben worden. Sie führen das Wappen des Landrichters Johannes Gandrian von Rhäzüns, der in der Geschichte der drei Bünde eine wichtige Rolle spielte. Zusammen mit anderen Ammännern des Grauen Bundes förderte er das Begehren der Untertanen nach Selbstständigkeit, was 1471 zum Bund von Vazerol führte.

Die Gründung des Grauen Bundes unter dem Trunser Ahorn am 16. März 1424 gehört zu den wichtigsten Ereignissen in der Geschichte der Surselva. Die Beteiligung des Klosters Disentis war auch eine Massnahme gegen die Streitigkeiten (sogenannte Rhäzünser Fehde) in der Surselva. Der Bund von 1424 war im Wesentlichen die Bestätigung eines Landfriedensbündnisses, das in ähnlicher Form schon 1395 einmal beschlossen worden war. Vormals waren bereits der Abt von Disentis, die Grafen von Sax-Misox und die Herren von Rhäzüns massgeblich beteiligt.1Unter dem Trunser Ahorn sicherten sich die erstarkten Bauern und Gerichtsgemeinden ihre Rechte, dies, indem beispielsweise niemand mehr ohne Zustimmung aller Parteien fremde Richter oder Fürsten ins Gebiet der Bündnispartner bringen durfte. 

In Zusammenhang mit strittigen Herrschaften in der Herrschaft Rhäzüns tritt 1462 erstmals der Ammann von Rhäzüns – Hans Gandrian – in einer Urkunde auf.Er vertrat die Interessen der Rhäzünser Nachbarn und verteidigte diese. Die Untertanen beriefen sich auf frühere Abmachungen. Die Herren von Rhäzüns besassen bis zu ihrem Aussterben 1458 unter anderem auch Herrschaftsrechte in Obersaxen, welche die Grafen von Zollern beanspruchten, was ebenfalls zu Unstimmigkeiten führte. Die Obersaxer „Freien“ wehrten sich gegen die neuen Grundherren. Hans Gandrian musste sich anlässlich dieser Konflikte gegen die Obrigkeit derart gut geschlagen haben, dass man ihn 1465 als Landrichter des Grauen Bundes wählte. In der gleichen bedeutenden Stellung als Landrichter wurde er 1469, 1475-77 und 1481-82 genannt. Aus dieser Zeit stammt auch das Wappen im Landrichtersaal in Trun – heute befindet sich dort das sehenswerte Museum Cuort Ligia Grischa. Im Geschichtsbuch von Sandro Decurtins über Bündner Geschlechter werden die wichtigsten Landrichter und Ammänner des Oberen oder Grauen Bundes aufgeführt und deren Funktion als damalige Eliteträger erklärt.3 Durch Prosopographie (sozio-historische Untersuchungen) werden die Eliteträger (Adlige) der damaligen Zeit ermittelt. Hans Gandrian war kein Adliger, sondern ein Mann des Volkes, der eine erstaunliche Karriere gemacht hatte.

Das Wappen der Candrian (romanische Version des Namens) ist ein silbernes Einhorn auf schwarzem Untergrund, ein Symbol für die königliche Rechtsprechung. Über die Herkunft von Hans Gandrian ist nichts bekannt, seine Stellung als Richter und Siegler lässt jedoch eine höhere Bildung vermuten.
Auch über seinen Namen gibt es kaum Klarheit. Die urkundlichen Schreibweisen des Familiennamens variieren: Gandrian, Gandrion, Gandryon, romanisch Candiran, usw. Der Name ist vermutlich ableitbar von „Casa de Andrenau“ (Haus des Andreas). Eine andre Variante des Namens könnte sich vom Namen Hadrian (u. a. Papst Hadrian II) ableiten, denn in einer Urkundenabschrift des 16. Jahrhunderts wird Hans Gandrian auch in Hans Gadrianter umbenannt.4 Er selbst unterzeichnete 1469 mit schwungvoller Schrift: Hans Gadandreon5Der besseren Verständlichkeit wegen sprechen wir in diesem Beitrag vom Landrichter Gandrian – jener Namensform, die im Trunser Wappensaal vorkommt.
Obwohl Hans Gandrian nur kurze Zeit als Ammann von Rhäzüns und als Landrichter im Grauen Bund tätig war, spielte er eine wichtige Rolle bei der Ablösung herrschaftlicher Rechte und der Bildung des späteren Freistaates der drei Bünde. Als Landrichter hatte Hans Gandrian ein zweisprachiges Gebiet für seine aus Süddeutschland stammenden Zollerschen Feudalherren zu verwalten. Seine lateinische Bildung erleichterte wohl diese Tätigkeit als Verwalter und Richter in zweisprachigen Gebieten. Die Zweisprachigkeit (Romanisch-Deutsch) als Vorteil der Karrierebildung ist in der Bündner Geschichte unerforscht – hier aber offensichtlich.

Im 15.Jahrhundert kam es zu einem Erstarken der Bündner Gerichtsgemeinden und Nachbarschaften, da die Feudalherren immer mehr Schulden anhäuften. Das brachte dem Volk erste Freiheiten und Mitspracherechte. Immer mehr Gemeinden in Bünden traten mit eigenem Siegel auf oder kauften sich frei. Das Amt eines Landrichters (landrechter) wurde in der Part Sura (ober tail) erst im 15. Jahrhundert geschaffen, denn anfänglich waren die Abgeordneten noch Vertreten oder Vögte des jeweiligen feudalen Grundherren oder einer Dorfgemeinschaft (z. B. der Freien von Laax). Die Eliten verloren zu Gunsten der Dienstherren an Einfluss.

Die Herrschaft Rhäzüns stellte im Grauen Bund vier der 15 abgeordneten Dienstherren. Der Landrichter vertrat den Grauen Bund nach aussen, siegelte Briefe und Urkunden, führte Sitzungen und sorgte für die Umsetzung der Beschlüsse. Hans Gandrian war anfänglich nur ein Vertreter der Dorfgemeinschaft Rhäzüns in Funktion eines Ammanns. Er musste seinen Vorgesetzten – den Schlossherren von Rhäzüns – den Treueeid leisten und diese auch bei Bedarf mit Waffendienst auf Kriegszüge begleiten. Da die österreichischen Grundherren die romanische Sprache der Untertanen nicht beherrschten, diente er wohl auch als Übersetzter und Vermittler. Die meisten Schriften wurden jedoch in Deutsch verfasst. Als Ammann konnte Hans Gandrian nur in niederer Gerichtbarkeit urteilen, also bei Diebstahl, Ehestreitigkeiten, Steuerverweigerung oder bei Fälschungen von Urkunden. Die Gerichtsgemeinden und deren Vorsteher (Ammänner) hatten zudem ein Vorschlagsrecht, wer ein Amt versehen durfte. Da dies auch Einnahmen brachte, war das Amt begehrt, so wie das eines Landrichters.6 Der Dienst als Landrichter war ebenfalls gebunden an die Interessen der Feudalherren. Er vertrat jedoch auch die Ansichten aller Parteien im Grauen Bund, was oft Konflikte hervorrief. Im Jahre 1461 erwarben die verschuldeten kaiserlichen Grafen von Hohenzollern die Herrschaft Rhäzüns mit ihrem Schloss. Sie besassen seit 1458 die Herrschaft Jörgenberg, die sie jedoch 1472 an den Abt des Klosters Disentis verkauften. Von 1468 bis 1497 waren die Hohenzollern Feudalherren in der Herrschaft Rhäzüns. Sie waren unter anderem auch interessiert an möglichen Gewinnen aus Bergwerken, denn ab 1471 durften sie auf kaiserliches Geheiss Metallmünzen herstellen. Dienstvögte der Hohenzollern waren ab 1473 die Herren von Marmels, die sich in dieser Zeit ebenfalls zu bereichern wussten, vorab durch Zolleinahmen aus dem gerade ausgebauten Weg durch die Viamala. Die Feudallasten wogen in dieser Zeit jedoch für manche Gemeinden schwer. 1470 urteilte Gandrian – wohl im Sinne seiner Dienstherren – dass auch die Bewohner von Tenna die Strasse über Sculms ins Safiental unterhalten müssen.Steuerlasten und Abgaben drückten einzelne Gemeinden zusätzlich.

1475 wurde Hans Gandrian zum dritten Mal Landrichter des Oberen Bundes und vertrat den Oberen Bund quasi als Bundespräsident.1477 klagten er und Hans Disch aus Rhäzüns gegen den Grafen von Werdenberg wegen strittiger Alprechte auf Alp Bischola bei Sarn am Heinzenberg. Sie mussten jedoch vor das bischöfliche Lehensgericht gehen, um angehört zu werden, ihr Einfluss war zu gering.8 Einige Zeit verschwand nun Hans Gandrian im Dunkeln der Geschichte. Möglich ist, dass er in dieser Zeit als Söldner tätig war. 1482 erscheint er wiederum als Geschworener in einem Betrugsfall in Tumegl/Tomils, als ein St. Galler Bürger gestand, eine Urkunde gefälscht zu haben. Der Verurteilte wurde abgestraft, indem er Urfehde schwören musste und ewiger Leibeigener des Grafen von Werdenberg-Sargans wurde.1484-88 stritten sich Bauern aus Churwalden und Obervaz um Alprechte auf der Stäz derart, dass es 14 Tote gab. Der richterliche Obmann Gandrian und 14 Richter aus den Drei Bünden schlichteten am 18. März 1488 diese Blutfehde erfolgreich.9
Im Jahre 1491 quittierte Hans Gandrian dem Churer Bürgermeister eine hohe Geldsumme, welche Bündner Kriegsleute benötigten, um zusammen mit den Eidgenossen nach Bellinzona zu ziehen.10
Ab hier verliert sich seine Spur, möglich dass er im Kriegsdienst oder beim grossen Peststerben 1493 verstarb. Nachfahren und weitere Mitglieder der Gandrian finden wir anschliessend in Chur, Bonaduz, Domat/Ems, in der Surselva, später auch im Engadin und im Münstertal.11 Einzelne Vertreter des Geschlechts waren Richter, Pfarrherren oder Lehrer.



F: Erklärung des Flurnamens Pleum da Spagna / Spanierboden

Eine ebene Weidefläche zwischen Tarmuz-Ault und Runcaglia nennt man seit der Frühen Neuzeit Pleum da Spagna.

Die Namensgebung hat eine interessante Vorgeschichte:
Der dreissigjährige Krieg um Mitte des 17. Jh. zeigte wieder so recht, von welch ungemeiner Bedeutung es war, wenn Österreich die drei Bünde einigermassen in der Hand hatte. Und dieser Gedanke leitete die künftige Politik des Kaisers in Graubünden (Räzien). Der Besitz der Herrschaft Rhäzüns wäre nicht ungeeignet gewesen, Österreich einigen Einfluss auf die politische Stimmung in Graubünden zu verschaffen. Unmittelbar nach dem dreissigjährigen Kriege schien Österreich diese Herrschaft zur Erreichung seiner Ziele noch nicht nötig zu haben. Es gestattete den Loskauf der Gerichte im Prätigau, Davos, Schanfigg und Unterengadin und veräusserte 1687 die Herrschaft Tarasp, so dass der Kaiser sogar eine Einbusse an seinem Einfluss erlitt. Aber ehe das geschah, waren die III. Bünde durch den Abschluss des mailändischen Kapitulats vom Jahre 1639 in viel höherem Masse in Abhängigkeit geraten. Etwas anderes bedeutete dieser Vertrag wohl kaum, wenn die III. Bünde darin den König von Spanien in der Eigenschaft als Herzog von Mailand als Garanten anerkannten für das durch die Bestimmungen im mailändischen Kapitulat geschaffene Verhältnis zwischen den III. Bünden und ihren Untertanen im Veltlin.
Nun war aber der spanische König ein Habsburger und wie der dreissigjährige Krieg gezeigt hatte, verwachsen mit der österreichischen Politik, so dass auch Österreich  durch das mailändische Kapitulat indirekt seinen Einfluss in den III. Bünden, mehr als diesen recht sein konnte, gewahrt sah.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts tauchte die Frage der spanischen Erbfolge auf, denn Karl II., der letzte spanische Habsburger, versprach ein kurzes Leben. Die Thronfolger nach seinem Tode waren unbestimmt. Was dann, wenn der künftige Herzog von Mailand ein Bourbon war, wenn er eine habsburgfeindliche Gesinnung hatte, wenn er seine Stellung als Garant des mailändischen Kapitulats zur Schädigung, anstatt wie es bisher geschehen war, zur Unterstützung der österreichischen Politik in Räzien benutzte? Es drohte in diesem Falle dem Kaiser der Verlust seines gesamten Einflusses in Graubünden. Er wollte aber das Eintreten dieser Möglichkeit nicht abwarten und suchte daher noch rechtzeitig einen Ersatz in der Herrschaft Rhäzüns, wodurch der österreichische Einfluss in Graubünden im Fall eines ungünstigen Ausganges der Erbfolgefrage einigermassen gesichert werden sollte. Und selbst wenn die spanische Erbfolgefrage die für Österreich günstigste Lösung fand, wenn also das Herzogtum Mailand an den Kaiser zurückfiel, so verlor die Herrschaft Rhäzüns für Österreich nichts von ihrem Wert. Denn, die Stärkung des österreichischen Einflusses auf die innere Politik des Landes war nun von umso grösserer Bedeutung, als die bündnerischen Pässe am besten die Verbindung zwischen den habsburgischen Gebieten in Tirol und in Mailand herstellen konnten. – Das mochten die Erwägungen gewesen sein, welche Österreich im Jahre 1696 veranlassten, die Herrschaft Rhäzüns einzulösen und zu seinen Händen zu nehmen. (Bisher hatten Pfandinhaber die Herrschaft verwaltet.)

Insofern war denn die Herrschaft Rhäzüns geeignet, dem Inhaber etlichen Einfluss auf die Politik in Graubünden zu verschaffen. Zudem gewährte die Herrschaft Rhäzüns als Hauptherren der III. Bünde Spanien die Benutzung der Pässe, gestattete Werbungen und versprach, keinem Feind Spaniens den Durchzug zu erlauben. Allerdings erhielten die Bünde dafür die Zusicherung des spanischen Schutzes, Studentenfreiplätze in Mailand oder Pavia, Marktvergünstigungen in Como, wo die Bündner zollfrei Korn und andere Lebensmittel kaufen konnten, dann sollten jährlich 4500 Kronen durch Spanien in die bündnerischen Taschen fliessen.1
Durch dieses lukrative Abkommen ist es anzunehmen, dass während den Verhandlungen mit den spanischen Kommandeuren längere Zeit verstrich, so dass die durchziehenden spanischen Krieger eben für mehrere Jahre bei jedem Durchzug das Recht erhielten, auf igl pleum da Spagna ein Camp einzurichten.2 
M.s.u. 2. Bergstürze, Geologie, Geographie und Verkehrsgeschichte.

2 . Teil G-H   -   3. Teil I-M