53. Braunviehzuchtgenossenschaft / Societad da tratga, armentiva brina da Razén


Die Urgeschichte des Rindviehs 

Abstammung und Herkunft: Auf dem Gebiet der heutigen Schweiz finden wir die ältesten Spuren menschlicher Siedlungen an den Alpenrandseen. Sie gehen auf die Pfahlbauer der Bronze- und Eisenzeit (ca. 2000 v. Chr.) zurück. Zu ihren Haustieren zählte das Torfrind, ein kleines zierliches Rind mit feinen Gliedern und kurzem Horn. Nach Knochenfunden dürfte die Widerristhöhe etwa 120 cm und das Gewicht ca. 400 kg betragen haben. Dieses aus dem Osten (Kaukasus und Vorderasien) stammende Rind bildet die Basis und damit den Ausgangspunkt aller Rinderrassen der Zentral- und Ostalpen, so auch unseres Braunviehs. Nach dem Untergang des Römischen Reiches (ca. 350 n. Chr.) wurde die östliche Hälfte unseres Landes allmählich durch die Alemannen besiedelt, einem germanischen Volksstamm mit einer besonderen Beziehung zum Tier. Sie brachten ihr eigenes Rind mit. Servatius, der Feldherr des Gotenkönigs Theoderich (515 n. Chr.), bezeichnet es im Vergleich zum angestammten Rind als „kostbarer wegen seiner Grösse“. Die Urgeschichtsforscher nehmen an, dass dieses Alemannenrind aus der Anpaarung zwischen dem in Mitteleuropa weit verbreiteten wilden Ur- und dem kleinen germanisch-keltischen Hausrind hervorgegangen ist. In unseren Gegenden erfolgte dann rasch eine Durchmischung mit dem ansässigen Torfrind. Einzig das Vieh der Bündner Täler hat seine eigene Entwicklungsgeschichte. Es geht nach Rütimeyer ursprünglich auch auf das Torfrind zurück. Das Hirtenvolk der Rätier brachte bei seiner Einwanderung im 4. Jahrhundert ebenfalls seine eigene Rasse mit. Diese führt auch Primigenius-Blut, stammt aber aus Mittelitalien (Toscana).
Damit lässt sich unser Bündner-Grauvieh- und Braunvieh in seiner Gesamtheit klar einordnen, und zwar in die Gruppe des Kurzhornrindes (bos brachyceros) mit starken Anteilen der Rassengruppe des europäischen Urrindes (bos primigenius Bojan).
Offen blieb bis ca. 1990 die Frage nach den Hintergründen der klaren Trennlinie zwischen Braun- und Fleckvieh in unserem Land. Im Rahmen des gegenwärtigen „Nationalen Forschungsprogramms über die schweizerische Identität (NF21)“ stiessen die Historiker in ihren Nachforschungen auf das Vorhandensein einer geheimnisvollen Napf-Reusslinie. Diese trennt das Braunvieh vom Simmentaler Fleckvieh. Die Rassengrenze hat also keltische Wurzeln.1  


Wilhelm 1879


Helvetia 1868


Hortensie 1860

1902: Gründungsprotokoll der Viehzuchtgenossenschaft Rhäzüns

Initianten und erster Vorstand: Stephan Anton Camenisch     Präsident Johann Georg Caluzi     Kassier: Caspar Caliezi, Aktuar

                                                                                         
1930. Stierhalter Leonhard Caviezel-Jeger (1888-1937) mit Genossenschaftszuchtstier Taurus (Sammlung chrsp.)

Zweck der Genossenschaft: 
Laut Statuten hat die Genossenschaft den Zweck, die Zucht von rassenreinem Braunvieh zu fördern. Auch soll die Milchergiebigkeit der Tiere angestrebt werden. Die Genossenschaft schreibt dazu: „Das schweizerische Braunvieh wird auf mehrseitige Leistung, Milch, Fleisch und Arbeit (als Zugtier bis zum  Ende der 1950er Jahre) gezüchtet. Dabei verdient die Milchergiebigkeit und der hohe Fettgehalt besondere Berücksichtigung. Erste Voraussetzung dieser mehrseitigen Nutzung bilden Gesundheit, kräftige Konstitution, regelmässige Fruchtbarkeit, gute Futterverwertung und hohe Anpassungsfähigkeit an die verschiedenen Futter- und Haltungsverhältnisse.“    

 

Bis ca. Mitte der 1960er-Jahre war die „Schönheitszucht“ wichtiger als die Förderung wirtschaftlich wichtiger Merkmale.


Chronologie aus der 100-Jahr-Jubiläumsschrift von 2002

1904: Verkauf eines Zuchtstieres 694kg à Fr. -.80 = Fr. 556.-Ankauf eines Stieres für Fr. 730.-

1917/19: Es werden Diskussionen geführt über einen eventuellen Zusammenschluss mit der VZG Bonaduz, man wird sich aber nicht einig. 

1923: Ein Beitritt zum Verband schweizerischer Brauviehzuchtgenossenschaft wird beschlossen.     

1925: Die Statuten der VZG werden revidiert und genehmigt.

1927: Die VZG beschliesst die Einführung von Milchleistungsprüfungen.                                                     

1930: Gussstempel wird eingeführt für die Kennzeichnung (Hornbrand) der Kühe mit Milchleistungsausweis.                                                                   

1943: Die Genossenschaftsstatuten werden den neuen kantonalen Vorschriften entsprechend revidiert und genehmigt.

1960: Die VZG schliesst sich der für das Berggebiet eingeführten landwirtschaftlichen Betriebsberatung an und führt die integrale Milchleistungsprüfung ein.

1966: Die VZG Rhäzüns meldet sich beim Kanton für Anwertung der künstlichen  Besamung (KB) an.

1985: An der Jahresversammlung fällt der Vorschlag, für die monatliche Milchleistungskontrolle einen grösseren Milchkessel von mindestens 16 Liter anzuschaffen, damit das Milchquantum der Spitzenkühe in einem Arbeitsgang gewogen werden kann.

1990: Ehrung von Florian Camenisch: 30 Jahre Kassier. 

1992: Die bisher voll geschriebenen Genossenschaftsbücher werden im Gemeindearchiv deponiert.

1994: Erste Diskussionen über einen eventuellen Zusammenschluss mit den regionalen Viehzucht-Genossenschaften, infolge Mitgliederschwunds.  

1996: Die VZG Rhäzüns hat die Ohrmarkennummer 3500 erreicht, was mit einem Apero gefeiert wurde.

1999: Ab 1. Oktober werden die Daten des einzelnen Zuchtstiers bei der Herdebuchstelle des Zuchtverbandes in einer Datenbank gespeichert. Der Tierbesitzer muss seine Tiere selber anmelden und markieren. Das Amt des örtlichen Zuchtbuchführers wird hinfällig.

2001: Die VZG plant das 100-Jahr-Jubiliäum der VZG Rhäzüns im Jahr 2002. Zum Jubiläum soll eine Rindviehausstellung mit dem Bezirk Imboden in Rhäzüns durchgeführt werden.2                               


1948. Pieder Caminada (1924-2006) (Sammlung chrsp.)


Alphirt Balthasar Spadin (1911-1980) mit Zuchtstier Reto bei einer Alpentladung (Sammlung chrsp.)

 
1989. Zuchtstier Eron 3311 / 388 Rhäzüns Züchter Stefan Fetz  (1927-2012), Rhäzüns Der erste Zuchtstier von Rhäzüns, der es bis zur Station für künstliche Besamung (KB) schaffte.


1954. Alphirt Balzer Spadin mit Stier Titan, Alp sut Rhäzüns (Sammlung chrsp.)


1955. Dumenic Cavelti mit Sohn Reto und den Tieren Rita und Märla (Sammlung chrsp.)


1959. Balzer Spadin. Staffel Alp sura. Zuchtstier Waldi (Sammlung chrsp.)



1964. Mario Spadin. Lag Alp sura. Kühe Maia u. Marfa (Sammlung chrsp.)  


1967. Maia mit Tochter Marlis im Hintergrund (Puniera Flüela Bual-weide in Prada) (Sammlung chrsp.)


1983. Mutterkuh Flawia mit Zwillingskälbern in Runcaglia (Sammlung chrsp.)


2009. Mutterkühe-Hof Consti Caminada, Puleras (Sammlung chrsp.)


V. l. n. r. Marcel Tschalèr (1944), Christian Spadin (1948), Hugo Stiefenhofer (1940), Gerhard Spadin (1949), Alfons Heini (1929-2008) mit Sohn Merens (1973-2002) (Sammlung chrsp.)

   
V. l. n. r. Alfons Heini (1929-2008), Hugo Stiefenhofer (1940), Alfons Caviezel (1948),Christian Spadin (1948), Marcel Tschalèr (1944), Ulrich (Ueldri) Cavelti (1906-1982), Bernhard Tschalèr (1939, Zuchtbuchführer) (Sammlung chrsp.)


Christian Spadin hält Rind Flora (Sammlung chrsp.)


„Das Vieh der Reichen, frisst das Brot der Armen“. Unbekannt 
(Dieser Spruch wurde im Zusammenhang mit der Hungersnot in den Drittweltländern zu meiner Ausbildungszeit um 1965 oft gebraucht.)