44. Holzköhlerei

Die Köhlerei ist ein sehr altes Handwerk. Geschichtliche Forschungen haben ergeben, dass die Holzköhlerei bis in die Steinzeit zurückgeht. In der Bronze- und Eisenzeit verwendete man die Holzkohle zum Schmelzen der Metalle.

„Ohne die Holzkohle hätte es weder die Eisenzeit noch die Bronzezeit gegeben.“ (Michaela Vieser)

Seit Urzeiten wurde in den Wäldern in der ganzen Schweiz Holzkohle gebrannt. Neben den Gold-, Silber-, Kupfer- und Hufschmieden, den Eisengiessereien, Ziegeleien und Glashütten interessierten sich in früheren Zeiten auch die Regierungen für die Holzkohle, die zur Herstellung von Schwarzpulver verwendet wurde. 

Seit dem 16. Jh. führte der grosse Bedarf an Holzkohle zur Holzverknappung. Die Ausfuhr der Kohle wurde verboten und es durfte nur noch mit einer Bewilligung geköhlert werden. Bestimmte Waldungen wurden ab dem 18. Jh. der Köhlerei entzogen.1


1945: Der Köhler vor seinem Meiler 

Ein Kohlenmeiler ist ein mit Erde, Gras und Moos luftdicht bedeckter Holz-Haufen, der von einem Köhler in Brand gesetzt wird, um Holzkohle zu erzeugen. Die Hitze des glimmenden Holzes im Innern des Meilers treibt dann alle flüssigen und organischen Bestandteile als Rauch aus dem Holz. Es bleibt zu 98% nur das Kohlenstoffgerüst der Holzzellen zurück. Das Relikt eines Kohlenmeilers, wie es oft in Wäldern zu finden ist, heisst Meilerplatz (Kohlplatz).

Der Holzkohlemeiler wird in Form eines Kegels gebaut. Zu Beginn wird in der Mitte ein Schacht (Quandel) aus Stangen errichtet, die senkrecht in den Boden gelassen werden. Rundherum werden die ca.1 m langen Holzstücke aufgeschichtet. Darauf kommt ein Dach aus trockenen Laub, Stroh oder Heu. Zu Abschluss wird der Meiler mit Erde, Gras und Moos luftdicht verschlossen. Entzündet wird der Meiler über den Schacht. Die Aufgabe des Köhlers ist es nun, über die folgenden Tage und Wochen den Meiler weder erlöschen noch ihn durch zu viel Luftzufuhr abbrennen zu lassen. Dazu bohrt und verschliesst er Löcher an der Oberfläche. Durch die Beobachtung des Rauches bzw. dessen Farbe muss der Köhler erkennen, ob zu viel oder zu wenig Luftzufuhr herrscht.2

„Wirtschaftsgeschichte: Ohne Köhler kein Fortschritt“ (Der Spiegel)  

 
Schnitt durch einen Kohlenmeiler.


… in Rhäzüns

(Quelle: Zur Kohlenproduktion in Rhäzüns besteht bis heute nur eine mündliche Überlieferung.) 

Als ich damals gerade 15 Jahre alt war, ging im Juli 1963 gerade die Heuernte auf dem Maiensäss los. Es war immer ein spezielles Erlebnis für die ganze Familie, ja, eigentlich für alle Familien, die einen Maiensäss hatten, vor allem für die Kinder. Wir bekamen von unserem Onkel Giacum Antuni Spadin (1907-1986) manchmal Hilfe während dem Heuen. Er erzählte immer wieder Geschichten von früheren Zeiten und über seine Vorfahren, denen ich stundenlang zuhören mochte. Unter anderem fragte ich ihn: Was haben eigentlich die künstlich angelegten, quadratischen, ebenen Flächen von ca. 7 auf 7 Meter in manchmal steilen Hanglagen zu bedeuten? 
Die Geschichte der Kohlenherstellung in Rhäzüns beginnt auf einem flachen Platz ...

Dass in Rhäzüns jemals Kohle hergestellt wurde, kann von den heutigen Generationen niemand mehr erinnern. In anderen Ortschaften weisen oft Flurnamen auf das alte Handwerk der Köhlerei hin, z. B. Kohlplatz, Holzkohlplatz, Kohllager, Kohlstrasse, Kohlwald (oder auf romanisch cotgel, cuitgel, cotgla, cuitgla, cotglera, cuitgleria). Für Rhäzüns gibt es keine Hinweise auf Flurnamen, die etwas mit Kohle bzw. cuitgla zu tun haben. Auf Gemeindegebiet von Rhäzüns errichtete man die Kohlenmeiler jeweils gerade dort, wo man den Wald zum Roden vorsah, um Mähwiesen und Weideland zu gewinnen. Die Kohlplätze erkennt man – man findet sie heute noch – vor allem im Hanggelände, weil die Plätze etwa in einem Umfang von 7 auf 7 Meter ausgeebnet sind. Die meisten Plätze sind in den Maiensässen, Runcaglia, Runcalatsch, Malé (culm dils Marons), Runcars und in den damaligen Privatwäldern usw. zu finden.

Es ist anzunehmen, dass nach der Stilllegung der Kohlenproduktion in Hanglagen auf den ausgeebneten Kohlplätzen Hütten und Ställe errichtet wurden (z. B. in Runcaglia, Runcalatsch, Runcars und auf den Maiensässen). Für den Eigenbedarf war man tagtäglich auf die Holzkohle angewiesen: im Haushalt für das Erhitzen der Bügeleisen, Brotbacken und allgemein für die Wärmegewinnung usw. Der Wagen- und Hufschmied brauchte die Holzkohle auch für das Erhitzen der Eisen. 
Hier in Rhäzüns wurde die Holzkohle grösstenteils für den Verkauf, aber kaum im grossen Stil hergestellt, sondern je nach Nachfrage. Die Rhäzünser Köhler waren Bauern, die mit ihren Familienmitgliedern Holzkohle herstellten. Es bedeutete für sie einen echten Nebenverdienst. Die Meiler mussten von den Kohlbrennern Tag und Nacht bewacht werden, bis sie ausgebrannt waren, um einen Flurbrand zu verhindern.
Einen eigentlichen Aufschwung erlebte die Köhlerei im 19. Jahrhundert. Dass dazumal in den abgelegenen Waldgeländen keine oder nur schlechte Wege für den Holztransport bestanden, förderte naturgemäss das Aufkommen der Holzköhlerei. In mühsamer Arbeit trugen oder schleppten die Köhler ihre Holzkohle aus den abgelegenen Wäldern an die Fahrwege, wo sie von den Fuhrleuten übernommen wurde.3 Die Hauptabnehmer waren bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein die Glashütten, Hammerwerke, Schmieden, Ziegeleien und die Eisenwerke. Die Köhlerei erreichte in der Schweiz um 1870 ihre Blütezeit. Erst der Bau der Eisenbahnlinien und die Einweihung des oberen Hauensteintunnels (1858) ermöglichten den Transport der billigeren Steinkohle. Alle stiegen immer mehr auf Steinkohle um. Zudem gewannen das Gas und der elektrische Strom ab 1900 immer mehr an Bedeutung und bewirkten fast das Aus für die Holzköhlerei. 
Schon im ersten Weltkrieg führte die vermehrte Nachfrage nach Holzkohle zu einer Belebung der Köhlerei. Die Einschränkungen der Importe beim Ausbruch der Zweiten Weltkriege lösten für kurze Zeit eine starke Nachfrage nach einheimischer Holzkohle aus. In der Schweiz rauchen Kohlenmeiler heute noch regelmässig in Romoos und im Freilichtmuseum Ballenberg.  

„Aus 100 kg Holz können ca. 20 kg Holzkohle gewonnen werden.“                           

Heute kennen wir nur noch die Verwendung der Holzkohle beim Maronibraten, Fleischgrillieren etc. Der Feinschmecker bevorzugt zum Grillieren Holzkohle aus einem echten Holzkohlenmeiler; diese soll ein besseres und schmackhaftes Grillgut als industriell hergestellte Holzkohle geben.4 
Beim Durchsuchen der Rhäzünser Genealogieliste stiess ich für den Zeitraum von 1732 bis 1822 auf 20 Personen mit dem Geschlechtsnamen Kohler. Herkunft: Erding, Bayern (D).5



In Anlehnung an die Form des Kohlenmeilers werden Kernreaktoren noch heute umgangssprachlich als Atommeiler bezeichnet.“ (Wikipedia, mittlerweile geändert)