38. Schlacht an der Calven (1499), Schlacht bei Ems und Umgebung (1799)

 

Die Schlacht an der Calven im Jahre 1499

Vorgeschichte: (Die Herrschaft Rhäzüns wurde im Hinblick auf die Vorgeschichte mehrmals erwähnt.)
Die treibende Kraft in der Vorgeschichte des Schwabenkriegs war Kaiser Maximilian I., seit 1497 Besitzer der Herrschaft Rhäzüns. Er forderte die Eidgenossen wiederholt auf, die Reformen zu implementieren, die vom Reichstag 1495 verabschiedet worden waren, aber die Eidgenossen lehnten ab. Sie hatten ihre eigene politische Ordnung gefunden, und sie wollten sich die Option einer Allianz mit Frankreich nicht nehmen lassen. Wie um dem Reichsoberhaupt ihre negative Antwort zu verdeutlichen, schlossen die Eidgenossen im Herbst 1495 ein Militärbündnis mit Frankreich. 
Kaiser Maximilian fand ein neues Druckmittel: den Schwäbischen Bund. Wiederholt waren die Eidgenossen aufgefordert worden, sich dem Landfriedensbündnis anzuschliessen; jedesmal hatten sie abgelehnt. Nun, im Herbst 1498, zog Maximilian die Stadt Konstanz in den Bund. Mit der Handelsstadt am Bodensee hätten sich auch die Eidgenossen gern verbündet. Andererseits war das Verhältnis zwischen den Eidgenossen und ihren Nachbarn an Bodensee und Rhein – eben den Schwaben – kein gutes.
Auch in Graubünden spitzten sich die Dinge zu. Hier waren pro-französische, anti-österreichische Kräfte am Werk. Graf Trivulzio, ein Söldnerführer aus Mailand, der vom dortigen Herzog abgefallen war und jetzt dem König von Frankreich diente, trat im Sommer 1496 mit der Herrschaft Misox dem Oberen Bund bei. Unter Trivulzios Einfluss schloss der Obere Bund ein Militärbündnis mit Frankreich, genau wie zuvor schon die Eidgenossen. Bündner wie Eidgenossen suchten die Anlehnung an Frankreich einerseits aus der Defensive gegenüber Maximilian, andererseits zur Offensive gegen Mailand, was allerdings auf das gleiche hinauslief; denn Kaiser Maximilian verstand sich ja als Mailands Schutzherr. Im Sommer 1497 verbündeten sich die Gemeinden des Oberen Bundes direkt mit den Eidgenossen. Anderthalb Jahre später folgte ihnen das „Gemeine Gotteshaus“ (die dem Bischof von Chur unterstehenden Gemeinden, ohne ihren Herrn). Nur der Zehngerichtenbund hielt sich abseits; hier war der österreichische Einfluss gross. Gut die Hälfte der Gerichte stand schon seit längerem unter österreichischer Herrschaft, und 1496 brachte Kaiser Maximilian auch noch das Mittel- und Vorderprättigau in seinen Besitz.
Im Herbst 1497 konnte Kaiser Maximilian sogar im Oberen Bund Fuss fassen: Er erwarb die Herrschaft Rhäzüns. Damit kam er dem Trivulzio zuvor, der sich für dasselbe Objekt interessierte. Die Herrschaft Rhäzüns war deshalb so interessant, weil sie ihrem Besitzer den Status eines „Hauptherrn“ des Oberen Bundes eintrug. Doch der politische Nutzen, den Maximilian daraus ziehen konnte, war gering; im Oberen Bund liess sich so schnell keine österreichische Partei aufbauen. 
Die Folgen: Am 22. September 1499 wurde in Basel ein Frieden geschlossen. Als Vermittler fungierte der Herzog von Mailand, der wieder einmal von den Franzosen bedroht wurde und Kaiser Maximilian freie Hand zum Eingreifen in Italien verschaffen wollte. Maximilians Forderungen bezüglich Reichsreform wurden im Friedensvertrag stillschweigend fallengelassen. Ausdrücklich anerkannt wurde dagegen das eidgenössisch-bündnerische Bundesverhältnis. Eine Lösung der Eidgenossen oder Bündner vom Deutschen Reich war mit diesen Vereinbarungen nicht gegeben, weder formell noch im Bewusstsein der Zeitgenossen. Immerhin wurden gewisse Hoheitsrechte territorial entflochten. So musste die Stadt Konstanz die hohe Gerichtsbarkeit im Thurgau den Eidgenossen abtreten. Die Situation im bündnerisch-tirolischen Grenzraum wurde von einem besonderen Schiedsgericht geklärt. Dieses sprach die hohe Gerichtsbarkeit im Unterengadin den Erzherzögen von Österreich-Tirol zu, liess aber den Unterengadiner Gemeinden weitgehende Mitspracherechte. In den Nachbartälern wurden die Kompetenzen eindeutig zugewiesen: im Münstertal dem Bischof von Chur, im oberen Vinschgau den Österreichern. Österreich war damit keineswegs aus Graubünden hinausgedrängt. Seine Herrschaft im Unterengadin und in weiten Teilen des Zehngerichtenbundes sollte sich noch für anderthalb Jahrhunderte halten, diejenige speziell in Tarasp sowie in Rhäzüns sogar noch für drei Jahrhunderte. 

Die Schlacht an der Calven: Am 10. Mai 1499 besammelten sich in der Talebene zwischen Müstair und Taufers im Bereich der heutigen Landesgrenze gegen 6000 Bündner und zogen gegen den Taleinschnitt an der Calven wo die eigentliche Schlacht stattfand. Die Schlacht wurde dann von den Bündnern mühevoll gewohnen.1


Bild aus Terra Grischuna 1/1999. S. 12.
Humanisten wie Ulrich Campell und Simon Lemnius haben das Heldenbild um Benedikt Fontana geprägt. Im Jahr 1899 erreichte die Verehrung Fontanas mit der Calvenfeier in Chur ihren Höhenpunkt.  


Bild aus: Terra Grischuna 1/1999. S. 12. 
Benedikt Fontana, der „Bündner Nationalheld“, hat tatsächlich gelebt, gekämpft und ist in der Calven-Schlacht gefallen. Damit unterscheidet er sich schon wesentlich von anderen Figuren aus der patriotischen Heldengalerie  wie Tell und Winkelried, die ihn an Ruhm übertrafen, in der Realität aber nie gelebt haben, was allerdings ihrer Ruhmesgeschichte kaum Abbruch tat. 


Photo aus: Terra Grischuna 1/1999. S. 13.
Spätes Denkmal: Ein energischer, bärtiger Kopf. Fontana führt das Schwert gegen den Feind, blickt zurück, seine Kameraden anspornend: So steht er heute noch übermannshoch als Denkmal in Chur. Errichtet wurde das Denkmal 1903, im Nachtrag zur Calvenfeier. Kommt uns dieser Fontana nicht irgendwie bekannt vor? Wenn der Bündner Held an Wilhelm Tell erinnert, so kommt dies nicht von ungefähr: Das Telldenkmal in Altdorf ist vom gleichen Bildhauer geschaffen worden, nämlich von Richard Kissling.2 

Es war ein Konflikt mit vier Namen: Der Schwabenkrieg 1499 erhielt seine(n) Namen dadurch, dass jede mitkämpfende Partei auf ihren Hauptgegner fixiert war. Dementsprechend hiess der Konflikt in Süddeutschland „Schweizerkrieg“, in Graubünden „Tirolerkrieg“ und im Tirol „Engadinerkrieg“.3   

„Lieber ein mittelmässiger Frieden als ein glorreicher Krieg“. (Maria Theresia, 1717-1780, österreichische Regentin)  

 

Die Schlacht bei Ems im Jahre 1799 

(auf dem damals so genannten Rhäzünser Boden)

Beginn der Auseinandersetzung zwischen dem Landsturm und der französischen Armee 
Die kriegerischen Ereignisse von 1799 im Freistaat der Drei Bünde stehen in einem gesamteuropäischen Kontext. Nach der Französischen Revolution von 1789 kämpfte Frankreich in den so genannten Koalitionskriegen (1792-1815) um die Vorherrschaft in Europa. Die Revolutionstruppen waren gleichzeitig von der Idee beseelt, den absolutistischen Staaten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu bringen. Im Jahr 1798 – nachdem die Eidgenossenschaft von Frankreich okkupiert worden war – geriet auch der Freistaat der Drei Bünde in den Strudel dieser Auseinandersetzung. Die altgesinnten Kreise Bündens riefen österreichische Truppen ins Land; dies wiederum provozierte Frankreich und führte im März 1799 zur Invasion französischer Truppen.1

Von 1792 bis 1798 war Baron von Cronthal österreichischer Administrator der Herrschaft Rhäzüns.
In einem Schreiben vom Grafen von Wilcek an die Häupter teilte dieser mit, dass die königlich-kaiserliche Regierung die Verwaltung der Herrschaft Rhäzüns Baron von Cronthal übertragen habe. Am 12. März 1798 berichtete der französische Gesandte Florent Guiot von einer Übereinkunft mehrerer Nachbarschaften – mit Rhäzüns, Bonaduz und Ems an der Spitze – zur Abhaltung einer Protestversammlung in Chur. Als schliesslich französische Truppen ins Land kamen, verliess Heinrich von Cronthal das Land und flüchtete nach Feldkirch, später nach Innsbruck.2 

Das Joch dieser Okkupationen wog schwer. Am 1. Mai 1799 erhob sich in Teilen des Alpenraumes ein koordinierter Aufstand gegen die französischen Besatzungstruppen. In Graubünden ging dieser Aufstand von der oberen Surselva aus. Die französischen Wachposten in den einzelnen Dorfschaften wurden gefangen genommen und nach Disentis gebracht. Der Landsturm beschloss, am nächsten Tag mit den Gefangenen Richtung Chur zu marschieren. Doch dann nahm die Katastrophe ihren Lauf. Aus nicht mehr genau rekonstruierbaren Gründen tötete der Landsturm unterhalb von Disentis über 80 gefangene französische Soldaten. Die Bauern zogen daraufhin talabwärts und rissen weitere Gemeinden mit sich. Am Abend des 2. Mai erreichten die ersten Vorposten des Landsturms Reichenau.

Blutige Kämpfe: Am 3. Mai kam es dann zwischen Reichenau und Chur zu äussert blutigen Kämpfen zwischen dem Landsturm und der französischen Armee. Über die Kämpfe gibt uns ein Bericht Auskunft, den die helvetischen Delegierten Schwaller und Herzog am nächsten Tag an das Direktorium in Bern schickten: „Offiziere und Soldaten versichern, dass sie in ihrem Leben mit keiner solche Wut fechten gesehen haben; trotz dem fürchterlichsten Kartätschenfeuer seien diese Irregeführten, mit Äxten, Gabeln, Haken etc. bewaffnet, wie rasend auf die Franken gefallen, und ungeachtet ganzer Haufen Toten, die vor ihnen niedergestreckt lagen, wiederholten sie mit der grössten Entschlossenheit ihre Angriffe.“ 
Ähnlich berichtete die damals in Chur erscheinende, den Franzosen wohlgesinnte Zeitung „Freiheit - Gleichheit“ in ihrer Ausgabe vom 10. Mai 1799: „Die Art und Weise, wie diese Kreuzzüge, worunter, so gar Knaben von 12. bis 14. Jahren waren, in den Tod gingen ist unglaublich. (….) Immer lief einer zuerst dem Franken freiwillig in`s Bajonett, indess ein anderer, und ein dritter mit seinem bis 3 und 4 Fuss langen Morgenstern oben über drein schlug.“                           


Zeitgenössischer Stich der Schlacht vom 3. Mai 1799.

Zuerst gelang es den Bauern, die Franzosen bis vor Chur zurückzutreiben. Die Taten der Onna Maria Bühler zur Unterstützung des Landsturms sind der Emser Bevölkerung bis heute ein Begriff. Die Übergangsregierung in Chur floh bereits aus der Stadt, denn der Einmarsch des Landsturms schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch dann wendete sich das Blatt. Die Franzosen erhielten Unterstützung von berittenen Husaren und konnten den Landsturm zurückschlagen. Nach geschlagener Schlacht zogen die Franzosen am brennenden Dorf Tamins vorbei talaufwärts. In Disentis entdeckten sie die blutigen Uniformen ihrer ermordeten Kameraden und zündeten aus Rache Dorf und Kloster an.
Auf dem Schlachtfeld zwischen Chur, Ems und Bonaduz lagen nach zeitgenössischen Quellen weit über 600 tote Landstürmer und eine beträchtliche Zahl getöteter französischer Soldaten. Am 6. Mai erliess die provisorische Regierung folgendes Schreiben an die Gemeinden: „Bürger! Ihr werdet gleich uns mit höchstem Bedauern den traurigen Fall unserer lieben Landtleuthe vom ehemaligen Oberen Bund vernohmmen, oder mitangesehen haben. Die Vorsicht erfordert nun, dass ihre Leichnahme, und überhaupt all in der Senke des Schlachtfeldes noch liegenden todten ohne einigen Zeitverlust, und in die Erde begraben werden, um das liebe Vaterland nicht noch einem grösseren Übel, der Pestilentz, auszusetzen“.


1910: Flurprozession zur Cresta da morts (Totenhügel). In Domat/Ems.

Ein Teil der Leichen wurde notdürftig in Kalköfen beigelegt. Seither trägt der Hügel im Hintergrund den Namen „Cresta da morts“ (Totenhügel). Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein erinnerten ein Holzkreuz und eine alljährliche Prozession an die Gefallenen des unglücklichen „Franzosenjahrs“.
Aus dem Grabmal wurde ein Denkmal: Da unbefugte keinen Zutritt zum Werkgelände der Ems-Chemie AG haben, wird auf der äusseren Seite des Gitterzaunes an der Via da pols/Polenweg mit einer Tafel auf das Massengrab und den historischen Zusammenhang hingewiesen.3

„Es muss einer den Frieden beginnen wie einer den Krieg.“ (Stephan Zweig)