36. Separationsurkunde vom 5. Feb. 1667: Abtrennung von Sculms

Sculms im Safiental gehörte von Anbeginn (um 1139) zum Gebiet der Herrschaft Rhäzüns  

Amadeus Muoth schreibt zur Separationsurkunde vom 5. Februar 1667, als Bonaduz sich von der Pfarrei St. Paul in Rhäzüns loslöste und selbstständig wurde, über das kirchliche Verhältnis zwischen Rhäzüns und Sculms folgendes:

Sculms war dem Schloss zinspflichtig. Das Schloss hatte dann die Kirchenzinsen der Sculmser der Pfrund in Rhäzüns abzutreten, und der Pfarrer musste dafür zweimal in der Schlosskapelle Messe lesen. (Ob zwei Mal in der Woche, im Monat oder im Jahr wird nicht ersichtlich.) Sculms musste einen Hofzins von 63 Gulden zahlen, was für die Anwohner damals sehr viel war. Ein Teilhaber am Meierhof bzw. an Gütern in Sculms brachte sein Treffnis (Anteil), wenn es auch noch so klein war, separat nach Rhäzüns, wofür die Herrschaft und später die Pfarrei von dort jedem Überbringer einen Trunk Wein oder ein Marend (Zwischenmahlzeit) zu verabfolgen hatte. Dies war kostspielig, weshalb im 17. Jahrhundert ein Pfarrer sich darob beklagte, es kämen die Sculmser ab den drei Höfen (Vorder-, mittlerer und Hinterhof), der eine mit sechs, ein anderer mit acht Kreuzern usw., und den Vorschlag machte, die Summe auf 60 Gulden zu reduzieren, wenn sie samthaft gebracht werde. Der Vorschlag muss gutgeheissen worden sein, denn im Jahre 1783 am 11. März stellte Pfarrer Johann Jörg zu Rhäzüns eine Quittung für 60 Gulden aus, die zwar schon an Lichtmess (2. Februar) verfallen war.

Die Notiz, der Meierhof sei von allen drei Höfen bezahlt worden, bekräftigt die Annahme, der Lehensbrief habe den ganzen urbanisierten Grundbesitz in Sculms umfasst. Wie bekannt ist, dauerte die Zinspflicht für den Hof bis zum 1. März 1820, auf welchen Zeitpunkt sich Sculms mit 1200 Gulden freikaufte. Dies ist wieder eine sehr hohe Summe und ein weiterer Beweis, dass ganz Sculms erstlich ein Erblehen war. Es war eigenartig, dass eine reformierte Gemeinschaft (Sculms) einer katholischen Pfarrgemeinde Zins zu entrichten hatte. Die Sculmser waren ungefähr in der Mitte des 16. Jahrhunderts zum neuen Glauben übergetreten.

Da damals in Versam keine Kirche und Begräbnisstätte bestand und Sculms politisch und kirchlich zu Rhäzüns gehörte, so mussten die Leichen vom Hofe nach Rhäzüns transportiert werden. Man will in Rhäzüns noch jetzt auf dem Friedhof von St. Paul die Stelle kennen, wo man die protestantischen Sculmser beerdigt habe. Nach dem Kirchenbau und der Erstellung eines Friedhofes in Versam anno 1634 wird Sculms mit Versam in Verbindung getreten sein. Es kaufte sich dann am 9. November 1676 für 100 Gulden in die Kirchchöre ein. Bis 1689 war die Summe entrichtet. Sculms trat in alle Rechte und Pflichten der Kirche ein, ausgenommen Kirchenvogt und Mesmer sollte keiner auf Sculms hinübergelassen werden. Die Tradition will wissen, sie hätten sich darüber beklagt und gedroht, wieder katholisch zu werden, wenn ihnen nicht gleiche Rechte zugestanden würden wie denen von Arezen und Versam. Wohl aus diesem Grunde beschloss die Kirchgemeinde Versam anno 1785, den 30. März, dass der Kirchenrat von nun an nur aus dem Herrn Pfarrer und drei Kirchenvögten samt Cuwig bestehen sollte. „Cuwig“ = cuitg = Kirchgemeindeweibel (auch Dorfmeister, Hirtenvogt)1

 

Der Alte Grenzhofbrief

Ein jahrhundertelanger Streit zwischen Sculms und Rhäzüns

Nach örtlicher mündlicher Überlieferung (in Sculms) soll im 14. oder 15. Jahrhundert von einem Freiherrn von Rhäzüns Ulrich II. dem Hof auch ein genauer Grenzbrief gegeben worden sein, welcher die Ostgrenze des Hofbannes vom Seelein auf der jetzigen Rhäzünser Alp sura Richtung Süden über die höchste Höhe der Bergkette bis in die tiefste Lücke derselben bezeichnet hat. Dieses wertvolle Dokument sei den Anwohnern von Sculms aber – wie man dort annimmt – auf ungerechte Weise abhandengekommen. Nach diesem traditionellen Grenzbrief gehörte das ganze Gebiet genannter Alp zum Hofe Sculms, was, nach dessen Lage beurteilt, auch angenommen werden kann, da es sich von der Wasserscheide des Grates, der natürlichen Grenze, auf dem Westabhang des Berges gegen Sculms hinabsenkt. Sogar im Kompromissbrief von 7. Juni, Anno 1707 heißt es; dass beide Parten und alle ihre Nachkommen diesen Accord und Vergleich in Treue nachzuleben schuldig sein sollen, „außer wenn der alte Hofbrief“ denen von Sculms über kurz oder lang zu Handen kommen würde, dass solcher in seinen Kräften bleiben, und Abkommnis in solchem Fall aufgehebt sein solle.

Bereits 550 Jahre lang fragen sich die Sculmser, ob dieser empfindliche Verlust an schönem Sommerweideland in nächster Nähe dem Hofe durch Anerkennung der natürlichen Ostgrenze jemals noch gutgemacht werden wird? In Sculms nährt man diese Hoffnung aus folgendem Grunde: Dort sagt nämlich ein Geschlecht dem andern, dass in alter Zeit von einem Freiherrn zu Rhäzüns dem Hofe ein Grenzbrief ausgestellt worden sei, worin er die Wasserscheide als Ostgrenze bezeichnete. Das heutige Weidegebiet war in damaliger Zeit mit mehr Wald als jetzt und mit guten Grasplätzen, die sich auf dem Grat hinauf ausdehnten, bedeckt. Diese Plätze wurden Pleißen genannt und von Sculms aus gemäht oder zeitweilig durch Auftrieb von Schafen abgeweidet. Auch den Wald benutzten die Sculmser nach ihrem Gutdünken, was – soweit bekannt – von den Freiherren auf dem Schloss zu Rhäzüns nicht beanstandet worden zu sein scheint. 

Im Jahre 1458 starb Baron Jörg. Jörg war der Sohn jenes im Bundesbrief (1424) erwähnten Heinrich V. und Enkel des großen Ulrich II.  Mit dem Baron Jörg erlosch das Freiherrengeschlecht deren von Rhäzüns. Unter der Herrschaft der Herrschaft der Rechtsnachfolger erfuhr der Besitz der Dynastie vielfache Veränderungen. Die Eigentümer wechselten oft; große Gebiete wurden an fremde Herren verkauft oder vertauscht, während weitere Güter in Besitz von Vasallen übergingen. Die Gemeinden ihrerseits waren bemüht, ihr Territorium zu vergrößern und abzurunden. Auf diese Weise wird wohl auch Rhäzüns durch Kauf oder durch eventuellen vermeintlichen Ersitz den Gemeindebann vorteilhaft ergänzt und auch die Rhäzünser Alp sura in denselben einbezogen haben, obgleich das betreffende Gebiet im 17. Jahrhundert noch keine künstliche Marchlinie gegen die Markgenossenschaft Sculms besaß. Es kann jedoch angenommen werden, dass die Rhäzünser glaubten, durch Auftrieb mit Schafen und später auch mit Großvieh die Alp benutzen zu können, wozu sich die von Sculms erst recht berechtigt hielten. Dadurch entstand zwischen Sculms und Rhäzüns ein jahrhundertelanger Streit, in welchem Urteil über Urteil erging, ohne zu einem einigermaßen befriedigenden Entscheid zu gelangen.“ 2

 

Entwicklung der Grenze: 1560-1876

Gerichtsverfahren um diesen alten Hofbrief: „Die Tradition will auch wissen, dass manche Sculmser und zufällig in Sculms anwesende Fremde den fraglichen Grenzbrief gelesen oder lesen gehört haben. Um sich im Rechtsstreit gegen ihre Nachbarn von Rhäzüns vor dem Gericht in Ems zu schützen, ließ die Nachbarschaft Sculms 1560 durch den Ammann zu Tenna und 1567 durch den Ammann zu Ilanz zwanzig Zeugen zu ewigem Gedächtnis einvernehmen, die den fraglichen alten Hofbrief wollen gesehen oder lesen gehört haben und übereinstimmend deponierten, dass im genannten Dokumente die Wasserscheide des Grates als Ostgrenze des Hofgebietes von Sculms bezeichnet gewesen sei, – oder lesen gehört haben und übereinstimmend deponierten, dass im genannten Dokumente die Wasserscheide des Grates als Ostgrenze des Hofgebietes von Sculms bezeichnet gewesen sei, – oder noch genauer. Diese Zeugen deponierten in übereinstimmender Weise, dass Gebiet, Wald, Wunn und Weide von Sculms auswärts an das Medertobel und von diesem hinauf bis auf die Höhe und dem Grat nach hinein bis in die tiefe Lucke und von dieser hinab in das Landwasser und dem Landwasser nach hinaus bis wieder an das Medertobel gehen.

Nach zwei Zeugen duldeten die Sculmser nicht, dass auf ihrem Territorium von Fremden Gewild geschossen oder gefangen werde, denn es habe dazu in ihrem Gebiet und Zwing niemand Gewalt noch Gerechtigkeit, und laut einem Zeugen habe man bei Veräußerung von Gütern die Anstößer den Sculmsern angeben müssen. Daraus muss geschlossen werden, dass die Nachbarschaft Sculms seit alter Zeit auf ihrem Gebiet territoriale Hoheitsrechte besessen und ausgeübt hat. Laut Urkunde von 1686 haben die Nachbarschaft Präz und Dalin und die Nachbarschaft Sculms ihre Grenzstreitigkeit unter Vermittlung unparteiischer Männer in der Weise erledigt, dass sie von der Höhe des Berges nächst den Rhäzünser und Präzer Alpen in erster Linie schräg hinab und hinein fünf Marken bis in das große Tobel (heute auch Geiß- oder Gitzitobel genannt) gesetzt haben. Grund und Boden, Heuberge, Weiden und Wald unterhalb dieser Linie sind Eigentum von Sculms. Zugleich wurde festgesetzt, dass jede Nachbarschaft das Recht habe, wenn Ziegen von der anderen mit behirtetem Stab ihr Eigentum schädigen, dieselben zu pfänden, und dass man Hoheiten und Freiheiten in ihrem alten Wesen beiden Teilen ohne Präjudiz belasse, was ebenfalls wieder auf Territorialhoheit der Nachbarschaft Sculms hinweist.“

 

Vorgeschichte zur Ausmarchung vom 12.6.1708

Zwischen der Gemeinde Rhäzüns und der Nachbarschaft Sculms wurde über ihren jahrhundertelangen Grenzstreit vor dem Gericht der Herrschaft Rhäzüns und sodann vor einem Kompromissgericht prozessiert, ohne dass derselbe erledigt wurde. In der „Mythologischen Landeskarte von Graubünden“ von Arnold Büchli heisst es auf S. 699:

„Schgulms ischt emaal ä Gmeind fir sich gse und het ds Rächt ka, Prozäss z`fiara. Und dua hend d Schgulmser emaal Strit ka mit dä Rhäzünser. D Alpmaarch zwisched Rhäzéns und Schgulms geid underem Graat naa. Um dia Maarch hendsch gstritta. D Schgulmser händ wella, dass dr Graat d Maarch si. D Rhäzénser hend bhauptet, d Maarch geng-gi witer unna gega Schgulms hi, und schi hend zletscht Rächt ibercho, unggrächterwis. Bi dem Strit muass eine vo dä Rhäzénser falsch gschwora haa. Sitter ritet in dr Nacht e Mann uf me Schimmel dr Maarch naa, wo wit undrem Graat ischt. Die Feldiser sagen, – wenn ein Nebelschwall von der Rhäzünser-Oberalp gegen Präz schleicht.– L`aura ei bica biuma, il Um sil schemmel da Razén, va a Präz. – Das Wettar isch nid guat, dr Ma uf am Schimmal vo Rhäzéns got gega Präz.“

„Dieses böse nachbarliche Verhältnis ermüdete schliesslich die Streitenden. Sie bestimmten im Jahre 1706 beidseitig einsichtige, einflussreiche Männer, die einen gütlichen Vergleich herstellen sollten. Den Schiedsrichtern, die im Kompromissbrief genannt sind, gelang es im Jahr 1707, eine Einigung zustande zu bringen und den Plan einer vollständigen Ausmarchung aufzustellen.

Zusammenfassung: Kompromissorischer Vergleich zwischen ‚Ratzins und Schgulmbs‘ wegen des Schafauftrieb, der Kuhalp und den Waldungen. Sculms stellte das Recht des Rhäzünser Schafauftriebs auf die Pleisen in Abrede und sprach seinerseits einen Teil der Kuhalp und das Eigentum der Wälder an. Die Vereinbarung des Vertrags bestellten Herren (Hofkammer-Rat des römischen Kaisers und ausserordentlicher Gesandter in Rätien Joh. Baptista Wenser von und zum freien Thurm, Administrator der Herrschaft Rhäzüns, Landeshauptmann von Capoll und Landrichter della Tour). Sie setzten fest: 1. Dass die Pleisen Eigentum der Sculmser seien. Sie sollen aber nur im Sommer die Schafe dort weiden lassen. Rhäzüns soll keine Schafe zum Schaden der Sculmser halten. Die Kuhalpenwerden gegen die Pleisen abgegrenzt und sollen Rhäzünser Eigentum bleiben. 2. Die Waldungen gehören Sculms. Ausgenommen den Fall, wo Nachbaren von Rhäzüns zum Bau ihrer Häuser („Gepeyen“) Holz brauchen, haben sie nichts zu suchen. 3. Von den in diesem Streit aufgelaufenen Kosten trägt Rhäzüns 2 und Sculms 1 Teil.

Die Kuhalpen sollen von den Pleisen durch Marksteine unterschieden werden, welche den Rhäzünsern eigentlich seien und bleiben, und diese mit ihren Kühen geniessen mögen, aber nicht weiters, als die Marksteine zulassen und ausweisen. Ratzins und Schgulmbs, den 7 ten Tag Monats  Juni, anno 1707“

1686: Grenzstreit zwischen Rhäzüns (Alpsura) und Sculms: Nach einem seit 1686 andauernden, langwierigen und unerledigten Prozess um einen Grenzstreit zwischenSculms,das auf einer natürlichen Bergkamm-Grenzlinie bestand, und den Rhäzünsern, die auf eine unnatürliche, künstliche Grenzlinie mit vielen Marksteinen prätendierten, sollte die Grenze einige hundert Meter vom Bergkamm entfernt sculmserseits bergabwärts gezogen werden.

Am 7. Juni 1707 folgte endlich ein Vergleich, der festgesetzt worden war. Dadurch gelangte Rhäzüns in den Besitz der nunmehr Rhäzünser Alp sura."3

 

Rechtliche Stellung  der Sculmser gegenüber Bonaduz

Aus einer Erläuterungskonvention vom 9. Dezember 1783 vernehmen wir, dass die Einwohner von Sculms als Nachbaren von Bonaduz bezeichnet wurden. Eine solche Stellung der Sculmser gereichte jedoch den Bonaduzern zum Nachteil, so dass die Bonaduzer eine Klärung vornehmen mussten. Gemäß dieser durften nur diejenigen Einwohner von Sculms als Nachbaren von Bonaduz angesehen werden, die Sutterischen Geschlechtes waren. Doch beschränkte sich das Nachbarrecht insoweit, als es um Landeseinkünfte und um Interventionen bei der Besetzung solcher Ämter ging. Insbesondere konnten die Sculmser an Wunn und Weiden oder an anderem Nutzen der Nachbarschaft nicht Anteil haben. Im Übrigen regelte ein Projekt vom 9. Februar 1781 die Beziehungen zwischen den Sculmsern und Bonaduzern. Gemäß diesem Projekt hatten die Sculmser, die zugleich Nachbaren von Bonaduz waren, gegen Entrichtungen von 300 Gulden Anrecht auf all der Nachbarschaft Bonaduz zutreffende veltlinische Ämter und anderen Landes- oder Nachbarschaftseinkünfte. Ferner vereinbarte man, dass die Sculmser in Bonaduz einen Mittelsmann zu stellen hatten, der ihnen Nachrichten übermittelte. Allerdings wurde bemerkt, dass dies ohne Präjudiz des alten Hofbriefes sei.

(Vom alten Hochgericht Rhäzüns über den Kreis Ilanz zur Gemeinde Safiental)
Politisch blieben die Sculmser weiter der Herrschaft Rhäzüns untergeben, bis zu deren Übergabe an den Kanton Graubünden im Jahre 1819. Von da an gehörte Sculms zur Gemeinde Bonaduz, 1851 wechselte der Weiler zur (damaligen) Gemeinde Versam (wegen der neuen Landeseinteilung des Kantons Graubünden) und seit 2013 ist er Teil der Gemeinde Safiental.5