32. Verwaltung und Politik der Herrschaft Rhäzüns (3. Teil)
Anton Martin Hinteregger: 1740-1765
Gesandtschaftsbesetzung: In den Jahren 1740 und 1741, als die Krone Frankreichs mit der bündnerischen Nation eine Allianz errichten wollte, war die Gesandtschaftsbesetzung unterbrochen geblieben. Ende des Jahres 1741 wurde dieser Posten durch Graf Josef Ignaz von Wellsberg wiederum eingenommen. Dieser residierte in der Stadt Chur und nicht im Schloss Rhäzüns. Er war es, der triumphierend schrieb, dass das Einverständnis zwischen Rhäzüns und Disentis, d. h. zwischen Österreich und dem Fürstabt, die Herrschaft über den Grauen Bund bedeute. Wellsberg hatte die Gesandtschaft bis zu seinem am 29. August 1760 erfolgten Tod inne.
Im Jahre 1761 wurde Baron von Buol in einem kaiserlichen Creditiv als Minister oder Extra ordinari Abgesandten die Gesandtschaft übergeben. Nachdem dieser Abgesandte 1763 in Innsbruck gestorben war, folgte ihm sein Sohn A. Buol
Instruktionen für den Verwalter von Rhäzüns: Anton Martin Hinteregger war vier Jahre beim Grafen von Wolkenstein Sekretär. Dann verwaltete er während 25 Jahren die Herrschaft Rhäzüns. Für den jeweiligen Verwalter wurde 1765 eine neue Instruktion erlassen, die in ihrem Stil sich an die früheren anschloss. So hatte der Verwalter jederzeit der römischkatholischen Religion zugetan zu sein. Seine Hauptsorge und Aufmerksamkeit sollte dahin gehen, die Nachbarschaften der Herrschaft zu hindern, weder heimlich noch öffentlich Nachbarn anzunehmen oder zu dulden, dass diese der reformierten Religion angehörten. Auch hatte er aufzupassen, dass niemand in den drei reformierten Nachbarschaften Felsberg, Sculms und Tenna von der katholischen Religion profitierte. Vermög der bündnerischen Gesetze stehe es nämlich jedermann von 14 Jahren an frei, der einen oder anderen Religion anzugehören. Der Verwalter hatte infolge seines Eidamtes und in seiner Funktion als treuer Beamter zu schauen, dass alle zur Herrschaft und Schloss Rhäzüns gehörigen Rechte, Regalien, Hoheiten, Gerechtigkeiten, Gefälle, Zinsen, Zehnten, Renten und andere Einkünfte nach den im Archiv in Rhäzüns vorhandenen Dokumenten ungeschmälert bewahrt würden. Jedes Jahr musste eine ordentliche Verteil- und Amtsschreibung erstellt werden, damit die Zinsrodel nicht verloren gingen. Der Verwalter hatte ferner ein ständiges Augenmerk auf die herrschaftlichen Güter zu richten. Bauverständige, die jedes Jahr im Frühling und Herbst einen Augenschein machten, hatten zu beurteilen, ob es nötig war, etwas zu reparieren. Ein Kostenvoranschlag musste aufgestellt und das Baumaterial möglichst wirtschaftlich herbeigeschafft werden. Der Verwalter hatte zudem besorgt zu sein, dass die Herrschaftsleute vor Gericht eine „gute Devotion“ zeigten. Die Amtsrechnung musste der Verwalter quartalsweise und die Jahresrechnung immer förmlich einschicken. Geschah in Kameral-, Kriminal- oder öffentlichen Sachen etwas Merkwürdiges, so hatte der Verwalter einen aufklärenden Bericht zu verfassen und die herrschaftlichen Abschiede abzuwarten.
Die Bundesbesatzung mit der Landrichterwahl, die jährlich in Truns abgehalten wurde, sollte durch diese kaiserlich-königliche Gesandtschaft besucht werden, falls diese sich im Lande aufhielt. War niemand anwesend, so hatte der Verwalter die Gesandtschaft zu besorgen. Endlich sollte der Verwalter allen Fleiss verwenden sowie treu und vorsichtig sein, damit das herrschaftliche Interesse gefördert und aller Nachteil und Schaden verhindert werden könne.
Georg Anton Vieli: 1777-1787
Als Verwalter der Herrschaft: Nach über acht Jahrzehnten übernahm wieder ein Bündner für etwa 10 Jahre die Rhäzünser Herrschaftsverwaltung. Dem Gesandten Baron Buol oblag es, Georg Anton Vieli in das Amt einzuführen. Bevor es allerdings dazu kam, musste Vieli eine Kaution von 1000 Gulden in Wiener Währung, die ihm aber samt dem jährlichen Zins zu gegebener Zeit zurückerstattet würde, hinterlegen. Sein Gehalt betrug – wie das seines Vorgängers – 600 Gulden. Ferner wurde Baron Buol angewiesen, Vieli darüber aufzuklären, dass einem jeweiligen verheirateten Verwalter von Rhäzüns ein „Weiberverzicht“ auferlegt sei. Betreffend das Verhältnis zwischen dem Verwalter von Rhäzüns und dem Gesandten wurde in einem Schreiben vom 10. September 1777 festgelegt, dass gemäss der dem Verwalter Hinteregger gegebenen Amtsinstruktion eine Subordination des Verwalters gegenüber dem Gesandten nicht bestehe. Auch wurde ein Gesandter in Gemeinen III Bünden zu dieser Zeit angewiesen, sich gegenüber allen Bünden gleich zu verhalten. Sobald es die politische Notwendigkeit erfordere, müsse er unparteiisch sein und die Herrschaft Rhäzüns vergessen. Insbesondere sollte er sich nicht zum Grauen Bund hingezogen fühlen, weil sich dort die Herrschaft Rhäzüns befindet.
Zur Person von Georg Anton Vieli sagt Oscar Alig: „Mit der raschen Auffassungsgabe und Anpassungsfähigkeit, die ihm eigen war, lebte er sich in kurzer Zeit in seinen Aufgabenkreis ein und bewältigte die Obliegenheiten eines Verwalters mit grosser Gewandtheit und peinlicher Genauigkeit, was um so bemerkenswerter ist, als er daneben den zeitraubenden Posten eines Gesandtssekretärs versah und seine ausgedehnte ärztliche Praxis weiterführte.“ Vielis Stellung als Verwalter war nicht leicht, denn auf der einen Seite hatte er die Rechte der Herrschaft, die vielen Untertanen gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer verhasster wurden, auszuüben und zu wahren. Hinzu kam, dass er selber die feudalen Überreste mit den Grundsätzen eines demokratischen Staatswesens als nicht vereinbar erachtete. Auf der anderen Seite versuchte er durch gerechte Amtsführung den Herrschaftsleuten ihr Verhältnis zur Herrschaft so erträglich als möglich zu gestalten. Soweit es in der Macht Vielis stand, bemühte er sich, ihnen beizustehen und ihre Interessen zu verfechten, da ihm als Bündner das Wohl der Untertanen näher stehen musste als der Vorteil Österreichs. Die Herrschaftsgemeinden anerkannten den Einsatz Vielis. Als dieser zehn Jahre als Verwalter in Rhäzüns fungiert hatte, beschlossen Rhäzüns und Bonaduz, ihm aus besonderer Dankbarkeit für die vielfältig geleisteten Dienste das Bürgerrecht ihrer Nachbarschaft zu schenken.
Gutachten betreffend Verkauf der Herrschaft Rhäzüns: 1783 riet die Familie von Planta in einem Gutachten an Österreich, die Herrschaft zu verkaufen. Sie kam zum Schluss, dass die Herrschaft eher zum Schaden als zum Vorteil Österreichs gereiche. Vor allem koste sie nach Abzug aller Einkünfte jährlich 200 Gulden und dazu gebe es Streitigkeiten mit den Untertanen. Sie anerbot sich, die Herrschaft als Lehen zu Bedingungen, die vom Hof selbst festgesetzt würden, zu übernehmen. Dem Erzhaus Österreich wollte man noch einmal soviel bezahlen, wie die gegenwärtigen von Planta-Zuoz samt den übrigen vom Bistum Chur verliehenen Lehen ausmachten. Der jeweilige Inhaber der Herrschaft müsse aber auf Verlangen des königlich-kaiserlichen Abgesandten in Graubünden, nicht nur als Unterkunft den alten baufälligen Teil des Schlosses zur Verfügung stellen, sondern auch seine Stimme in den Versammlungen des Oberen Bundes nach Befehl des königlich-kaiserlichen Hofes abgeben. Ferner sollten der jeweilige Inhaber und sein Nachfolger aus dem plantischen Geschlecht unter königlich-kaiserlichem Schutz und Schirm stehen. Falls das Geschlecht aussterbe und niemand von den weiblichen Nachkommen bis zum dritten Grad nach dem gemeinen Recht vorhanden sei, solle das Pfandlehen wiederum dem Hause Österreich heimfallen. Österreich ging auf dieses Angebot nicht ein. Trotzdem zeigt dieses Beispiel, dass die Herrschaft Rhäzüns für einheimische adelige Familien nichts von ihrer Attraktivität eingebüsst hatte.
Baron Buol von Schauenstein als Gesandter und zeitweise auch als Administrator: 1779-1791
Aus dieser Zeit sind die Informationen lückenhaft. In einem Schreiben vom 22. September 1791 wurde die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns und seiner Zubehör an Baron-Buol von Schauenstein bekannt gegeben.
Baron von Cronthal: 1792-1798
In einem Schreiben vom Grafen von Wilcek an die Häupter teilte dieser mit, dass die königlich-kaiserliche Regierung die Verwaltung der Herrschaft Rhäzüns Baron von Cronthal übertragen habe.4 Am 12. März 1798 berichtete der französische Gesandte Florent Guiot von einer Übereinkunft mehrerer Nachbarschaften – mit Rhäzüns, Bonaduz und Ems an der Spitze – zur Abhaltung einer Protestversammlung in Chur. Als schliesslich französische Truppen ins Land kamen, verliess Heinrich Cronthal das Land.
Graf Georg von Toggenburg: 1799-1802
Auf Baron von Cronthal folgte vorerst Ritter Graf Georg von Toggenburg als Verwalter der Herrschaft Rhäzüns bis 1802.
Bayern als Besitzer von Rhäzüns?
Joachim Bergmann: 1803-1804 /August von Wolf: 1805-1806
Ob das Königreich Bayern jemals die Absicht hatte, sich anstelle von Österreich als Besitzer der Herrschaft Rhäzüns einzusetzen, wissen wir nicht genau. Das Königreich hat jedenfalls damals der Regierung Graubündens mitgeteilt, dass anstelle des provisorischen Verwalters von Rhäzüns, Joachim Bergmann, August v. Wolf die Verwaltung übernehme. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Bayern nach der Herrschaft Rhäzüns trachtete. Die Bündner Regierung machte dem provisorischen Verwalter Bergmann klar, dass bis zum jenem Tag die Verwaltung der herrschaftlichen Güter in Rhäzüns dem Hause Österreich zustehe.
Wieder ein Österreichischer Administrator der Herrschaft Rhäzüns
Graf Georg von Toggenburg: 1807-1809
Im August 1807 trat der Graf von Toggenburg zum zweiten Mal die Stelle als Administrator der Herrschaft an, nachdem er während fünf Jahren ausser Dienst gesetzt worden war.5
Französischer Administrator der Herrschaft Rhäzüns
Francois Rouyer: 1809-1814
Als Napoleon nach seinem Siegeszug durch Europa seinen Gegnern den Frieden diktieren konnte, verlangte er von Österreich 1809 im Frieden von Wien die Herausgabe der Herrschaft Rhäzüns, die nun in französischen Besitz überging. Das französische Gastspiel auf Schloss Rhäzüns war nur von kurzer Dauer: 1814 wurde Napoleon in der Völkerschlacht von Leipzig durch die verbündeten Mächte geschlagen. In der Folge wurden alle ehemaligen Friedensverträge mit Frankreich ausser Kraft gesetzt und somit fiel Rhäzüns wieder an Österreich zurück.6
Schweizer- Kantons- und Rhäzünser Grenzen vor dem Wiener Kongress 1814/15
Beginn des Wiener Kongresses (18. September 1814 bis 26. Juni 1815): Die Niederlage Napoleon Bonapartes, der zuvor die politische Landkarte des Kontinentes erheblich verändert hatte, in der Völkerschlacht von Leipzig gab Anlass zu den Friedensverhandlungen im Rahmen des Wiener Kongresses. Zahlreiche Staatsgrenzen wurden in Europa neu festgelegt und neue Staaten entstanden. Die Leitung des Wiener Kongresses übernahm der österreichische Außenminister Fürst Metternich. Es berieten politisch bevollmächtigte Vertreter aus rund 200 europäischen Staaten, Herrschaften, Körperschaften und Städten, darunter alle bedeutenden Mächte Europas. Gastgeber war Kaiser Franz I. von Österreich.7
Klemens Fürst von Metternich, österreicher Staatsmann und die dominierende Gestalt am Winerkongress
Charles Pictet de Rochemont, schweizerischer Diplomat und Verteidiger schweizerischer Unabhängigkeit und Neutralität am Winerkongress
Winerkongress 1815 aus der Jubiläumsschrift: Die Herrschaft Rhäzüns, 150 Jahre Freiheit (1969)
Zum dritten und letzten Mal: Österreichischer Administrator der Herrschaft Rhäzüns
Graf Georg von Toggenburg: 1815-1819
Der Graf von Toggenburg trat 1815 zum dritten Mal die Stelle als Administrator der Herrschaft an.
Am 26. Juni 1815 wurde die Herrschaft Rhäzüns dem Kanton Graubünden und der Schweiz zugesprochen:
(Die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns erfolgte aber erst am 19. Januar 1819)
Die Schweiz erhält das ehemalige Fürstbistum Basel, das Fricktal, Rhäzüns, Tarasp sowie einige Gemeinden im Kanton Genf. Der Versuch der Schweizer Diplomaten, auch Konstanz zu erhalten, scheitert. Graubünden erhält die Herrschaft Rhäzüns als Ersatz für das Veltlin, Bormio & Chiavenna. Die Schweiz verliert Mühlhausen.
Vorbereitung der Übergabe- und Übernahmeurkunde: Nachdem durch freundschaftlichen Briefwechsel zwischen dem kaiserlich-königlichen ausserordentlichen Gesandten und dem bevollmächtigten Minister der Schweiz, Herrn von Schraut, auf der einen Seite und der Regierung des Eidgenossen-Standes Graubünden auf der andern Seite die Art der Übergabe der am 20. März 1815 von Seiner kaiserlich-königlichen Majestät erwähntem Stand Graubünden abgetretenen Herrschaft Rhäzüns einverstanden worden ist, hat erwähnter Minister zur Einleitung und Vollziehung dieser Übergabe den zeitherigen Verwalter von Rhäzüns, Herrn Graf Georg von Toggenburg, der Löbliche Stand Graubünden aber zur Übernahme derselben die Herren Landrichter J. Plazidus Caderas, Bundeslandammann J. Ulr. Sprecher v. Berneck und Bundespräsident J. Friedriech von Tscharner ernannt, welche, nach Auswechselung der beiderseits ihnen hierzu ertheilten und gehörig anerkannten Vollmachten, zur Vollbringung ihres Auftrages über folgende Punkte sich vereiniget haben.
- 1. Der österreichische Commissarius übergibt, und die Commissarien des Freystaats Graubündten übernehmen die Herrschaft Rhäzüns mit allen ihren Zugehörungen, Rechten und Verbindlichkeiten. Nichts ausgenommen auf demselben Fuss, wie sie in den Jahren 1809 und 1810 von Österreich übergeben, und von Frankreich übernommen war, wobei sich Österreich zugleich aller Ansprüche auf die früher mit dieser Besitzung verbunden gewesenen, politischen und gerichtsherrlichen Rechtsamen zu entschlagen erklärt. Auch gehen mit derselben an den neuen Besitzer über: Aller Hausrath, das Vieh, Heu, und die Feldgeräthschaften, und was immer unter diese Benennungen gebracht werden mag. Sowie auch die zur Herrschaft gehörigen Schriften, und Urbarien, beides wie aus den 1809 errichteten Inventarien zu ersehen ist, wobei man österreichischer Seits verspricht, die in den Kriegs-Jahren geflüchteten, auf die Rechte oder die frühere Geschichte dieser Herrschaft Bezug habenden Urkunden an den Stand Graubündten auszuliefern, sobald sie vorgefunden werden.
- 2. Bei dieser Übergabe erklärt Österreich, dass dieselbe nicht als Compensation irgendeines Gegenstandes der verschiedenen, von Graubünden erhobenen, und bereits namhaft gemachten Ansprüche und Forderungen angesehen werden soll. Graubünden erklärt, dass gegenwärtige Übernahme diesen seinen Forderungen und Ansprüchen an den K. K. Hof überhaupt, von welcher Art sie sayn mögen (und die es sich vielmehr samt und sonders ausdrücklich vorbehält, und neuerdings verwahrt wissen will) unnachtheilig seyn und bleiben soll.
- 3. Die Regierung von Graubünden verpflichtet sich, den Sequester, welchen sie im Dezember 1809 auf Ansuchen der Gemeinde Razins zu Deckung des von selbiger an die Herrschaft geforderten Beitrags zu den Kriegskosten auf den Pachtzins der Allodialgüter dieser Herrschaft vom Betrag von FL. 605 R. W. gelegt hatte, wiederum aufzuheben. Hinsichtlich der von eben jenem Jahrgang noch ausstehenden, wegen gedachter Beitragsansprache zurückbehaltenen Grundzinse, Zehenden und andern Gefällen der Gemeinden Rhäzüns und Bonaduz, betragend ohngefähr Fl. 500 Bündner Währung, überlässt Österreich selbige dem Stande Graubünden, jedoch mit der Verpflichtung, dass Er die etwanige Gegenleistung an die gedachten Gemeinden übernehme.
- 4. Alle mit dem 20ten März 1815 als dem Tage der Abtretung fällig gewordenen Einkünfte der Herrschaft, sie seyen eingegangen oder noch rückständig, werden dem Stand Graubündten überlassen, jedoch die Kosten der Verwaltung abgezogen.
- 5. Wegen des Kaufschillings der zur Zeit des französischen Besitzes auf Fristzahlungen veräusserten Feldsperger Grundzinsen und Zehenden ist bedungen, dass die vor dem Ende Märzens 1815 fällig gewordenen Zinse oder Raten Österreich verbleiben, die folgenden aber dem Canton zufallen.
- 6. Nach den von der Verwaltung gelegten noch rückständigen Jahresrechnungen und Scheidung ihres Gesamtertrags durch den März 1815 wird die königlich kaiserliche Gesandtschaft in Übereinstimmung mit dem Art. 4 den Verwalter zur baaren Ausantwortung des dem Stande Graubündten gebührenden Theilertrags anweisen. Zur Urkunde der auf obgedachtem Fuss am heutigen Tage bewerkstelligten Übergabe respektive Übernahme, ist Gegenwärtiges von den beidseitigen Commissarien in Duplo ausgefertigt, unterzeichnet und besiegelt worden.
Am 19. Januar 1819 erfolgte die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns an den Kanton Graubünden und die Schweiz. Die Herrschaft Rhäzüns (mit den Stammgemeinden Rhäzüns, Bonaduz, Ems und Felsberg) tritt als allerletzte dem Kanton Graubünden sowie der Schweiz bei.
Übergang an den Kant. Graubünden und der Schweiz mit Übergabe- und Übernahmeurkunde
Dokumt-Überschrift: Schloss Razins den 19ten Januar 1819
Unterschrift 1: Georg Graf u. Ritter v. Toggenburg K. K. österreichischer Gesandtschafts Commissarius
Unterschrift 2: Joh. Plazidus Caderas, als Beauftragter der Regierung des Hohen Standes Graubünden
Unterschrift 3: J. U. Sprecher Bernegg in obiger Eigenschaft
Unterschrift 4: J. Fried. von Tscharner in gleicher Eigenschaft
Übergangs- und Übernahmeurkunde: aus der Jubiläumsschrift, die Herrschaft Rhäzüns, 150 Jahre Freiheit (1969)
Die förmliche und feierliche Übergabe, der längere Verhandlungen vorausgegangen waren, fand am 19. Januar 1819 statt. Der Kleine Rat hatte zur Übernahme der Herrschaft eine Dreierkommission bestimmt und die Herrschaftsgemeinden Bonaduz, Rhäzüns, Ems und Felsberg erhielten die Anzeige der Übergabe und die Einladung, zu diesem feierlichen Akt eine Deputation abzuordnen. Die offiziellen Vertreter der kantonalen Behörden wurden in Bonaduz und Rhäzüns durch die militärische Parade der Jungmannschaft empfangen und zum Schloss geleitet, wo der Verwalter schon alles für die Übergabe bereitgestellt hatte. In dem für die Feierlichkeiten bestimmten Saal hing das Bild des Kaisers, flankiert von zwei jungen Tannenbäumen, die mit weissen und roten Bändern geschmückt waren. Nun wurde die Übergabe-Urkunde von beiden Teilen unterschrieben und besiegelt, worauf die Abgeordneten der vier Gemeinden in den Saal traten, um die Bestimmungen der Urkunde anzuhören. Hierauf liess der Verwalter eine von ihm verfasste, ziemlich weit ausholende Geschichte des Schlosses Rhäzüns und seiner Besitzer vorlesen, durch welche die Gemeindevertreter an die Wohltaten der österreichischen Herrschaft erinnert werden sollten. Das Haupt der kantonalen Kommission und ein Vertreter der Gemeinden antworteten, worauf der Verwalter die Schlüssel des Schlosses übergab, das Bild des Kaisers verschwinden liess und über dem österreichischen Wappen des Schlosstores die Kantonsfahne entfaltete. Im Schlosshof wurde die vollzogene Übernahme mit einigen Salven gefeiert und der denkwürdige Tag schloss – wie wollte man das den Beteiligten verargen – mit einem grossen Ess- und Trinkgelage. Man feierte mit Recht die Tatsache, dass die Herrschaft Rhäzüns mit den Stamgemeinden endlich als allerletzte Gemeinde bündnerisch sowie schweizerisch geworden war.
Landrichtersaal im Schloss Rhäzüns. In diesem Saal fand am 19. Januar 1819 die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns an den Kanton Graubünden und die Schweiz statt.Text aus der Jubiläumsschrift: Die Herrschaft Rhäzüns, 150 Jahre Freiheit (1969)
Mit dem feierlichen Akt der Übernahme am 19. Januar 1819 hat die Geschichte der Herrschaft Rhäzüns nach 680 Jahren ihr Ende gefunden und wir dürfen heute dankbar all jener gedenken, welche die glückliche Entwicklung bis zur völligen Freiheit und Unabhängigkeit mit Rat und Tat gefördert haben.8 Es handelte sich um einen nur noch ökonomisch bedeutsamen Vorgang, obwohl die grosse Pracht, die ihn trug, gleichzeitig doch ausdrückte, dass mit ihm der letzte Rest einer einst machtvollen fremden Feudalherrschaft sich selbst überlebend verschwunden war.9
Die Verfügung über die erworbenen herrschaftlichen Güter
Nun besass der Kanton noch die Güter in Rhäzüns, Bonaduz, Ems und Felsberg, die ehemals mit dem Schloss die herrschaftlichen Besitzungen gebildet hatten. Diese Güter wurden nach der Übergabe an Graubünden einstweilen wie sonst verpachtet. Im Jahre 1821 aber beschloss der Grosse Rat auf ein Gutachten der Finanzkommission hin, die zur vormaligen Herrschaft Rhäzüns gehörigen Gebäude und Liegenschaften öffentlich zu versteigern und dem Meistbietenden zu überlassen. Die Vollziehung dieses Beschlusses verzögerte sich, da noch die Frage aufgeworfen wurde, ob jeder Käufer dieser Güter auch Rechte auf die Benutzung der Gemeindealpen, -weiden und -waldungen habe. Das veranlasste den Grossen Rat, mit dem Zeitpunkt der Versteigerung zuzuwarten bis zur Ermittlung und Festsetzung der Rechtsverhältnisse des jeweiligen Besitzers der Schlossgüter. Am 20. Juni 1822 legte die vorberatende Kommission dem Grossen Rate ein Gutachten vor, dass dem Kleinen Rate die Vollmacht erteilt werden soll, etwaige Anstände wegen der ökonomischen Bürgerrechte des Besitzers der zur Herrschaft Rhäzüns gehörigen Liegenschaften auf kompromissarischem oder schiedsrichterlichem Wege zu schlichten.
Hierauf erliess der Kleine Rat eine Versteigerungsanzeige und setzte die Versteigerung der herrschaftlichen Liegenschaften auf den 15. Januar 1823 fest. Die Kommission, die im Namen des Kantons das Geschäft vornahm, bestand aus Fl. Planta, Martin Riedi und Standeskassier Stephan. Sie erhielt Instruktion, am 15. Januar 1823 sich nach Rhäzüns zu begeben und die Versteigerung zu eröffnen. Der Kaufpreis, den die Regierung als Minimum für sämtliche herrschaftliche Liegenschaften, die im Verkauf nicht getrennt werden durften, bezeichnet hatte, war 25 000 fl. B. W.
Es stellte sich nur ein Käufer ein, nämlich ein Konsortium, bestehend aus den Gemeinden Rhäzüns, Bonaduz, Ems und Felsberg. Sie erwarben das Schloss mit den Mobilien, die Bestallung, den Schopf, den Viehstand, den Garten nebst allen Gütern in den vier genannten Gemeinden mit den bisherigen ökonomischen Rechten. Die vereinbarte Kaufsumme betrug 25 100 fl. Die vier Käufer verteilten die Güter unter sich, so wie diese in den Gemeinden gelegen waren. An der Kaufsumme beteiligte sich die Gemeinde Rhäzüns für die Güter in Rhäzüns mit 16`983 fl. 50 kr., Bonaduz mit 2260 fl. 06 kr., Ems mit 2568 fl. 32 kr. und Felsberg mit 3287 fl. 32 kr.
Die Versteigerung umfasste auf Rhäzünser Gebiet:
- Das Schloss mit den Mobilien, nebst Bestallungen und Schopf
- Den Garten
- Die beiden so genannten grossen Korn-Quadern, samt den übrigen zerstreuten
- kleinen Äckern, nämlich: Furjala dil Schulader, Eèr dil Weibel, Vusaus, Crusch, Rufer, Tircel
Die Gemeinde Rhäzüns verkaufte gleich darauf das Schloss und alle Güter auf dem Gebiet von Rhäzüns mit Ausnahme der so genannten Quader und des halben Rieds an Landrichter Georg Anton Vieli-de Mont (1745-1830) für 11`357 fl. 50 kr.10
Graubünden in alten Ansichten. Schriftenreihe des Rätischen Museums Chur 2002. 1803 Schloss Rhäzüns mit Stallungen und Scheunen von Nordwesten her. Kol. Umrissradierung von Johann Jakob Strüdt (1773-1807)
Dass der Übergang aus kaiserlich-österreichischer in republikanisch-rätische Hand, ungeachtet aller Feierlichkeiten, die ihn begleiteten, dem Besitztum eine ungewisse, unsichere Zukunft verhiess, war unvermeidbar. Doch ertrug das Schloss alle Wechselfälle in seinem weitern Dasein, die freudvollen wie die schmerzlichen, mit stolzer Gelassenheit.11 Im Schloss Rhäzüns wird auch in unserer Zeit wieder über die Zukunft diskutiert und Entscheide getroffen, die politisch weit über Europa hinausgehen, ja gar, die Weltwirtschaft tangieren.12
Es fand ein Grübler und Industriepionier, Dr. Werner Oswald, mit Bündner Wurzeln aus dem Münstertal, in den Räumen der Feste seine Heimstatt. Von hier aus plante er nicht nur am Imperium, das er im nahen Domat/Ems geschaffen hat, sondern er sinnierte in seinen stillen Stunden immer wieder über die Zukunft Bündens;13 unter anderem hat er auch mit dem damaligen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB), P. Stopper, im Schloss Rhäzüns über die Währungspolitik verhandelt. Auch sein Nachfolger Dr. Christoph Blocher feierte nicht nur grosse Erfolge mit der Ems-Chemie, sondern auch in der Politik als National- und Bundesrat seiner SVP (Schweizerische Volkspartei). Seit Herr Christoph Blocher 2003 die Wahl zum Bundesrat annahm, setzte er als Nachfolgerin seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher als Chefin und Besitzerin der Unternehmung Ems-Chemie ein.Somit ist zum ersten Mal eine Frau Besitzerin des Schlosses von Rhäzüns; sie durchbricht als erste Schlossherrin eine jahrtausendalte Traditions-Geschichte. Glückwünsche an die Schlossherrin: Frau Magdalena Martullo-Blocher I. von Rhäzüns.14
Viele Generationen vor ihnen hatte es der kraftvolle und mächtige damalige Schlosseigentümer, Freiherr Ulrich II. von Rhäzüns, ihnen gleichgetan. Dieser gehörte, besorgt um das Schicksal Rätiens, zu den Mitbegründern des Oberen Bundes, dessen Hauptzweck darin bestand, das zerklüftete, von Wirren und Raubrittertum heimsuchte Land einer sicheren, freien und gedeihlichen Zukunft entgegenzuführen.15
Zusatz betreffend die Zeit der Pfandinhaber von 1497-1696.
Rechtsvergleichung und zusammenfassende Ergebnisse: Es drängt sich an dieser Stelle eine rechtsvergleichende Betrachtung wie auch eine Zusammenfassung auf. Sowohl im Unterengadin als auch in den Acht Gerichten (Prättigau) verfügte Österreich über eine ähnliche Stellung wie in der Herrschaft Rhäzüns. Vorerst soll auf Gemeinsamkeiten bezüglich der Stellung der Verwalter hingewiesen werden. Die Verwaltung der Acht Gerichte war einerseits ein System der Innsbrugger Regierung und anderseits dem Zehngerichtenbund unterstellt. Daneben war noch die weitgehende Verwaltungsautonomie der einzelnen Gerichte zu berücksichtigen. Doch prinzipiell gehörte auch diese Verwaltung innerhalb der Gerichte unter die österreichische Hoheit. Die Verwaltungsorganisation hatte, nachdem sie seit 1499 einheitlich geworden war, beinahe keine Änderung erfahren. Der Landvogt war die Vermittlungsstelle zur Innsbrucker Zentralbehörde.
In Sachen, die über den Rahmen seiner Vogtei hinausgingen, wurde der Landvogt quasi ex officio als österreichischer Kommissär eingesetzt. Dies war der Fall auf den „Bundestagen“ der Gemeinen III Bünde, die er als Beobachter oder auch als Gesandter des Erzherzogs besuchte. Der Landvogt war mit den Angelegenheiten in Graubünden am ehesten vertraut und wohnte von allen österreichischen Amtleuten am nächsten. Die Regierung erhielt in unzähligen Fällen vom Landvogt Gutachten über bündnerische Angelegenheiten und gewann dadurch tiefen Einblick in das Wesen der Gemeinen III Bünde wie auch in deren jeweilige Stellungnahme. Wir sehen, dass die österreichischen Verwalter in Rhäzüns und die Landvögte in den Acht Gerichten mehr oder weniger die gleichen Funktionen ausübten. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es auch zu den Aufgaben des österreichischen Landvogtes gehörte, die Pfandinhaber von Rhäzüns zu beeinflussen. Diese Kontrolle wurde als wichtig erachtet, weil der Herr von Rhäzüns einen entscheidenden Einfluss auf die Leitung des Grauen Bundes hatte. Dass er dies im Sinne Österreichs tat, dafür hatte der Castelser Vogt besorgt zu sein. Zugleich kann man daraus erkennen, dass von Seiten Österreichs ein Misstrauen gegen die einheimischen Pfandinhaber bestand. Diese befanden sich nämlich in einer Doppelstellung, die sich nicht immer so leicht vertrug. Einerseits waren sie aufgrund der Pfand- oder Lehensbriefe gezwungen, die österreichischen Interessen zu vertreten und diesen Nachachtung zu verschaffen; anderseits aber waren die einheimischen Pfandinhaber kraft der gemeinsamen Zugehörigkeit mit den Herrschaftsleuten zu Gemeinen III Bünden versucht, für deren Wohlergehen zu sorgen.
Die Ablösung der einheimischen Pfand- bzw. Lehensinhaber bewirkte für Österreich eine merkliche Entspannung mit den Herrschaftsleuten wie auch eine direktere Kommunikation mit dem Oberen Bund und Gemeinen III Bünden. Wurden in der Herrschaft Rhäzüns – infolge der Unruhen – die Pfandinhaber durch einen Lehensmann und später durch österreichische Verwalter ersetzt, so war bereits viel früher in den Acht Gerichten wegen des Aufstandes an die Stelle der Selbstverwaltung der Gerichte eine neue in die österreichische Bürokratie eingegliederte Verwaltung getreten. Fremde Beamte aus dem Tirol und Vorarlberg wurden beigezogen, und die alten einheimischen Gemeindesatzungen und Landbücher sollten durch eine für alle Gerichte verbindliche in Innsbruck verfasste Rechtsordnung abgelöst werden. Obwohl diese absolutistisch-zentralistische Verwaltung nicht eingeführt wurde, zeigt sie doch eine mögliche Entwicklungsstufe in der Verwaltungsorganisation, die Österreich unter Umständen auch in der Herrschaft Rhäzüns hätte einführen können.
Endlich glauben wir aufgrund der gemachten Ausführungen über die Pfandinhaber und Verwalter und ihr Verhältnis zu Österreich im Verhalten Österreichs eine ganz bestimmte taktische Marschroute zu erkennen. In erster Linie ging es Österreich darum, ein möglichst gutes Einvernehmen mit Pfandinhabern und Herrschaftsleuten zu haben. Konnte dieses nicht bewahrt werden, war man bereit, alle Mittel einzusetzen, um die erwünschten politischen Ziele zu erreichen. Durch ihre Mittelsmänner war Österreich denn auch jederzeit über die politische Situation im Bilde. Somit war es möglich, bei Unruhen und Aufständen die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, und sowohl in den Acht Gerichten als auch in Rhäzüns die Herrschaftsleute mittels der getätigten Verwaltungsreformen stärker an sich zu ketten. Gerade nach dem Auskauf der Acht Gerichte und des Unterengadins war Österreich genötigt, eine direktere Kommunikation mit Gemeinen III Bünden herzustellen. Dazu sollte die Vergabe der Herrschaft als Lehen beitragen. Doch die andauernden inneren Unruhen führten dazu, dass Österreich einen weiteren Schritt tun musste, um seine Autorität als Eigentümer der Herrschaft zu manifestieren. Die Einsetzung eigener Verwalter bewirkte schliesslich den erwünschten Effekt, so dass eine allgemeine Beruhigung der Lage eintrat.16
Landeseinteilung des alten Freistaats Gemeiner drei Bünde 1767
Seit dem 1. April 1851 geltende Landeseinteilung des Kantons Graubünden, in der Gegenüberstellung zur Landeseinteilung des alten Freistaates. Vom Rhäzünser Boden zum Bezirk Imboden. Felsberg war damals Bestandteil der Herrschaft Rhäzüns. Bei der Kreiseinteilung kam Felsberg zum Kreis Trin; Kreis Rhäzüns: Rhäzüns, Bonaduz und Domat/Ems; Kreis Trins: Trins, Felsberg, Tamins, Flims.
Kreis- und Bezirkseinteilung