29. Zeittafel der Herrschaft Rhäzüns
Kurzfassung, zeitlich geordnet von Christian Spadin (ohne Gewähr) Quellen (primär / sekundär): Bündner Geschichts- und Wappenbücher.1
Die vorliegende Zeittafel zu den Freiherren von Rhäzüns, den Pfandinhabern und österreichischen Administratoren soll über deren Feudalherrschaft eine Übersicht verschaffen:
1139-1458: Die Freiherren von Rhäzüns starben nach 319 Jahren als Mannesstamm aus.
1461-1496: Die Herrschaft Rhäzüns unter den Grafen v. Hohenzollern
1497-1555: Pfandinhaber unter Kaiser Maximilian I.
Nach 223 Jahren: das Ende der Herrschaft durch Pfandinhaber
1696-1802: Österreichische Administratoren in der Herrschaft Rhäzüns
Gesandtschaftsbesetzung:
1803-1806: Bayern als Besitzer von Rhäzüns?
1809-1814: Französische Administratoren unter Napoleon in der Herrschaft Rhäzüns
1815: Am Wienerkongress wurde die Herrschaft Rhäzüns am 20. März 1815 dem Kanton Graubünden zugesprochen.
1815-1819: Österreichische Administratoren in der Herrschaft Rhäzüns
1819: Am 19. Januar 1819 erfolgte die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns an den Kanton Graubünden und die Schweiz
Bild aus der Jubiläumsschrift: Wienerkongress 1815. Die Herrschaft Rhäzüns, 150 Jahre Freiheit 1969.
1139-1458: Die Freiherren von Rhäzüns (Herrschaft während 319 Jahren)
(Wichtige Bemerkung: Die Jahreszahlen bei den einzelnen Freiherren v. Rhäzüns und ihren Familienangehörigen kennzeichnen in der Regel das Auftreten der betreffenden Person in den Urkunden.)
Das Wappen des Geschlechtes von Rhäzüns, bekrönt von einem Topf-Helm mit fledermausartigem Zimier. Ausschnitt aus der Wandmalerei in der Kirche St. Georg um 1330/40.
Über die Herkunft der Freiherren v. Rhäzüns bestehen drei verschiedene Ansichten: L. Schmid glaubt, ohne sich auf Quellen abstützen zu können, dass bereits im 10. Jh. neben den unfreien Königsbauern schon freie Geschlechter existierten. Andere meinen, dass die Freiherren aus dem süddeutschen Raum eingewandert seien. Linus Bühler meint: "Eine dritte Vermutung liege nahe, da die Namen Arnoldus und Richenza in Rätien nur bei den Rhäzünsern vorkomme, im Geschlecht der Grafen von Lenzburg aber sehr gebräuchlich seien; das spreche dafür, dass die Freiherren von Rhäzüns aus der Verwandtschaft der staufertreuen Grafen von Lenzburg stammen könnten".
1139: Freiherr Arnoldus I.v. Rhäzüns mit Gemahlin Anna. Die erste genaue datierbare Erwähnungzeigt einen „Kaufvertrag von 1139, wo ein Arnoldus de Ruzunne als Zeuge auftritt“. Die erste urkundliche Erwähnung fällt also in eine Zeit, in der die Feudalherrschaft im Entstehen begriffen war. Am 2. Januar 1151 starb er.
1151: Freiherr Heinrich I.v. Rhäzüns mit Gemahlin Elcha, ca. 1150. (Schwester Richenza?) Erstmals erfahren wir in den nicht genau datierbaren Urbarien (Güterertrags-Verzeichnissen) des Churer Domkapitels, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Ende des 11. oder vom Anfang des 12. Jahrhunderts stammen, von einem Heinrich I., samt Gemahlin Elcha und Sohn Arnoldus II.
1160/70 Freiherr Heinrich II.v. Rhäzüns, tritt als edler Ritter auf. Das Gebiet der Rhäzünser umfasste in jener Zeit Rhäzüns, Bonaduz und den Hof Sculms im Safiental.
1204: Hartmann v. Rhäzüns: 1204 trat Hartmann v. Rhäzüns ein einziges Mal als Zeuge auf bei der Verleihung der Alp Emet (oder Niemet) (Gemeinde Innerferrera) durch Konrad von Masein und dessen gleichnamigen Sohn und andere Miteigentümer an die Gemeinde Chiavenna auf 30 Jahre.
Der Name Hartmann bedarf einer Erklärung: "Ein Hartmann als Verwandter der Freiherren von Rhäzüns in der Funktion als Interims-Freiherr“? Da auch der Name Richenza von Lenzburg, verheiratet mit Graf Hartmann III. von Kyburg in den Quellen vorkommt und Mitte des 12. Jh. der Name Richenza von Rhäzüns als Tochter von Arnoldus I. v. Rhäzüns in den Urbarien des Domkapitels Chur belegt ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Freiherren v. Rhäzüns mit den staufertreuen Lenzburgern verwandt waren.
1251/1288: Freiherr Heinrich III. v. Rhäzüns, „nobilis vir“. Unter Heinrich III. vergrösserte sich die Herrschaft um den ehemals königlichen Hof in Obersaxen, den der Rhäzünser vom Bistum erwerben konnte, sowie Rechte am Heinzenberg in Urmein und Sarn. Er war in kriegerische Unternehmungen gegen den Bischof von Chur verwickelt, schloss dann aber Frieden. Darauf wählte er sich am 5. April 1288 gar seine Grabstätte in der Kathedrale von Chur; darin stiftete er einen Altar zu Ehren der Hl. Georg u. Sebastian. Die mittelalterliche Burg-Anlage von Rhäzüns könnte um die Zeit von Heinrich III. zu einem Schloss umgebaut worden sein. Das Schloss wurde erstmals im Jahr 1282 in einer Stiftungsurkunde erwähnt. Er starb im Jahr 1288.
1289/1327: Freiherr Heinrich IV. v. Rhäzüns, genannt Brun (Baron) mit Gemahlin N. von Vaz (?). DenSöhnen Heinrichs IV. gelang es, das Herrschaftsgebiet bedeutend zu erweitern. Sie erbten von Reinger v. Fryberg die Herrschaften Jörgenberg und Fryberg mit den Dörfern Waltensburg, Andiast, Panix, Siat und Ruis.
1333/44/45: Freiherr Donat I. v. Rhäzüns mit Gemahlin Margareta v. Orello aus der Capitanei Locarno, TI. Aus dieser 1342 geschlossenen Ehe ging Ulrich II., ihr Haupterbe, hervor, der bedeutendste des Rhäzünser Geschlechtes. Von den vier Brüdern Donat, Walter, Christoph und Heinrich V. ist nur bei Donat I. eigener Besitz nachzuweisen. Das Heiratsbündnis zwischen den v. Rhäzüns und den v. Orellos könnte mit deren verstärkten herrschaftlichen und verkehrspolitischen Interessen in der Lukmanierregion zusammenhängen. Die Capitanei v. Locarno indessen suchten wohl eine standesgemässe Beziehung zum aufstrebenden rätischen Adelsgeschlecht. Donat I. und seine drei Brüder erwarben die Herrschaften Fryberg und Jörgenberg und kontrollierten somit die Einmüdung der Panixerpass-Strasse in die Lukmanierroute. War das ein Grund für diese Verbindung.
1366/67: Freiherr Ulrich II. v. Rhäzüns, ein Neffe von Heinrich IV., genannt Brun (Baron), der Mächtige, ehelichte 1366 Elisabeth v. Werdenberg. Ulrichs Schwester Anna III. ehelichte den Grafen Johann I. v. Werdenberg-Sargans. Gleichzeitig wurde ein Bündnis zwischen Rhäzüns und Werdenberg geschlossen. Infolge dieses Bündnisses konnte Ulrich II. sich 1368 die Herrschaft Felsberg sichern. Nach dem Aussterben der Familien Montalt und Belmont vergrösserte Ulrich II. seinen Besitz. Er erwarb sich 1378 die Herrschaft Grünenfels bei Waltensburg und das Dorf Schlans. Um 1380 wusste Freiherr Ulrich II. auch das für ihn wichtige Dorf Ems und die gleichnamige Burg an sich zu bringen.
1383: kauften die Rhäzünser Freiherren von den Grafen von Werdenberg-Sargans noch Herrschaftsrechte und Leute am Heinzenberg mit Tschappina und Thusis, Safien, Tenna und Rechte in Vals, sowie 1387 Burg und Edelherrschaft Tagstein bei Thusis dazu. Durch diese Ankaufspolitik hatte sich Ulrich II. in einem strategisch und wirtschaftlich bedeutenden Gebiet eine günstige Stellung verschafft. Unter ihm entstand auch die so genannte „Rhäzünser Fehde“von 1387-1414 (mit einigen Unterbrüchen). Am 20. April 1415 starb Ulrich II.
1391-1439: Freiherren v. Rhäzüns. Söhne von Ulrich II.: Hans I. (1391-1430), Heinrich VI. mit Gemahlin Verena v. Stoffeln (1395-1435); er erscheint zum letzten Male auf der politischen Bildfläche Churrätiens im Jahre 1431. Ulrich III. Brun (1395-1439) mit Gemahlin , sowie Schwester Margareta (1398-1437) mit Gemahl Johann v. Matsch. Um († -1397) stirbt Johann v. Matsch, der Gemahl von Margareta. Margareta von Rhäzüns kam von Vintschgau nach Rhäzüns zurück. Später zog sie nach Raron VS um sich mit Johannes Guiscard v. Raron (1360-1431) zu vermählen. Die drei Brüder traten oft ab 1424 unter dem Ahorn zu Truns als Hauptherren neben den Abte von Disentis und die Herren von Sax, die die Hand zum Schwur und ewigen Bund erhoben und damit ihrem Geschlecht für alle Zeiten ein bleibendes Denkmal setzten.
„La dretgira nauscha 1452“. Der schwarze Bund und der Schamser Krieg. Im Dunkel der Nacht führte Rechberg von Werdenberg-Sargans sein Kriegsvolk über den Kunkels – und mit Erlaubnis von Jörg (Eidbruch) durch die Freiherrschaft Rhäzüns, über den Heinzenberg, durchs Schams bis zur Bärenburg. Der bundesbrüchige Freiherr v. Rhäzüns wurde ergriffen und nach Valendas gebracht. Er wurde zum Tode verurteilt, durch seinen klugen Knecht, der das Volk besänftigte, aber gerettet.
1435-1458: Freiherr Jörg I. v. Rhäzüns (ultimus), Sohn von Heinrich V. Das Geschlecht der von Rhäzüns starb als Mannesstamm am 6. März 1458 aus. Jörg I. hatte zwei Schwestern, Menta I. und Ursula II. Anna IV., die einzige Tochter des letzten Freiherrn, konnte in der patriarchalisch bestimmten mittelalterlichen Gesellschaft die Herrschaft nicht übernehmen. Erbansprüche auf die Herrschaft stellten Graf Jörg von Werdenberg-Sargans als Gemahl Annas IV. von Rhäzüns und Graf Jos Niklas v. Hohenzollern als Erbe seiner noch lebenden Mutter Ursula II. v. Rhäzüns, Schwester des letzten Freiherrn und Gemahlin des Grafen Eitelfritz v. Hohenzollern. Die Erbschaftsstreitigkeiten zogen sich über mehrere Jahre hin.
1707-1709: Johann Baptista Wenser-Eberhard. Er erhielt die gleiche Instruktion wie sein Vorgänger. Sollten sich von Seiten der rhäzünsischen Herrschaftsleute wegen der von alters hergebrachten Rechte und Leistungen Schwierigkeiten ergeben, war er angewiesen, die Untertanen zu gebührender Schuldigkeit anzuhalten. Johann Baptista Wenser versicherte, dass er gleich wie bis anhin auch künftig die kaiserlichen Interessen nach Möglichkeit fördern wolle. Auch hatte er den Amman von Ems nach Rhäzüns rufen lassen, um sich vorzustellen. Vor versammeltem Gericht las er den Gehorsamsbrief ab und gab den Gerichtsleuten eine Kopie davon.
1710-1725: Egidius von Greuth: Er war der gleichen Instruktion wie seine Vorgänger unterstellt. In einer Instruktion vom 20. November 1708 wurde ihm, der nicht nur Verwalter, sondern auch bei den III Bünden war, erklärt, was er bei seiner Ankunft und während seiner Gesandtschaft und Administration zu tun und zu beobachten habe. Zunächst war er verpflichtet, über alles zu berichten, wie es bereits seine Vorgänger getan hatten.
1726-1727:Johann Baptista Wenser-Eberhard (zum zweiten Mal): Die Apollonia-Kapelle geht auf eine Stiftung der Familie Wenser-Eberhard zurück. Ebenfalls geht die Kapelle nord-Westlich der Schlossbrücke, die dem Heiligen Johannes v. Nepomuk geweiht ist, auf die Verwaltungszeit von J. B. Wenser-Eberhard zurück.
1728-1729: Baron von Riesenfels: In einem „pro memoria“ wurde Heinrich von Riesenfels befohlen, die hohen Regalia in der Herrschaft Rhäzüns mit möglichster Wachsamkeit zu konservieren. Wenser hatte nämlich berichtet, dass die Untertanen von Rhäzüns schon lange Zeit nicht gehuldigt hätten und auch vom verstorbenen Baron von Greuth nicht dazu angehalten worden seien. Es gehe nun aber darum, Aufschluss zu bekommen, was für ein Modus gegenwärtig bei der Huldigung angewendet und wie es bei zukünftiger Huldigung gehalten werden sollte. Riesenfels glaubte, dass es nicht tunlich sei, die Huldigung gleich bei Abtretung der Verwaltung zu fordern. Man solle nämlich die Gemüter bei gegenwärtigem Stand der Dinge nicht erhitzen. Bezüglich des Gesandten- und Administrationsgehaltes erwartete Riesenfels, dass er so viel bekomme, wie Baron von Greuth erhalten hatte.
1730-1739: Graf Kaspar Paris von Wolkenstein: Er weilte während 10 Jahren als Gesandter und Verwalter von Rhäzüns in Bünden.
1740-1765: Anton Martin Hinteregger: Instruktionen für den Verwalter von Rhäzüns: Anton Martin Hinteregger war vier Jahre beim Grafen von Wolkenstein Sekretär. Dann verwaltete er während 25 Jahren die Herrschaft Rhäzüns. Für den jeweiligen Verwalter wurde 1765 eine neue Instruktion erlassen, die in ihrem Stil sich an die früheren anschloss. So hatte der Verwalter jederzeit der römischkatholischen Religion zugetan zu sein.
Gesandtschaftsbesetzung:
In den Jahren 1740 und 1741, als die Krone Frankreichs mit der bündnerischen Nation eine Allianz errichten wollte, war die Gesandtschaftsbesetzung unterbrochen geblieben. Ende des Jahres 1741 wurde dieser Posten durch Graf Josef Ignaz von Wellsberg wiederum eingenommen. Dieser residierte in der Stadt Chur und nicht im Schloss Rhäzüns. Er war es, der triumphierend schrieb, dass das Einverständnis zwischen Rhäzüns und Disentis, d. h. zwischen Österreich und dem Fürstabt, die Herrschaft über den Grauen Bund bedeute. Wellsberg hatte die Gesandtschaft bis zu seinem am 29. August 1760 erfolgten Tod inne. Im Jahre 1761 wurde Baron von Buol in einem kaiserlichen Creditiv als Minister oder Extra-ordinari Abgesandter die Gesandtschaft übergeben. Nachdem dieser Abgesandte 1763 in Innsbruck gestorben war, folgte ihm sein Sohn Johann Anton Baptist v. Buol.
Am 19. Januar 1819 erfolgte die Übergabe der Herrschaft Rhäzüns an den Kanton Graubünden und die Schweiz
Übergangs- und Übernahmeurkunde Schloss Razins, den 19ten Januar 1819. Georg Graf u. Ritter v. Toggenburg: K. K. österreichischer Gesandtschafts Commissarius; Joh. Plazidus Caderas, als Beauftragter der Regierung des Hohen Standes Graubünden; J. U. Sprecher Bernegg in obiger Eigenschaft; J.Fried. von Tscharner in gleicher Eigenschaft
Die förmliche und feierliche Übergabe, der längere Verhandlungen vorausgegangen waren, fand am 19. Januar 1819 statt. Der Kleine Rat hatte zur Übernahme der Herrschaft eine Dreierkommission bestimmt und die Herrschaftsgemeinden Bonaduz, Rhäzüns, Ems und Felsberg erhielten die Anzeige der Übergabe und die Einladung, zu diesem feierlichen Akt eine Deputation abzuordnen. Die offiziellen Vertreter der kantonalen Behörden wurden in Bonaduz und Rhäzüns durch die militärische Parade der Jungmannschaft empfangen und zum Schloss geleitet, wo der Verwalter schon alles für die Übergabe bereitgestellt hatte. M.s.u. 32. Verwaltung und Politik
700 Jahre alte grossblättrige Gerichtslinde am Weg zum Schloss Rhäzüns bis 1952 (Sammlung chrsp.)