20. Kirche St. Paul / Baselgia da sogn Paul

Bei keinem anderen Gotteshaus im Kanton Graubünden erscheint St. Paul als Hauptpatrozinium. Der älteste nachweisbare Sakralbau entstand im 12./13. Jahrhundert und umfasste etwa einen Fünftel der heutigen Grundfläche.

Ehemalige Pfarrkirche: Für Sculms bis ca. 1550, Bonaduz bis 1667, für Rhäzüns bis 1777 und für die Schlossherren war sie die Mutterkirche bis 1701.  

Friedhof St. Paul: Begräbnisstätte für Sculms bis 1634, Bonaduz bis 1667 und  Rhäzüns bis zum heutigen Tag. Begräbnisstätte der Schlossherren von Rhäzüns bis 1819.

Steht seit 1979 unter kantonalem Denkmalschutz. 

Eine Miniatur der Kirche ist seit 2006 auf dem Swissminiatur-Gelände in Melide (TI) ausgestellt. (Objekt Nr.24)         


 Die Kirche St. Paul um 1940. Ansicht von Osten (Sammlung chrsp.)


Hauptaltar Holzfigur Paulus (H: 87 cm). Atribut des Paulus ist das Schwert, mit dem er enthauptet wurde. 

 

Kurzer Geschichtsexkurs über den hl. Paulus (Paul)

Paulus von Tarsus: Bedeutendster urchristlicher Theologe. In seinen Briefen betont er die zuvorkommende Liebe Gottes durch Jesus Christus, die das jüdische Gesetz als Heilsweg überflüssig gemacht habe und allen Menschen zugute kommen soll. Geboren wurde Paulus in Tarsus im 1. Jh. Er war kein Jünger und auch kein Apostel im engeren Sinne. Erst nach Pfingsten begegnete er Christus („Damaskuserlebnis“). Zahlreiche neutestamentliche Schriften wurden von ihm verfasst. Als Quellen zur Rekonstruktion seines Lebens dienen vor allem die echten Paulusbriefe.

Genaue Lebensdaten sind von Paulus nicht erhalten. Er entstammte einer streng jüdischen Familie, erbte von seinem Vater das römische Bürgerrecht und gehörte zur Gruppe der Pharisäer. Um 30 n. Chr. ereignete sich in Damaskus die Bekehrung des „Saulus zum Paulus“ (Berufung zum Apostel der Heiden). – Bis zum Apostelkonzil wirkte Paulus in der Gegend von Damaskus und in Antiochia; er unternahm drei grosse Missionsreisen: 1.Reise nach Zypern und Kleinasien;   2.Reise über Syrien, Makedonien nach Athen von dort nach Korinth (49-51 n. Chr.);   3. Reise nach Ephesus; über Korinth Rückkehr nach Jerusalem; jüdische Anfeindungen führten dort zu seiner Inhaftierung. Er wurde nach Rom überstellt, wo er vermutlich unter Nero den Märtyrertod fand.1

 

Zur Forschungsgeschichte von St. Paul

Bereits im Jahr 1903 skizzierte Johann Rudolf Rahn die Malereifragmente aus dem 14. Jahrhundert an der Südwand des Chores. 1904 zeichnete er den Christophorus an der Chor-Aussenwand und 1906 nochmals die Südwand und Grundrisse der Kirche als Grundlage für seine gleichzeitige Publikation im Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde.2.1

Umfassend beschrieb Dr. Erwin Poeschel 1940 im Kunstdenkmälerband III des Kantons Graubünden die Kirche und deren Wandmalereien. Da mittelalterliche Nachrichten über die Kirche fehlen, kann nicht nachgeprüft werden, ob der Titel St. Paul – der an keinem anderen Bündner Gotteshaus als Hauptpatrozinium erscheint – primär ist. Bei dieser Quellenlage kann auch die Baugeschichte nur aus dem heutigen Bestand erschlossen werden, weshalb sie in den „Schlussfolgerungen“ nach der architektonischen Beschreibung dargestellt werden soll.2.2  Alfons Reimann befasste sich schliesslich in seiner Monographie zur Malerei des 14. Jahrhunderts in Graubünden eingehend mit den Wandbildern von St. Paul. Bereits Rahn hatte auf die verschiedenen mittelalterlichen Malschichten und die etappenweise Vergrösserung der Kirche hingewiesen und deren Bedeutung als Begräbniskirche der Freiherren von Rhäzüns hervorgehoben.2.3 Alfred Wyss widmete der Kirche und ihren Wandbildern ebenfalls ein Kapitel im Kunstführer von 1977.2.4 Auch Armon Fontana beschreibt in seinem Beitrag „Die Kirchen von Rhäzüns“ im „Schweizerischen Kunstführer“ die Kirche St. Paul und deren Wandbilder und erwähnt zudem die Neufunde, die bei der Gesamtrestaurierung anno 1988-1992 entdeckt wurden.2.5 

 
Schiffsdecke: Saule, Saule quid me persequeris?  vor Damaskus (Sammlung chrsp.)

 

Baugeschichte – aus zwei Kirchen wird eine

Schriftliche Quellen über den mittelalterlichen Bau der ehemaligen Pfarrkirche fehlen. Bei umfassenden Bauuntersuchungen anlässlich der Gesamtrestaurierung von 1988-1992 konnten jedoch vier Bauphasen festgestellt werden: Der älteste nachweisbare Sakralbau entstand im 12./13. Jh. und umfasste etwa einen Fünftel der heutigen Grundfläche. Ein Relikt sind die bereits erwähnten, leicht vorkragenden Steinplatten an der ostseitigen Aussenwand, die den Giebelverlauf des ersten Baus bezeichnen. Wohl Anfang des 14. Jh. wurde die Begräbniskapelle der Herren von Rhäzüns an die südseitige Längswand der ersten Kirche angebaut. Somit grenzten zwei eigenständige Bauten aneinander, beide mit rechteckigem Schiff und ebensolchem Chor. Die beiden Räume beanspruchten zusammen die Breite des heutigen Chorraums. Interessanterweise hatten sie eine um rund 1,2 m unterschiedliche Bodenhöhe, wurden aber vom selben Giebeldach bedeckt. Dieses orientierte sich nach der Dachneigung des ersten Baus aus dem 12./13. Jh. Anfangs des 15. Jh. wurde dieses Doppelgebäude zu einem einheitlichen Bau zusammengefasst und gegen Westen erweitert. Der Chor des ältesten Baus blieb unangetastet, jener der Begräbniskapelle wurde neu überwölbt. Damit verfügte die erweiterte Kirche nun über ein Schiff mit zwei Chören. Um 1620 erhielt die Kirche ihre heutige Gestalt: Die beiden Chorgewölbe wurden zu einem einzigen Raum umgebaut und mit einer Holzdecke versehen. Das Schiff wurde abermals gegen Westen erweitert.

Der Turm weist im unteren Teil Mauermörtel in Pieta rasa-Technik auf; zudem konnten anlässlich der Bauuntersuchungen von 1988-92 Fugenstriche festgestellt werden. Diese beiden Befunde deuten auf romanisches Mauerwerk hin. Unter Verwendung von Teilen dieses älteren, niedergelegten Turms wurde er im 14. Jh. neu aufgerichtet und zu Beginn des 15. Jh. erhöht. Seine heutige Gestalt erhielt der Turm, zusammen mit dem Hauptbau, um 1620. Ebenfalls im 17. Jh. wurden die heutige Sakristei und das Beinhaus angegliedert.3

 

Die heutige Kirche, ein Saal mit gerade geschlossenem Chor, entstand in vier Bauetappen:

Bauphase I: In der Nordhälfte des bestehenden Rechteck-Chores fanden sich die Fundamente einer kleinen Saalkirche mit eingezogenem und von einer Längstonne überwölbtem Chor. Möglicherweise bereits eine Begräbniskirche des 12./13. Jh. 

Bauphase II: Vor Ende des 13. Jh. wurde auf der Südseite der ersten Kirche eine Grabkapelle angefügt, die im Chorbereich ebenfalls tonnengewölbt war. Beide bauten hatten um rund 1,2 Meter unterschiedliche Bodenhöhen und waren vom selben Giebeldach bedeckt, das über den tiefer liegenden Anbau geschleppt war, wobei die alte Firstlinie weiter bestand. Die beiden Räume beanspruchten die Breite des heutigen Chorraumes. 

Bauphase III: Die dritte Kirchenanlage verschob die Westwand in den Bereich des heutigen Schiffes und legte die raumtrennende Südwand des ersten Baues nieder, so dass nur noch die Trennwand zwischen den beiden Gewölbetonnen im Chorbereich bestehen blieb. Die Böden wurden auf das höhere Niveau angeglichen, deshalb wurde auch die Gewölbetonne des Südannexes einen Meter höher neu gefügt. Auf diese Weise entstand eine Zweichoranlage mit einem Altarstipes an der westlichen Stirnseite der Trennwand beider Längstonnen.

Bauphase IV: Der vierte Bau erstellte auf der Flucht der Bauten I und II einen spitzbogigen, gefassten Chorbogen, kappte beide Chorgewölbe und erweitere das Schiff um mehr als die doppelte Fläche gegen Westen. Wohl bereits um das Jahr 1500 war damit die heutige Anlage entstanden, wie man aufgrund der mit Nasenbogen gezierten Spitzbogenfenster annehmen darf. Erst im 17. Jh. wurden das Beinhaus im Westen und die Sakristei im Süden angebaut sowie die bemalten Bretter-Leisten-Decken über Schiff und Chor eingezogen.4


Grundrisse der 4 Bauetappen aus "Schweizerische Kunstführer GSK. A. Fontana. Die Kirchen von Rhäzüns 2004" 

 

Aussen – schlichtes, schmuckes Erscheinungsbild

Die Friedhofkirche St. Paul steht, leicht erhöht, am südwestlichen Dorfrand, am Fuss des Ausläufers des Heinzenbergs.Der markante Bau mit einschiffigem Langhaus und rechteckigem Chor wird von einem einheitlichen Satteldach überdeckt.Der Eingang mit gefastem Rundbogenbefindet sich auf der Berg zugewandten, westlichen Schmalseite, unter einem überdachtem Vorplatz, der auch das ehemalige Beinhaus einschliesst. Gegen Süden ist der leicht terrassierte Friedhof angelegt.6  Westwand findet sich ein breites Rundbogenfenster (von 1647), darunter der Eingangmit aus der Zeit um 1500. Auf dem Stossriegel der Türe steht die Jahreszahl 1668.  


Eingang mit gefasstem Rundbogen (Sammlung chrsp.)


Auf dem Stossriegel der Türe die Jahreszahl 1668 (Sammlung chrsp.)

Drei gotische Spitzbogenfenster und eine Öffnung zum Chor hin gliedern, zusammen mit der Sakristei, die südseitige Längswand. An der Nordseite des Chors steht – als optisches Gegengewicht zur Sakristei – der Turmmit nahezu quadratischem Grundriss. Die Turmfenster sind bis auf Traufhöhe des Kirchenschiffs in Form von Lichtschlitzen ausgestaltet, darüber setzen sich schmale Rundbogenfenster fort. Über das durch Säulen zweigeteilte Schallfenster geht das Mauerwerk in eine Holzkonstruktion über und schliesst mit einem achteckigen Spitzhelm ab. Die verschiedenen Öffnungen deuten darauf hin, dass der Turm in mehreren Bauphasen errichtet wurde.

1500: Glocke1;  Durchmesser: 51 cm; Gewicht: ca. 145 kg; Tonart: b; Zeichen: vier Kreuze als Symbol der vier Evangelisten, um 1500.

1798: Glocke2;  Durchmesser: 65 cm; Gewicht: ca. 180 kg; Tonart: c; Bild: hl. Joseph; Inschrift: „JACOB DE LE SEWEN GLOCKEN GIESER IN OBEREMS 1798, BURGEN VON FREIBURG IN DER SCHWEIZ“


2010 Glockenstuhl aus der Vogelsperspektive (Sammlung chrsp.)

Dominiert der Kirchturm aus der Ferne, kommt aus der Nähe der ostseitigen Giebelfassade die grösste Bedeutung zu. Hier zeichnen vorkragende Steinplatten die Giebellinie eines älteren Chors. Unmittelbar darunter zeigt ein Wandbild den überlebensgrossen hl. Christophorus, Schutzpatron der Reisenden. In Graubünden lassen sich häufig entsprechende Darstellungen an Sakralbauten finden, was mit der verkehrstechnischen Lage und den Transitrouten zusammenhängt. Im Verhältnis zur Häufigkeit von Christophorus-Abbildungen im Aussenbereich von Kirchen ist ihre Wiedergabe in sakralen Innenräumen weitaus seltener. Das Wandbild datiert aus der ersten Hälfte des 14. Jh. Rechts der Malerei ist eine zugemauerte Fensteröffnung zu erkennen, ein weiterer Hinweis darauf, dass die Kirche in mehreren Bauetappen entstanden ist.7

An der Ostaussenseite des Baues ist über einem zugemauerten Schartenfenster ein gegen 3,5 Meter hoher Christophorus gemalt, mit dem Christkind auf dem linken Arm und dem spriessenden Stab in der Rechten. Es steht vor einem rot gestirnten Grund. Christophorus war ein legendärer Märtyrer, einer der 14 Nothelfer der katholischen Kirche. Nach der Legende trägt Christophorus das Christuskind über den Fluss, wird von der Last des Kindes unter Wasser gedrückt und getauft. Christophorus gilt als Patron unter anderem der Pilger, Schiffer, Kraftfahrer (seit etwa 1900). Fest: 25. Juli, im Orient (orthodox) meist am 9. Mai. "Schutz und Segen auf allen Wegen - Christophorus solls richten". (Bündner Tagblatt 14.08.2014)

   
Das Wandbild des Christophorus an der ostseitigen Giebelfassade wird dem Waltensburger Meister zugeschrieben (1330/40) (Sammlung chrsp.)

 

St. Paul / Schosskapelle

Die Pfarrkirche (und bis zum heutigen Tag auch Begräbnisstätte) von Rhäzüns wurde schliesslich die Kirche St. Paul. Wann genau dieser Wechsel erfolgte, lässt sich aus den Akten nicht mit Sicherheit rekonstruieren. Jedenfalls findet St. Paul erst in nachmittelalterlichen Quellen in dieser Funktion Erwähnung. Im Separationsbrief von 5. Februar 1667 wird St. Paul als Mutterkirche des Schlosses von Rhäzüns bezeichnet, während sie gleichzeitig die Pfarrkirche der Gemeinden Rhäzüns und Bonaduz war. Möglicherweise erfolgte dieser Wechsel als Bonaduz im späten 15. Jahrhundert ein eigenes Gotteshaus baute und auch für die Rhäzünser die Platzverhältnisse in St. Paul sowie die Entfernung der Kirche vom Dorf langfristig zu einem Problem wurden.

Die Ursprünge der Kirche St. Paul sind unklarImmerhin konnten die archäologischen Forschungen der Jahre 1988–1992 einige neue Erkenntnisse liefern. Der heutige Bau geht auf einen gegen Ende des 15. Jh. erfolgten Umbau zurück; die ursprüngliche, wesentlich kleinere Anlage diente als Grabstätte der Herren von Rhäzüns.8  M.s.u. 18. Entstehung und Entwicklung des Christentums in den Pfarreien der Region

 

Innen – heterogene und vielfältige Ausstattung

Das Kircheninnere ist um einiges überwältigender als das Äussere vermuten lässt. Beeindruckend wirkt dabei vor allem die Vielfalt der Ausstattung. Über dem Schiff und dem Chor liegt die um 1620 eingezogene, flache Holzdecke. Die zentrale Darstellung der Bekehrung des Saulus wird von polychrom marmorierten Bahnen umgeben, die sich rankenartig zwischen den gefassten gelben Deckenleisten in die Tiefe des Raums winden. Der Fussboden des Kirchenraums besteht aus Natursteinplatten, lediglich im rechtsseitigen Chorbereich verweisen Grabsteine auf die ehemalige Begräbniskapelle.9                


Innenansicht zum Chor. Der prächtige Innenraum der Kirche Sogn Paul enthält Wandmalereien und Altäre aus verschiedenen Epochen. 

 

Nordseitige Schiffswand mitWandmalereienaus dem ausgehenden 16. Jh.

Bilder aus zwei Etappen im Schiff. An der Nordwand, dicht unter der Decke, ein neutestamentlicher Zyklus:


Bild: Schweizerische Kunstführer GSK. A. Fontana: Die Kirchen von Rhäzüns 2004. 

 

Westwand, auf Empore

Cäcilia, hl., legendäre Märtyrerin: Seit dem späten Mittelalter Patronin der Kirchenmusik. In der Legende ihres Martyriums werden klingende Orgeln erwähnt. Cäclilanische-Vereinigung für katholische Kirchenmusik


Sunond las Orglas Cantava s: Caecilia ail Signer. Cantantibus Organis Caecilia Domino decantabat Sic Ecclesia (Sammlung chrsp.)

Andreas und Faustina von Salis: Die adlige Frau hatte offenbar für einen „Lichtblick“ in der Kirche gesorgt: „ich Faustina von Salis hab auf mein K(h)osten dises Pfeiser (Fenster) losen machen und malen 1647.“ Dieses Werk ist stilistisch identisch mit der Barockmalerei im Chorbogen und an der Chorbogenwand und stammt wohl von demselben Meister aus der Mitte des 17. Jh. Ob der in der Chorbogenleibung verewigte Name Chalurials Künstlersignatur interpretiert werden kann, muss vorerst offen bleiben. 11


2012: Faustina-Fenster (auf der Empore). (Sammlung chrsp.)

     
Gesangsbeschreibung in Romanisch, Lateinisch und Deutsch (Sammlung chrsp.)


Überdem Eingang befindet sich die Empore mit geschweifter Brüstung und barocken Füllungen. Sie datiert aus dem Jahr 1750, stammt ursprünglich aus der Marien-Pfarrkirche und wurde 1824 in der Kirche St. Paul eingebaut.12 (Sammlung chrsp.) 

 

Äussere Chorbogenwand 

An die äussere Chorbogenwand ist eine Verkündigung an Maria gemalt. Das zu dieser Malerei gehörende Doppelwappen der Familien von Planta und von Salis, den ehemaligen Pfandinhabern Österreichs, wird an der südseitigen Schiffswand vom Seitenaltar teilweise verdeckt. Weiter ist die hl. Agnes und die Mater Dolorosa (die schmerzhafte Mutter Gottes) zu sehen. 

 
äussere Chorwand (Sammlung chrsp.)


2010: In der Leibung des Chorbogens unter Säumung von Ranken links der hl. Mathäus und die Inschrift Chaluri (Sammlung chrsp.)


2010: In der Leibung des Chorbogens unter Säumung von Ranken rechts die hl. Dorothea und die Initialen CA.S.J. (Sammlung chrsp.)

 

ChorinneresBilder aus vier (Bau-)Etappen

Heilige, Kleriker, Ritter und Laien – so lassen sich die Figurenmalereien im Chor zusammenfassen. Dass die einzelnen Figuren sehr verschieden wirken, hängt vor allem mit der unterschiedlichen Endstehungszeit der Bilder zusammen. Trotz der tief greifenden baulichen Veränderungen von St. Paul sind Mauern der Vorgängerbauten in die heutige Kirche integriert – und somit auch Bildfragmente. Nach den aktuellsten Untersuchungen von 1991-92 werden im Chor insgesamt sechs Malschichten unterschieden.   

An der Ostwand, links des Viereckfensters, St. Agnes und Petrus, rechts St. Paulus und Barbara. Die Malerei setzte sich in die Leibung des Fensters hinein mit zwei weiteren, nur undeutlich sichtbaren Figuren fort. Frescomalerei (die Nimben sind in den nassen Verputz gedrückt), Anfang 16. Jahrhundert. Diese Bilder wurden 1646/47 überdeckt von einer ornamentalen Fensterumrandung, die der folgenden Etappe angehört.13  (Wie beschrieben erfolgte diese vor der Gesamtrestaurierung 1991-1992.) Nach der Gesamtrestaurierung von 1991-1992: Die rückseitige Chorwand zeigt links Malereien von 1432 und zwar in der noch sichtbaren Wölbung des Chors des ersten Baus. Links des zugemauerten Fensters ist das Martyrium des hl. Sebastian dargestellt. Über dem Fenster hält Christus im Wolkensaum mahnend eine Hand zum Himmel und weist mit der anderen auf Saulus, der vom Pferd fällt. Diese Malerei ist deshalb so gut erhalten, weil sie durch eine spätere Zumauerung geschützt war und erst 1991/1992 anlässlich der zweiten Phase der Gesamtrestaurierung freigelegt wurde. Am Sockel der Mauernische ist eine Vorhangdraperie aufgemalt, die wohl aus dem 13. Jh. stammt.


Bild aus: "Schweizerische Kunstführer GSK", "Die Kirchen von Rhäzüns. 2004". Der linke Teil der rückseitigen Chorwand mit der Wölbung des ersten Baus aus dem 12./13. Jh. und dem zugemauerten Fenster. Die Malereien im oberen Bereich datieren ins Jahr 1432, die Vorhangdraperie im unteren Bereich dürfte aus dem 13. Jh. stammen. 

Die rechte Hälfte der rückseitigen Chorwand lässt den ehemaligen Gewölbeverlauf der Begräbniskapelle aus dem 14. Jh. ebenfalls noch erkennen. Die Wölbung umschliesst das auch von aussen sichtbare Fenster. Links von diesem ist Petrus mit dem Himmelsschlüssel dargestellt, ihm zur Seite die hl. Agnes mit dem Lamm; rechts Paulus mit dem Schwert, begleitet von der hl. Barbara mit Kelch und schwebender Hostie.

Im unteren Bereich der Wölbung sind Fragmente einer Schiffsszene erhalten. Das helfende Eingreifen des hl. Nicolaus bei in Not geratenen Seeleuten wird durch eine den Mast festhaltende Hand gezeigt. Diese um 1330/40 entstandene Szene stammt vom Waltensburger Meister. Links davon ist eine Figur in langem Rock erkennbar, deren Kopf von einer darüber liegenden Darstellung aus dem 15. Jh. verdeckt wird - eindrückliches Beispiel dafür, wie sich Malereien verschiedener Epochen abgelöst haben.


2012: Sammlung chrsp.


Der hl. Georg als Drachentöter, Werk eines unbekannten Malers aus dem 17. Jh. (Sammlung chrsp.)

An der Südwand erkennt man Reste einer Folge von lebensgrossen Einzelfiguren unter kielbogigen, mit Krabben besetzten Baldachinen auf einem Fond von rotem Quaderwerk. Von drei Gestalten, deren untere Partien von dem heutigen Fussboden überschnitten werden, sind noch Fragmente festzustellen. Am besten erhalten ist die Mittlere, ein Bischof, dagegen ist die Figur rechts davon bis auf blasse Andeutungen zerstört. Die Linke stellte St. Anna dar, denn man sieht noch die auf dem linken Arm der Mutter sitzende und von ihren beiden Händen gehaltene Maria. Gute Arbeiten von reiner Linienführung, nahen verwandt mit den Malereien des Waltensburger Meisters in St Georg, vermutlich sogar von seiner Hand. Zweites Viertel des 14. Jahrhunderts. – 1904 abgedeckt.


Bild aus: "Die Kunstdenkmäler d. Kt. Graub. Dr. Erwin Poeschel, Verlag Birkhauser Basel 1940" Kopf eines Bischofs 


Bild aus: "Gesellsch. Schweizerische Kunstführer GSK", Bern 2004. A. Fontana. "Die Rhäzünser Kirchen". Anna hält Maria auf dem Arm. 

Über diese Schicht greifend, teils als Übermalung, teils auf neuem Grund: vier gerüstete, betende Ritter mit zwei Wappen von Rhäzüns. Rechts davon sieht man die untere Hälfte einer halb bekleideten Figur, wohl eines Auferstehungschristus; frühes 15. Jahrhundert. – 1906 freigelegt.14

Anbetung der Drei Könige, mit lateinischem Distichon und Stifterinschrift des Caspar Planta von Wildenberg; Trauergedicht auf das „traurige und unverhoffte Hinscheiden“ des Hans Heinrich Planta von Wildenberg, des Herrn zu „Retzins“ (1.3.1646), flankiert von Totengeripp.15.


2010 Sammlung chrsp.

Totentanz: „Ein Klag über des traurige und unverhoffte Hinschaiden des Wohledelgeborenen und gestrengen Herren H. Hans Heinrich Plantae von Wildenberg zu Rezintt so geschehn den 1. Märzen im iar 1646. Das Ewig wertt nichts kann ich sehen, nicht sichers kann ich finden, was aufgeht, das muss niedergehn, ist schon ein alt`s Fürbringen, das Leben schnell als wie der (?) Rhin (?) was gibst was hast thut Fliessen Es fängt kaum an, so laufts dahin, die Menschen thuts verdriessen. Alles was in den Lüfften schwebt das kann und muss verderben ... und das an der Flachland lebt Viel Menschen gibt viel Erden ganz zächer Bärh (?) Härz (?)und hop Augenfluss (Tränen). Kannst jetzt ... von mir ausgiessen Wie  segne ….. und dis was mein Herz thut schliessen Dass du sogar wie kans doch sein, Hans Heinrich bist gestorben. Wie wol an allenin Gemein, gros lob und Ehr erworben, Gleich wie ein Rebstock in der blüet vom windter Ofgerieben ganz unverhofft musst du alhier so stark, und schön erliegen was mund und Harschwartz, Augen klar die sind dem todt z. hand kommen die Farb vergineng im besten jahr das Laid ist gros bay Frommen. Der (Metzger?) wird wie sichs gebürt den (?) Satz (?) grusam für Haldten PHARIS (?)BHüts? best Gott ist der nechst (?) ……. Leides (?) Hans Plante. Für all die dis lesen sollt (?) ... fleissig für ihn biten Dass auch ihr wird verwesen (?) Den (?) Himmel mit ihm (?) bsitzen (?) Amen“16                                          


2010 Sammlung chrsp.


2010 Chordecke: die vie Kirchenväter St. Ambrosius, St. Gregorius, St. Hieronymus, St. Augustinus. Diese Malereien sind von gleicher Hand gemalt wie im Schiff (1647) (Sammlung chrsp.)

 

Ausstattung der Altäre:

Der Hochaltar im Chor stellt eineKombination verschiedener Elemente dar. Der hohe zweigeschossige Sockel, aus dem der reich verzierte Tabernakel als vieleckiger Mittelbau hervortritt, sowie die Bekrönung tragen Reliefornamente im Stil des letzten Viertels des 17. Jahrhunderts. Auf dem Sockel steht ein Schrein, der drei Statuen birgt: die Muttergottes zwischen St. Paul und Petrus. Nur die Figur des Paulus (H. 87 cm) stammt noch von einem gotischen Schnitzaltar (Abb.1; Anfang 16. Jahrhundert), die beiden andern aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Reliefs, mit denen die Innenseite der Flügel sowie der obere Teil des Schreines belegt sind, erwiesen sich bei näherer Betrachtung als geleimte Leinwandabklatsche eines älteren verschwundenen Werkes.     


2010 Der Hochaltar zeigt eine in sich geschlossene Formenvielfalt. (Sammlung chrsp.)

Linker Seitenaltar: Der aus dem 17. Jh. stammendelinke Seitenaltar setzt sich aus zwei übereinander gestellten, gerahmten Bildern zusammen.Das Hauptbild zeigt in der Mitte Maria Immaculata (unbefleckte Empfängnis), zu ihrer Linken den hl. Sebastian, zu ihrer Rechten den hl. Rochus, Patron der Pestkranken. Das von einem Giebel bekrönte obere Tafelbild stellt die Dreifaltigkeit dar. Das Hauptbild soll einst als Altarbild des rechten Seitenaltars gedient haben. Das Tafelbild des ehemaligen linken Retabels befindet sich heute an der südseitigen Chorwand.                                    


2010 Sammlung chrsp.

Rechter Seitenaltar: ein monumentales Stuckretabel. Ein grosses Hauptbild mit dem von Engeln umgebenen Jesuskind wird von marmorierten Säulen flankiert, über deren Kapitellen sich ein gesprengter Rundbogengiebel mit Kartusche und dem Monogramm „IHS“ erhebt. Am Unterbau des Altars, der Predella, ist die Jahreszahl „1671“ eingeschrieben. Das Retabel weist in seiner Formensprache nach Italien und ist ein Beispiel dafür, wie das Leinwandbild im Barock die religiöse Plastik aus dem Zentrum der sakralen Raumordnung verdrängt hatte.


2010 Sammlung chrsp.

Kanzel: An der nordseitigen Schiffswand ist die Kanzel über ein freies Holztreppchen zugänglich. Der mit Bogenfüllungen und Pilastern verzierte, achteckige Korpus zeigt eine aufgemalte Inschrift mit der Datierung 1625. Zusätzlich hält sie den Namen des Stifters, des damals amtierenden Pfarrers Otto von Castelmur, sowie der Handwerkmeister Antonius Gion und Melchior Harrt fest („FECERUNT ANTONIUS GION AC MELCHIOR HARRT ARTIFICES“).


2010 Sammlung chrsp.

Heraldische Grabplatten: Im Chor liegen acht heraldische Grabplatten, welche an die ehemaligen Grabstätten derRhäzünser Freiherren sowie an die österreichischen Pfandinhaber erinnern. Von denen sind drei bis zur völligen Unkenntlichkeit abgetreten, auf den anderen sind noch einige Wappen und Jahreszahlen zu erkennen: Allianzwappen von Planta / von Salis 1646, Dr. theol. Pankraz Muggli, 1685. Damit sind in der Kirche Sogn Paul nicht nur Szenen aus dem Leben Jesu und der Heiligen zugegen, sondern auch Erinnerungsbilder der hier beigesetzten Verwalter und Pfarrherren von Rhäzüns.17 Die ursprüngliche Grablege der von Rhäzünser soll sich in der Kathedrale Chur befunden haben, ob die Verlegung der Grabstätte nach Rhäzüns St. Paul erst als Folge der Rhäzünser Fehde (1387-1414) erfolgte, wie von Juwalt annimmt, müsste überprüft werden.18


2010 Sammlung chrsp.

 

Die spätmittelalterlichen Wandmalereien

An den Wänden der Vorgängerbauten I bis III, die im heutigen Bau teilweise erhalten sind, haben sich trotz der eingreifenden Veränderung bedeutende Fragmente spätmittelalterlicher Wandmalerei erhalten. Jene im Südostbereich des Chores hat man schon zu Rahns Zeiten freigelegt. Die Neufunde konzentrieren sich auf die Nord- und Ostwand des Chores und die Nordwand des Schiffes. Bei der jüngsten Freilegung achtete man streng darauf, älteren Malschichten keine jüngeren zu opfern. Gewisse mittelalterliche Darstellungen werden also weiterhin unter jüngeren Schichten verborgen bleiben. 

Erste Malschicht: An der 1991 freigelegten Ostwand, d. h. der Altarwand des ersten Baues ist am meterhohen Sockelbereich eine Vorhangdraperie mit roten Linien auf weissen Grund gemalt. Sie liegt eine Schicht tiefer als die Malerei des 14. Jahrhunderts und könnte noch aus dem späten 13. Jahrhundert stammen.

Zweite Malschicht: Die Malerei des 14. Jahrhunderts ist hauptsächlich das Werk des Waltensburger Meisters (um 1330/40). An der Ostaussenseite des Baues I ist über einem zugemauerten Schartenfenster ein gegen 3,5 Meter hoher Christophorus gemalt, mit dem Christkind auf dem linken Arm und dem spriessenden Stab in der Rechten. Es steht vor einem rot gestirnten Grund.

Im Innern von Bau I sind Malschichten des 14. Jahrhunderts unter der 1432 datierten Malerei an wenigen kleinen Schadstellen sichtbar. Anhand dieser geringen Fragmente scheinen sie nicht von der Hand des Waltensburger Meister zu stammen. Im südseits angebauten Bau II sind im bodennahen Bereich der Ost- und Südwand ebenfalls Fragmente von Malereien des Waltensburger Meisters erhalten. Wie oben erwähnt, hatte Rahn dieser Malerei bereits 1906 beschrieben.13.2 Es sind stehende von Säulen getrennte Heiligenfiguren unter mit gelben Krabben belegten Baldachinbogen über denen sich gemaltes Mauerwerk mit Fialentürmen erhebt. Von Ost nach West ist die Mutter Anna mit der Tochter Maria auf dem linken Arm dargestellt; es folgt ein heiliger Bischof mit Mitra und Pedum, schliesslich erkennt man Fragmente einer Frauenfigur, die anhand des ausgebreiteten Mantels und der langen, blonden Kräuselhaare als Schutzmantelmaria gedeutet werden darf, entsprechend der Darstellung am linken Chorscheitel in der Kirche St. Georg in Rhäzüns.  

An der Ostwand von Bau II, im Sockelbereich, ist links des später erhöhten Rechteckfensters eine zur Mitte hin gewandte Figur im langen ockerfarbenen Rock mit weissem (Leder-)Gurt und roten Strümpfen zu sehen. Ihr Kopf ist durch die Malerei des 15. Jahrhunderts verdeckt. Unter dieser Figur und unter dem Plattenbogen entdeckte man die gemalte Bildzonengrenze, nämlich ein mit weissen und roten siebenblättrigen Blüten belegtes dunkles Band, das oben mit einem rotgelben Streifen abschliesst. Dieses Blütenband ist auch auf der gegen Westen abgehenden Innenecke des ehemaligen Südannexes fortgesetzt. Auf der rechten Seite des erhöhten Rechteckfensters ist eine siebenköpfige Gruppe von Männern, Frauen und einem Kind in einem Schiff mit zwei Rudern zu erkennen. Im bewegten Wasser schwimmen zwei Fische. Die Seeleute erheben erschreckt und flehend die Hände. Der Schiffsmast ist vom Segel umschlungen, er wird von einer mächtigen Hand mit weissem, besticktem Handschuh gehalten. Eindeutig ist damit ein Pontifikal-Handschuh und damit sicher das helfende Eingreifen des heiligen Nikolaus zugunsten der in Seenot geratenen Seeleute dargestellt. Dieselben mit Kreispunkten bestickten Handschuhe trägt auch der heilige Nikolaus auf dem Bild im Scheitelgewölbe des Chorfensters in St. Georg in Rhäzüns. In der südlich angrenzenden Leibung der bodennahen Südfensterscharte sind rote und schwarze achtstrahlige Sterne auf derselben Malschicht erhalten, diese Sterne sind die eigentlichen „Leitfossilien“auf vielen Wandbildern des Waltensburger Meisters.

Dritte Malschicht: Oberhalb und teilweise auch direkt auf dem Heiligenfries an der Südwand folgt auf einer sehr dünnen Kalkschicht eine Reihe von links vier und rechts zwei zur Mitte gewandten gerüsteten Rittern mit dem Wappen derer von Rhäzüns. Sie tragen die Schutzwaffen des letzten Viertels des 14. Jahrhunderts: Hundsgugelhelm mit Panzerkragen, belegt mit einem kleinen Rhäzünser Wappenschild, Armschienen und Panzerfäuste aus blaugrauem Eisen, auf dem Leib ein roter taillierter Lentner, wohl über einem Brustharnisch zu denken. Vor jedem Helmvisier entrollt sich ein Schriftband, dessen nicht entzifferte gotische Minuskeln wohl die Namen der Dargestellten und eine Fürbitte wiedergeben. Über den beiden links dargestellten Rittern sind ausserdem die zur Mitte hin geneigten Schilde von Rhäzüns mit Resten der Helmdecken erhalten. Die anschliessenden entsprechenden Schilde sind durch den Fenstereinbruch des Baues IV zerstört. Die sechs Gerüsteten sind einer Mittelgruppe zugewandt: In der Mitte ist ein Fragment der Beckenzone mit Lendentuch des Gekreuzigten oder eher des Auferstandenen zu erkennen, beseitet von den noch als Brustbild erhaltenen Darstellungen von Maria und Johannes.

Die Ritter in Vollrüstung sind mit den Abbildern der 1386 bei Sempach gefallenen Ritter im Gefolge Leopolds von Österreich im ehemaligen Archivraum des Klosters Königfelden vergleichbar. Diese Abbilder der dort Bestatteten entstanden nach 1386. Vergleichbar ist auch die Darstellung eines gerüsteten Ritters der Thumb von Neuburg an der Nordwand des ersten Joches der Kathedrale Chur, über der Grabkapelle derer Neuburg. Ins Plastische umgesetzt entsprechen sie den berühmten Grabmonumenten der Ritter von La Sarraz in der dortigen Schlosskapelle (um 1360-70) oder dem Kenotaph der Grafen von Neuenburg in der Kollegialskirche von Neuenburg (1373-1487). Bereits die an spätantike Tradition anschliessenden Arkosolbogen der Chortonnen weisen auf eine Begräbniskirche. Diese Vermutung wird durch die Ritterdarstellung zur Gewissheit, dass sich im Spätmittelalter hier die Grablege der Freiherren von Rhäzüns gefunden hat, die auch nach deren Aussterben im Jahre 1458 den Schlossvögten im 16. und 17. Jahrhundert als Grablege diente, wie die Wandbilder und Grabsteine in der Kirche belegen.

Vierte Malschicht: Der Chor von Bau I bzw. der Nordchor von Bau III war über der Malschicht des 14. Jahrhunderts vollständig ausgemalt. In der gerundeten Ostwand öffnete sich analog zum Südchor ein Rechteckfenster. Links davon ist der heilige Sebastian am Marterpfal gefesselt gemalt, er wird von einem kleinen, hässlichen Schergen im Miparti-Kleid mit dem Pfeilbogen beschossen. Über dem Fenster erscheint das Brustbild Gottes im Wolkensaum, die Linke mahnend erhoben, die Rechte weist auf den Kirchenpatron Saulus/Paulus, der auf der rechten Seite des Fensters von einem strauchelnden gelben Hengst fällt. Drei Spruchbänder belegen den Raum zwischen Himmel und Erde, und Hagelschlossen schlagen auf Saulus nieder. Die lateinischen Worte Gottes und Sauli nach dem Neuen Testament sind in gotischer Minuskel geschrieben. Vor dem stürzenden Ross ist ein tonsurierter Priester gemalt, dessen Spruchband wohl auf den Stifter oder Läutpriester weist. Die Jahrzahl 1432 am Ende des Bandes ist deutlich zu lesen.

Zwar haben sich die ehemals strahlend blauen Bildgründe unter dem Kalk ins Graue umgesetzt, doch ist die Kalkmalerei nach 560 Jahren dank der im 17. Jahrhundert erfolgten Vormauerung der Ostwand einzigartig gut erhalten und ohne Ergänzungen konserviert worden. Aus den Vormauern sind einzelne Seine mit Wandbildfragmenten geborgen worden, so auch der Kopf eines glatzköpfigen Bärtigen, der wohl ebenfalls Paulus/Saulus darstellt und das Chorgewölbe oder die Chorsüdwand geziert haben dürfte. An der Nordwand ist die Malschicht von 1432 nur bis zur Höhe des Bogenansatzes erhalten, so dass den drei zu rund 4/5 erhaltenen Figuren heute die Köpfe fehlen. Von rechts nach links sind an den Gewändern zu erkennen; ein Bischof mit Alba und Kasel, ein vornehmer Laie mit grünem Rock und rotem, weiss gefütterten Mantel und einem Diakon mit Alba und Dalmatika. Der Figurenfries setzt sich gegen Westen fort, ist aber kaum mehr lesbar.

Fünfte Malschicht: Im Südchor von Bau III sind beidseits des erhöhten Rechteckfensters an der ebenfalls erhöhten Ostwand des einst tonnengewölbten Chores die Apostelfürsten Petrus zur Linken und Paulus zur Rechten dargestellt. Im Bogenzwickel hinter Petrus steht – deutlich kleiner dargestellt – die heilige Agnes, entsprechend hinter Paulus die heilige Barbara. In den tiefen Fensterleibungen sind zwei nicht mehr deutbare Figuren derselben Schicht gemalt. Die Malerei dürfte nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Auffällig sind die mit Rundpunzen in den feuchten Putz geprägten Heiligenscheine, die wohl ehemals in italienischer Manier mit Metallauflagen beklebt waren. Diese fünfte Malschicht scheint zwar stilistisch jünger als die Schicht vier von 1432, sie könnte aber auch zeitgleich von einem Meister südlicher Herkunft gemalt worden sein. Zur selben Malweise gehört auch eine Darstellung des heiligen Antonius an der Südaussenwand von Bau III, die durch den Anbau des Sakristeigewölbes im 17. Jahrhundert teilweise verdeckt worden ist.

Sechste Malschicht: An der Schiffsnordwand von Bau III, heute zum Teil durch die Holzkanzel von 1625 verdeckt, und durch deren Aufhängehölzer beschädigt, ist ein fast lebensgrosser heiliger Georg dargestellt. Die ebenfalls nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Darstellung zeigt alle Einzelheiten der Schutzbewaffnung eines Ritters der Spätgotik. Der gelockte jugendliche Reiterkrieger stösst einem riesigen gelben Drachen die Lanze in den Rachen. Er trägt in ähnlicher Weise wie jener Georg in der Kirche St. Peter und Paul in Mistail/Alvaschein keinen Helm. Ob auch ihm der Topfhelm, wie jenem in Mistail oder jenem am Basler Münster, von „Engelsknappen“ getragen wird, ist wegen der, – die barocken Malschichten schonenden – Teilfreilegung nicht auszumachen. Der heilige Georg ist hier als Patron der ersten Kirche von Rhäzüns dargestellt, in ähnlicher Lage an der Nordwand, wie jenes an hochgotische Reitersiegel gemahnende mächtige Georgsbild in der Kirche St. Georg des Waltensburger Meisters. 19

Der barocke Neubau der Pfarrkirche Maria Geburt mitten im Dorf Rhäzüns, deren Weihe im Jahre 1701 erfolgte, hat wohl weitgehend die umfassenden Erneuerungen der mittelalterlichen Kirche St. Georg und St. Paul verhindert. Die am süd-westlichen Dorfrand gelegene Kirche hat daher ihre reiche Ausstattung aus fünf Jahrhunderten bewahren können. Die Wandmalerei umfasst die Zeit vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Die Holz- und Stuckplastiken der Altäre sowie die Leinwandbilder stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Rückblickend gesehen ist es gerade der Marienkirche zu verdanken, dass die St. Georgskirche und die St. Paulskirche in ihrer ursprünglichen Bauart so gut erhalten sind. So heisst es von Seiten des kantonalen Denkmalschutzes: „Der barocke Neubau der Pfarrkirche Nossadunna (…) hat wohl umfassende Erneuerungen der mittelalterlichen Kirchen St. Georg und St. Paul verhindert.“20

 
2010: Angebracht über der Turmtüre:  RENOVATUMEST, HOCTEMPLUM S., PAULI, A COMMUNITATE: ANNO DOMINICAE IN CARNATIONIS.  M.DC.XVIII/161821 (Sammlung chrsp.)   

                                                                        

Briefmarke: Im Jahr 1999 wurde durch die PRO PATRIA die 110er-Briefmarke mit dem Wandbild-Motiv des hl. Christophorus gedruckt.


Sammlung chrsp.

 

Swissminiatur: Ein Modell der Kirche St. Paul (24) ist seit 2006 auf dem Swissminiatur-Gelände in Melide (TI) ausgestellt.


Sammlung chrsp.