19. Kirche St. Georg / Baselgia da sogn Gieri (2. Teil)

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Glocken von St. Georg

Glocke 1: Durchmesser 89.5 cm; Gewicht 440 kg; Tonart c; Giesser unbekannt; Inschrift (als Trennungszeichen Glockenbilder): „O–Rex-Glorie–Christi, Veni–Nobis-Cum–Pace. Lucas–Marcus-Matheus–Johannes-MCCCCLXV (1465)“. 
Glocke 2: Durchmesser 72.5 cm; Gewicht 240 kg; Tonart dis; Bilder; Halbfiguren von Engeln; Giesser unbekannt, um 1350. Inschrift: „Lucas – Marcus – Matheus – Joannes – Georgius“.

 

Die spätmittelalterlichen Wandmalereien

Die Frescomalereien des Waltensburger Meistersaus der Zeit um 1330/40 beschränken sich im inneren von Sogn Gieri auf den Chor, die äussere Chorbogenwand und die Nordwand. Die Gestaltung im Chor umfasst mit malerischen Mitteln den gesamten Raum, indem sie auch die Gewölberippen und den Chorbogen mit einer Scheinarchitektur aus Rundstäben und Kehlen miteinbezieht. Im Schnittpunkt der Gewölbezonen ist ein mit dem Antlitz Jesu bemalter Schlussstein. Die in den vier Hauptfeldern des Kreuzgewölbes an Pulten sitzenden und schreibenden Evangelisten sind, in ikonografisch ungewöhnlicher Weise, als Engel dargestellt: dies deshalb, um den göttlichen Ursprung der von ihnen verfassten Evangelien zu symbolisieren. Die Medaillons zeigen Mathäus mit Engelssymbol und Lindenblättern, Lucas mit Stier und Eichenlaub, Marcus mit Löwe und Reben und Johannes mit Adler und Ahornblättern. 

Der Waltensburger Meister: „Der namentlich unbekannte Maler wird nach seinem bedeutenden Werk in der evangelischen Kirche in Waltensburg, einem gemalten Passionszyklus um 1330, benannt. Weitere Spuren seiner Kunst haben sich im Kanton Graubünden in verschiedenen Sakralbauten erhalten (u. a. Kathedrale Chur, Dusch/Paspels, Lüen, Churwalden, Clugin, Casti). Mit den Arbeiten des Waltensburger Meisters verfügt der Kanton Graubünden für die erste Hälfte des 14. Jh. über nördlich der Alpen einzigartige Fresken. Sie bestehen fast ausschliesslich aus sakralen Motiven. Ausnahmen sind die Szenen zu mittelalterlichen Heldenepen aus dem ersten Drittel des 14. Jh. im Turm von Schloss Brandis in Maienfeld. Die neuere Forschung verweist den Waltensburger Meister geografisch in den Bodenseeraum. Die Eigenheiten seiner Freskomalerei weisen nach Süden, wobei dieses Wissen auch vor Ort, über die spätromanische Malertradition in Graubünden, weitergegeben worden sein kann“.                                                                                                       

Die Wandmalereien des Rhäzünser Meisters: Die reiche Szenenfolge im Kirchenschiff aus der zweiten Hälfte des 14. Jh. ist das Hauptwerk des Rhäzünser Meisters. Die in Kalkmalerei ausgeführten, horizontalen Bildsteifen an den Schiffswänden werden durch ornamental ausgestaltete Bänder mit Palmetten, Zacken und Blüten gegliedert. Stäbe mit Blütenzweigen trennen die Szenen vertikal. Die einzelnen Wände wurden nicht als in sich geschlossene Einheiten behandelt. Dies zeigt sich in einer mehrfachen Weiterführung der Bildstreifen um die Ecken. Es darf angenommen werden, dass zu Beginn der Arbeiten noch kein einheitliches Gesamtprogramm festgestanden hatte. Einzelne Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sind vertauscht oder übergehen zum Teil inhaltliche Zusammenhänge. An der westseitigen Eingangswand hat der Rhäzünser MeisterSzenen aus dem Alten und Neuen Testament festgehalten.

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Portal od. Rückwand. (Sammlung chrsp.)

Der Rhäzünser Meister

„In der zweiten Hälfte des 14. Jh. scheinen die vom nördlichen Kulturraum beeinflussten Maler von der Abbildung höfischer Kultur des Rittertums zunehmend zur Darstellung ländlicher Volksfrömmigkeit übergegangen zu sein. Das umfangreichste Werk dieser Art wird im Kanton Graubünden dem namentlich unbekannten, so genannten Rhäzünser Meister zugeschrieben. Es umfasst Zyklen in Rhäzüns, Lantsch/Lenz, Casti, Mon, Schlans, Disentis/Mustér, Clugin, Stierva, Latsch/Bravogn, Misox, Obermutta, Fardün, Wergenstein. Benannt wird der Rhäzünser Meister nach seiner bedeutendsten Schöpfung, den Wandmalereien in der Kirche St. Georg.“

Tamins: Im Jahr 2010 kamen auch in der reformierten Taminser Kirche Bilder des Rhäzünser Meisters zum Vorschein. Chur: Ebenfalls kann man seit 2012 durch das Internet das digitale BAC-Archiv einsehen und findet dort ein Weltgerichtsfragment aus der Kathedrale Chur. 

 

Der spätgotische Flügelaltar

Die Kirche Sogn Gieri wird neben den mittelalterlichen Wandmalereien auch durch den spätgotischen Flügelaltar im Chor geprägt. Der einfache Altarstipes aus Stein trägt einen kastenförmigen Schrein, dessen kielbogige Flügel die ursprüngliche Gestalt des Altars erkennen lassen. In geschlossenem Zustand zeigen die Aussenseiten der Flügel eine gemalte Anbetung der Heiligen Drei Könige (Epiphanie), während die Innenseiten Relieffiguren aufweisen: links die heiligen Catharina und Dorothea, rechts die heiligen Laurentius und Jacobus der Ältere. Im Schreininneren steht, auf getreppter Sockelbank und vor damasziertem Hintergrund, eine Madonna, zu ihrer Rechten sind die heiligen Martin und Felix, zu ihrer Linken Johannes der Täufer und der hl. Georg zu sehen. Die ursprüngliche Figur des hl. Felix fehlt und wurde durch eine kleinere, ebenfalls spätgotische Plastik ersetzt. Die Sockelbank trägt eine Inschrift in gotischen Lettern: „S. Martinus / S. Felix 1522 / O Maria bitte für uns / S. Johannes XVXXll / S. Jorius“. Über den Figuren ist der Schreinhimmel um 1550 mit dem Wappen der Lugnezer Stifterfamilie Solèr bemalt worden, flankiert vom hl. Georg links und vom hl. Lucius rechts. In der dreiteiligen Pradella, dem Untersatz des Altars, sind Reliefs mit den Halbfiguren Jesu und der Apostel zu sehen. Eine Malerei des Jüngsten Gerichts ziert die Rückseite des Retabels, die Schmalseiten weisen gemalte Darstellungen der hl. Jodocus und Leonhard auf.

Das Retabel wurde um 1522 von einem unbekannten süddeutschen Meister für die Kirche der nahe gelegenen Gemeinde Tamins gefertigt. Als die Taminser 1546 zum reformierten Glauben wechselten, wurde der Altar nach Rhäzüns verkauft. Bei diesem Transport nahm der ursprünglich kielbogig geschlossene Schrein Schaden, wobei auch Teile der Bekrönungsarchitektur verloren gegangen sein dürften. Ende der 1930er-Jahre waren Teile dieses Gesprenges wie auch die Bekrönungsfiguren noch vor Ort zu sehen. Nach einem Diebstahl 1972 befinden sich die Figuren heute, mit einer Ausnahme, wieder im Besitz der Kirchgemeinde Rhäzüns. Durch das Fehlen der Bekrönung wirkt das Retabel in seiner Gestalt schlichter als ursprünglich, fügt sich aber dennoch wunderbar in den Innenraum von St. Georg.

   
Photo aus: Schweiz. Kunstführer GSK, 2004.A. Fontana. Die Kirchen von Rhäzüns. Der spätgotische Flügelaltar aus dem Jahr 1522 in geöffnetem Zustand (Feiertagsseite). Eine präzise künstlerische Zuschreibung des aus dem süddeutschen Raum stammenden Retabels ist wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten innerhalb des Kantons Graubünden nicht möglich. 


Photo: aus Schweiz. Kunstführer GSK, 2004.A. Fontana. Die Kirchen von Rhäzüns. Geschlossener Zustand des Flügelaltars (Werktagsseite) mit der gemalten Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige.

 

Die weitere Ausstattung

Die nordseitige Schiffswand nimmt eine truhenförmige Kanzel mit Arcadenmotiv auf, ein Werk von Heinrich und Georg Moron (Maron) aus dem Jahr 1659. Die aus einfachen Balken zusammengefügten Kniebänke, die auf dem Kalkmörtelboden Platz finden, sind seit 1661 Teil der Ausstattung. Durch die zurückhaltende Innenausstattung gewinnen die in einzigartiger Geschlossenheit den gesamten Raum umfassenden Wandmalereien von Sogn Gieri an Intensität. Zu nennen ist des Weiteren das barocke Chorbogenkruzifix, dessen spätgotischer Vorgänger sich seit Jahrzehnten in der katholischen Pfarrkirche der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Bonaduz befindet.5


Photo aus: Dr Erwin Poeschel. Die Kunstdenkmäler d. Kant. Graub. Band III. Verlag Birkhäuser Basel 1940. Der Hochaltar von 1522 


beim letzten Abendmahl (Sammlung chrsp.)

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Kreuzaufrichtung (Sammlung chrsp.)


Chroseitenwände links und rechts (Sammlung chrsp.)


Sammlung chrsp.


 Sammlung chrsp.


Photo: um 1938: aus Dr. Erwin Poeschel. Die Kunstdenkmäler d. Kant. Graubünden, Band III. Verlag BirkhäuserBasel 1940.S. 51. Innenansicht gegen Westen. 

 

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