15. Flugzeugabstürze in der Region Rhäzüns

Hunter-Crash vom 17. Oktober 1984 um 09.20 Uhr

Vorgeschichte des Flugunfalls:

In Nord- und Mittelbünden fand Mitte Oktober 1984 ein Militär-Manöver der Gebirgsdivision 12 statt.  Es wurden Kampfjets wie Mirage-Jagdbomber und ein Verband von vier Hunter-Kampffliegern eingesetzt. Für uns Anwohner des Bezirks Imboden (heute Region Imboden) war diese Art von Manöver über dieser relativ dicht besiedelten Region mit ihren schmalen Tälern und steilen Bergabhängen unverantwortlich. Die aggressiven simulierten Flugangriffe mit hohen Tempi, ja streckenweise fast mit Überschallgeschwindigkeit, erschienen allen als ein gefährliches Spektakel. Die Hunterflotte simulierte den kriegerischen Ernstfall und flog sehr spektakulär aber auch rücksichtslos etwa 1/2 Stunden lang aus allen Richtungen herkommend über das Wohngebiet, so, als nehme sie jedes Risiko in Kauf, bis es, um 09.20 Uhr, so kam, wie man es hatte kommen sehen.

Zwei dieser Kampfjets befanden sich bei der Kollision in so genannter Messerlage und tuschierten sich in einer Kurve. Das eine explodierte in der Luft bei Rufer-Cresta Biema, das zweite kreiste brennend über das Dorf Rhäzüns bis zum Absturz im Kieswerk Saulzas.


Zeitungsausschnitt Hunter UNO und DUE in Messerlage 

Es gab viele Zeugen: Zahlreiche Rhäzünser waren bei dem schönen Oktober-Wetter unterwegs, einige arbeiteten oder spazierten über die Felder, andere waren aus weiteren Gründen im Freien. Manche befanden sich auch auf dem Weg von Runcaglia nach Rhäzüns, um aus einer anderen Perspektive das Flugspektakel anzuschauen. An diesem Morgen bekam man auffallend viel Fluglärm zu hören. Man sah, respektive hörte, wie die vier Hunter-Militärkampfjets mehrmals mit einem grollenden Lärm durch das Tal donnerten, bis wir plötzlich einen komischen dumpfen explosiven Knall hörten; dann sahen wir von Prau radund aus in der Richtung von Tarmuz-bass, wie ein Flugzeug brennend über das Dorf Rhäzüns in Richtung Obermühle flog. Als es sich in etwa über dem Dorfzentrum befand, schwenkte das Flugzeug plötzlich abrupt nach links ab und verschwand in senkrechter Richtung hinter dem Tarmuz. Von diesem Moment an war allen klar, dass etwas passiert war. Als man ein paar Minuten später im Dorf ankam, war es totenstill: kein grollender Lärm mehr, niemand wusste so recht, was passiert war. Etwa 10 Minuten später hörten wir von allen Seiten Helikopter heranfliegen, die anschliessend alle in der Gegend Quadra und Tircel landeten. Eine Stunde später war das ganze Gebiet östlich des Bahngeleises bis Sogn Gieri, Rhein und Undrau gesperrt und von Militärangehörigen besetzt. Eine Woche lang weideten sich in der Folge Medien und sonstige Schausüchtige am Unfallort Rhäzüns.                           

Die Gemeinde entging nur ganz knapp einer Katastrophe. Ausser den beiden Piloten, die den Tod fanden, trugen zwei weibliche Angestellte des Hotel-Restaurants der Seilbahn Rhäzüns-Feldis (LRF) ungefährliche mittelschwere Verletzungen davon. Weitere Personenschäden wurden nicht bekannt, obwohl – wie erwähnt – an diesem schönen Oktobertag sehr viele Leute im Freien unterwegs waren, seien es Spaziergänger, Landwirte die auf den Feldern den Mais ernteten usw. Viel Glück hatten unter anderen einige Schulkinder, welche die Herbstferien im Freien genossen. Während die Kinder auf der Gegenseite des Bahnhofs auf dem Fussballplatz spielten, fielen grössere und kleinere Metall- und Elektronikteile wie Konfetti vom Himmel. Es schlugen auch einige grössere Metallteile – Triebwerke, Rumpfteile usw. – auf dem Boden ein. Die Buben schauten im ersten Moment nach links und rechts und sahen sich gegenseitig fragend an; sie wussten nicht, woher die Metalteile kamen.1  

Zum Unfallhergang: Flieger- und Flaboffiziersschule 2/84. Taktische Angriffe gegen Rheinbrücken bei Reichenau (Flussübergangsübung der Gebirgsdivision 12), die von Fliegerabwehrstellungen geschützt wurden. Der Verband von 4 Huntern der Flieger- und Flaboffiziersschule startete um etwa 08.45 Uhr in Dübendorf. Hanspeter Stricker (J-4088) führte den Verband als „Uno“an, während Peter Zwängerle (J4113) auf der Position „Due“ flog. Als „Due Sohn“flog der überwachende Fluglehrer mit, ein Oberleutnant. Der normal verlaufende Angriff erfolgte aus Richtung Kunkelspass. Im Verlauf des Degagements in allgemeiner Richtung Domleschg prallten die beiden Hunter des „Uno“ und des „Due“gegeneinander. Beide Flugzeuge befanden sich bei der Kollision in Messerlage in einer Kurve. Die Hunter fielen auseinander, wobei die Trümmer über eine Fläche von 400 mal 2000 Metern verteilt wurden (grösstenteils über unbewohntes Gebiet – ausser dem Wohngebiet Via Casti, dem Schloss Rhäzüns und dem Hotel der Seilbahn Rhäzüns). Der Rumpfvorderteil von J4113 durchschlug bei der Talstation der Luftseilbahn Rhäzüns-Feldis die Hausmauer des zum Glück zu dieser Zeit geschlossenen (Hotel-)Restaurants Grill Simoness (Rhäzüns), wobei zwei Frauen verletzt wurden und grosser Gebäudeschaden entstand. Beide Piloten fanden den Tot.

Zum Unfall hatte eine Verkettung mehrerer Umstände geführt: So spielte die Flugzeugkonfiguration eine Rolle: Das Flugzeug des „Uno“ (J4088) war mit CBS-Werfern an den Flügeln ausgerüstet (Reck für Übungsbomben), wodurch der Hunter J-4088 einen grösseren Luftwiederstand hatte, was wiederum eine Auflauftendenz des „Due“ gegenüber dem „Uno“zur Folge hatte. Zudem trugen die Wahl des Flugwegs und der Sonnenstand (Blendwirkung) zum Unfall bei.2

Die Aufräumarbeiten gestalteten sich sehr umfangreich, da sich die Trümmer der beiden Hunter über eine grosse Fläche verteilten. Sie lagen in den Gebieten Ruver, Cresta biema, Wusaus, Quadra, Tircel, Siebel, Val da Spierts, Saulzas, Tarmuz bass, Gieri metg, Punteglias, und Cava dil Rein (Rheinauen) sowie auf den Arealen der Luftseilbahn LRF und der Bahnlinie der Rhätischen Bahn. Die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt prüfte die Seile der Luftseilbahn mit einem Röntgengerät, konnte aber keinen Schaden feststellen, sodass die Bahn einen Tag nach dem Unfall ihren Betrieb wieder aufnahm.3

 

 

Pilatus PC-7 A-921, Absturz am 12.11.2002

18 Jahre später kam es am 12.11.2002 in derselben Region zu einem weiteren militärischen Flugunfall. Dieser Unfall betraf eine Pilatus PC-7 A-921,welche mit dem Trag- und Hilfsseil der Seilbahn Rhäzüns-Feldis kollidierte. Die Maschine flog anschliessend noch 3 km weiter und stürzte beim Autobahnanschluss Reichenau/Bonaduz ab. Beide Piloten kamen ums Leben. Die Maschine hatte einen Übungsflug von Buochs nach Samedan absolviert. Auf dem Rückflug nach Buochs passierte das Unglück.4

 

Segel-Flugzeug, Absturz April 2017

Im April 2017 stürzte ein Segel-Flugzeug wieder in derselben Gegend im Tircel ab (nahe Schloss Rhäzüns). Der Pilot trug ungefährliche mittelschwere Verletzungen davon.5


Photo: Internet