13. Lawinen, Rüfen und Erdbeben

Lawinenniedergänge

 
 Photo: Gion Epli-Durisch, Runcalatsch von Rudolph Caminada–Paulz / Pieder Caminada-Stecher / Constantin Caminada-Stützel (Sammlung chrsp.) 

1907 Lawinenniedergang in Val Malè, Ablagerungsstelle Runcalatsch; 1907 / 1909 sind Lawinenverbauungen in Val Malè erstellt worden


Photo: Gion Epli-Durisch, Rucalatsch von Magnus Caliezi–Casentieri Erben / Heute: Ems Chemie. 1 (Sammlung chrsp.)

Winter 1951 am 20 Januar gingen mehrere Lawinen nieder


Penzas: v. links Eduard Caminada, Gion Balzer Spadin, Josef Spadin (Sammlung chrsp.) 

Abbruchstellen:
- beim Kreuz auf der Oberalp - Ablagerungsstelle zum alten Weg Via Teissa  
- Fontaunas, Stavel Martella - Ablagerungsstelle Val Curtgin
- Miribi - Ablagerungsstelle Malè
- zwischen Arsas und Rosas - Ablagerungsstelle via Teissa bis zum Alpweg in Runcaglia  
- Cavriu - Ablagerungsstelle Runcalatsch
In den 1960ziger Jahren wurden Aufforstungen und Verbauungen erstellt.

 

Aus dem Jahresbericht von Förster Alois Decasper-Scharegg 

Lawinenschäden: Niedergang vom 20. Januar 1951 ca. 15.15 Uhr.

Abbruchstelle beim Kreuz auf der Oberalp, Höhenkurve 1800. Die gewaltigen Schneemassen drangen ca. 50 m durch die oberste Waldgrenze ohne wesentlichen Schaden anzufügen. Erst von dort weg wurden auf einer Breite von 80-100 m alle Stämme mitgerissen, um dann durch den Uaul dalla Sterpa (61) über die Maiensäse Pleum sura und Blans niederzufahren. Zuunterst in Blans schlugen die Schneemassen neuerdings eine Lichtung, auch die Abt. 33 Blans la sort über die Alpweg-Kehre in Fantanuglias hinunter bis zum alten Weg via Teissa, zwischen der Abt. 34/36.

Andere Lawinen lösten sich bei las Fontaunas, Stavel Martella und unterhalb den Bleisen, um nachher vereint durch die val Fareia bis Val Curtgin bei Höhenkurve 780 vorzudringen. Eine weitere Lawine löste sich zwischen Arsas und Rosas, stiess durch den Restzug Rosas, Pegn greum, via Teissa bis zum Alpweg in Runcaglia vor. Verschiedene Schneebretter brachen ab in Miribi und Cavriu, fuhren durch eingewachsene Restzüge bis Malè, Verjüngungen und Stangenhölzer schädigend. Vom Schneedruck ist mehr oder weniger der Hauptteil des Reviers erfasst worden, davon das Stangengehölz am meisten, während im Zentrum des Reviers die Starkholz-Abt. Uaul Bel 22, Valatscha 23, Bagniels 24 / 25 und Cavriu 26 auch mitgenommen sind. Zudem, da der Boden sehr humos und locker ist, war er nicht zugefroren, so wurden auch starke Buchen umgedrückt, ohne wesentliche Kronenbrüche.

Rüstung: Sämtliches Lawinen- und Schneedruckholz wurde in Regie aufgerüstet. Trotz der Schneemassen begannen wir mit den Rüstungen am 30. Januar in den untersten Abteilungen, um später systematisch je nach Schneerückgang vorzugehen.

Arbeitsgruppe: Die vorhandene Gruppe konnte anfangs Juli bis zum 15. Oktober um 10 Tiroler verstärkt werden. Im November konnten die Rüstungsarbeiten als beendet betrachtet werden. Bestand der Gruppe vom Februar bis November: Zeitweise 6 – 14 – 12 – 6 Mann mit einem guten Vorarbeiter.

Masse: Lev. u. Sa. Holz ohne Private rund 2`000 Fm

Entlöhnung: Der Durchschnittslohn beträgt Fr. 2.08 per Std.

Rüstkosten: Im Durchschnitt per m3 Fr. 24.50. Allgemein gingen die Arbeiten gut vonstatten, so dass am Holz keine Qualitätseinbusse zu verzeichnen waren.

Käfer: Im offnen Lawinenzug konnte der Käfer nur schwach festgestellt werden, und beim Sd. Holz im Bestand überhaupt nicht, z. B. wurde die Sd. Holz-Partie Cavriu Bagniels zuletzt gerüstet, welches so sauber aussah wie frisch gefällt. 

Transport: Obwohl Rhäzüns über ein gut ausgebautes Wegnetz verfügt und genügend Pferdekräfte vorhanden sind, ist die Holzabfuhr als sehr unbefriedigend zu bezeichnen.Von all dem zur Abfuhr bereitstehenden Holz harren heute noch rund 1`000 m3der Abfuhr, wovon ein grosser Teil seit Mitte Sommer im offenen Gelände lagert. 2


1951 Lawinenniedergang in Penzas Teil Ablagerung. H. Links Gion Balzer Spadin-Albin und Giacum Anton Spadin–Fetz mit seinem Sohn Leo heutiger Eigentümer vom Berg. (Sammlung chrsp.)


1951 Lawinenniedergang Penzas. Gion Balzer Spadin–Albin 1901-1973, Eigentümer damals: Erben Christian Benedetg  und M. Anna Barbara Spadin-Caliezi Enkel Leo Spadin 1940. Heute: Familie Achim u. Sonia Ott-Caviezel. (Sammlung chrsp.)

 

Rüfenniedergänge

1816/17 Die grosse Hungersnot: Wenige Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte haben so tief greifende, aufwühlende Nachwirkungen gezeitigt wie die beiden schrecklichen Hungerjahre von 1816/17, denen sich noch zusätzlich Elementarkatastrophen in Form von Lawinenniedergängen und Überschwemmungen anschlossen. Nach den Hungerjahren 1816/1817, in denen wegen schlechten Wegen zuwenig Getreide in diese Region transportiert werden konnte, wurde der Regierung des Kantons Graubünden klar, dass die Nord-Süd-Alpen-Strassen so rasch wie möglich ausgebaut werden müssten.3
1815 Vulkane waren Schuld: Als Auslöser für die Abkühlung im „Jahr ohne Sommer“ermittelte der US-Klimaforscher 1920 den Ausbruch des Vulkans Tambora im April 1815 auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien. Durch die Eruption gelangten 150 Kubikkilometer Staub und Asche und Megatonnen Schwefelverbindungen in eine Atmosphäre, die schon gesättigt war vom Staub von vier anderen grossen Vulkanausbrüchen in den Jahren davor. Zeitzeugen berichten von trockenem Nebel, der im Sommer 1816 unter anderem über dem Nordosten der USA lag und die Sonneneinstrahlung verminderte. Der Vulkanstaub in der Atmosphäre sorgte aber nicht nur für braunen Schnee in Ungarn und roten in Italien, sondern auch für spektakuläre Sonnenuntergänge.4 

La bova da Cavriu (Die Rüfe von Cavriu): Es sind immerwieder kleinere und grössere Rüfen niedergegangen.

1868 Oktober: Ein gewaltiges Hochwasser hat in ganz Bünden, im Tessin und im Rheintal nach längeren Regenfällen grosse Schäden angerichtet. In Rhäzüns, in der Gegend von Cavriu, löste sich ein Erdrutsch von mehreren Tausend m3, der erst im Bachbett von Runcalatsch Ablagerungen bildete und vorläufig zum Stillstand kam. Mit der Zeit staute sich der Bach auf, bis die Erdrutschmasse sich wieder in Bewegung setzte in Richtung Dorf. Der Bach von St. Paul überlief schon weiter oben in Richtung Prada und überschwemmte mit Schlammgeröll die ganze Wiesenlandschaft sowie das Oberdorf. Nachdem sich auf den Pradawiesen der Schlamm festgesetzt hatte und das Wasser nicht ablaufen konnte, weil aus dem Bach von Feuns weiteres Wasser hinzufloss, entstand in  Rhäzüns für einige Tage oder Wochen ein See in Prada. An steilen Hängen wie der Blès dil Begl auf der Alp gehen manchmal kleinere Erdrutsche nieder, und in Gebieten wie Miribi und la Crappa muss man immer mit Steinschlag rechnen. Quelle: mündliche Überlieferung: vom Urgrossvater - zur Grossmutter - zur Mutter -  zum Sohn.

Im September 1966 hatten wir eine ähnliche Situation mit vielen Niederschlägen, sodass die Feuerwehr ausrücken musste zur Katastrophenbekämpfung. Der Bach von Runcalatsch schwellte an und beförderte viel Schlamm talwärts, so dass es die Via St. Paul, die Via dalla Resga und la Val dick verschlammte. Die Feuerwehr hatte viel zu tun, bis alles wieder unter Kontrolle war. Während die Feuerwehr noch mit dem Reinigen der Strassen beschäftigt war, wurde sie zum Bach von Feuns / Vegnas gerufen. Auch dieser Bach war angeschwollen und trug nun sehr viel Schlamm ins Dorf. Die Via Vegnas und die Via Baselgia sowie der Schulhausplatz wurden mit dicken Schlammschichten überdeckt.

In kalten, schneearmen Wintern gefror der Boden bis in tiefere Schichten. So konnte er ergiebige Niederschläge in Form von Regen nicht aufnehmen. Das Wasser floss dann einfach oberflächlich weg. So kam es manchmal vor, das grössere Wassermengen sich zu reissenden Bäche entwickelten und von allen Seiten her in Richtung Dorf flossen. Die Bewohner hatten meist alle Hände voll zu tun, um das Wasser weiterzuleiten. Trotzdem standen meistens einige Keller immer wieder unter Wasser. 5


Erdbeben: 
Spürbar in Rhäzüns

1295: Die Welt des mittelalterlichen Rätiens geriet buchstäblich ins Wanken. Das Beben vom 4. September 1295 richtete schwere Schäden an.
„Ein heftiges Erdbeben erschütterte die Gegend. Es habe, so ist aus den Chroniken zu erfahren, so lange gedauert wie ein nicht so schnell gebetetes Vaterunser und ein Ave Maria, also ungefähr eine Minute.“

Niemand weiss, ob und, wenn ja, wie viele Menschen durch das Beben umkamen, doch die Gebäudeschäden waren offenbar beträchtlich. Burgen und Häuser seien eingestürzt. Ausserdem wird erwähnt, dass im Tal „Tumplez“ – gemeint ist wahrscheinlich Tumleschga – „ein grosser Berg fiel“, es also wohl zu einem Bergsturz kam. Von Rhäzüns sind zwar keine Schäden bekannt; dass man deswegen annehmen kann, dass die Gebäude zu dieser Zeit erdbebensicher gebaut worden waren, erscheint als unwahrscheinlich.

1356: Besonders verheerend war das Beben in Basel am 18. Oktober 1356, das die Stadt fast völlig zerstörte, weil nach den Erschütterungen auch noch Brände ausbrachen. In Rätien bekam man dieses Beben ebenfalls zu spüren. Es zerstörte die mächtigen edelfreien Familien von Tarasp, Vaz, Belmont und von Rhäzüns; diese gründeten zu dieser Zeit wohl die ersten Dynastenburgen.  

Im Laufe der Jahrhunderte wurde Rätien immer wieder von Erdstössen heimgesucht, so etwa 1504, 1622 und 1804 von Beben, die man auch im Schloss Rhäzüns spürte.

1905/06: Rhäzüns stand vom 25. Dezember 1905 bis am 25. Januar 1906 im Zentrum einer Erdbebenserie: Angefangen hatte die Erdbebenserie am 20. Dezember mit einer ersten leichten Erschütterung, welcher in den folgenden Tagen zahlreiche leichte Stösse folgten. Die Höhepunkte ereigneten sich am 25. Dez. um 18.05 Uhr und 18.30 Uhr (Intensität VI) und am 26. Dez. um   1.25 Uhr (Intensität VI). Vom 1. Januar 1906 bis zum 25. Januar folgten noch sieben leichtere Stösse.

1917: wurde in Rätien ein mittlerer Erdstoss verspürt.

1976: wurde in Rhäzüns ein mittleres Beben verspürt.

1991: An das Beben von 20. November erinnern sich heute sicher noch viele. Nachts kurz vor drei Uhr rissen ein dumpfes Grollen, ein Knall und spürbare Erschütterungen viele Bündner aus dem Schlaf. Der Erdbebenherd befand sich in einer Tiefe von rund sechs Kilometern unter dem Albulatal. Von dort und aus dem Domleschg wurden denn auch einzelne Gebäudeschäden gemeldet. In Rhäzüns wurden einige Risse an Gebäuden festgestellt.

2008: Erdbeben vom  9.11,: Stärke von 3,7 auf der Richterskala; Schäden sind keine bekannt. 6