56. Verschiedene Geschichten (2. Teil G-H)

1. Teil A-F   -   3. Teil I-M


G: Dr. Johann von Planta I., Herr zu Rhäzüns 

H: Das Epitaph (Grabdenkmal) des Johann Anton von Rost

I: Vier Hochspannungsleitungen verteilen Elektro-Strom über das Rhäzünser Territorium

K: Oleodotto del Reno SA

L: Der Sprachenartikel in der Bundesverfassung 1935/1938 (Botschaft des Bundesrats, Auszug aus dem Bericht aus dem Bundesblatt Nr. 22 vom 2. Juni 1937

M: Vers memorials ord l`historia dalla patria (Per la tschena dil tschiver rumeunsch 1901) / Gedicht aus der Geschichte der Heimat (Für den romanischen  Fasnachtsznacht von1901)



G: Dr. Johann von Planta I., Herr zu Rhäzüns 

Die päpstliche Urkunde vom 28. Februar 1570 von Papst Pius V. zuhanden von Dr. Johann von Planta, Herr zu Rhäzüns, löste in Freirätien eine trübe Zeit aus.

Dr. Johann v. Planta – Rhäzüns und sein Lehnsherr. Der 31. März 1572 war für die gute Stadt Chur ein Tag wilder Erregung, fiel doch damals das Haupt eines Mannes, der jahrzehntelang einer der einflussreichten Führer des Landes gewesen war. Beim Ziegelhüttli vor dem oberen Tor wurde der edle Herr Doktor bei der Rechte Johann von Planta, Herrn zu Rhäzüns, nach dem Spruche des Strafgerichtes vom Leben zum Tode gebracht. 

Einleitung: Schon seit mehr als zwei Wochen lagen vor den sorgfältig geschlossenen Toren der Stadt, im Wälschdörfli, auf der Quader, in Masans, ja bis Haldenstein und Trimmis die Fähnlein der Bergeller, Averser und Oberhalbsteiner, der Obervazer, Schamser, Domleschger und Rhäzünser, der Prätigauer und Davoser und derer aus den Vier Dörfern. In den letzten Tagen war endlich das Strafgericht zusammengetreten. Warum? Man erfährt es wohl am besten aus dem Munde derer, die den Anstoss zu diesem „Fähnlilupf“ gegeben hatten, aus dem Munde der Bergeller. Im Archiv von Poschiavo findet man heute noch ein Schreiben von „Capitano, Banderal e consiglio di Val Pregallia“ an Podestat und Volk von Puschlav, in dem die Bergeller den Puschlavern mitteilen, sie seien bereit „di muover di nuovo con le bandiere“. Dieses Schreiben hat allerdings nicht Bezug auf das Churer Strafgericht von 1572, sondern auf dasjenige, das ein Jahr später wieder in Chur zusammentrat. Die Gründe der beiden Erhebungen aber wurzelten in den gleichen Tatsachen oder, wenn man lieber will, in den gleichen politischen und religiösen Anschauungen und den daraus erwachsenen Gegensätzen. So kann man ohne erhebliche Leichtfertigkeit die Bergeller von 1572 so sprechen lassen wie diejenigen von 1573. Und diese gaben als Zweck ihrer Frühlingsfahrt nach Chur an, sie wollten „castigar tutti quelli che contra nostra liberta, frijéta e premientie hanno fatto“. Es musste diesen alten Bergellern wahrhaft viel an ihrer Freiheit gelegen sein, dass sie neben ihrem schönen Wort „liberta“ noch das sprachlich gewiss nicht einwandfreie „frijéta“ setzten, um ja sicher zu sein, dass keiner in Zweifel sein könne, sie meinten die alten rätischen Freiheiten. Am Schluss dieses interessanten Dokumenten finden sie dann noch die klingende Formel: „che giustitia sia e regnia e che il povero viver possa con giustitia e legitima ordination“.
Freilich – so schön wie die letzten Worte klingen, sah die Sache selbst bei weitem nicht aus. Diese Strafgerichte waren so etwa wie schmerzhafte Kinderkrankheiten der bündnerischen Demokratie, schmerzhaft weniger für die davon Befallenen als für diejenigen, gegen welche sich die Wut der Kranken richtete. 
Im März 1572 nun bekam ein Mann diese Wut am eigenen Leibe zu spüren, der bis in sein Greisenalter hinein wohl als strenger Herr gefürchtet, doch nicht minder als hochgelehrter und unbestechlicher Staatsmann geachtet und geehrt worden war, der Herr von Rhäzüns Dr. Johann von Planta. 
Ich kann mir füglich versagen, die tragische Geschichte dieses Prozesses hier noch einmal in allen Phasen zu erzählen, und verweise den, der mehr darüber erfahren möchte, auf die grundlegenden Arbeiten von A. Bott (im Kommentar zu Hans Ardüsers rätischer Chronik) und Dr. M. Valär: „Johann von Planta“, sowie auf die späteren Darstellungen von H. Wartmann in der Einleitung zum zweiten Bande der „Historia Rätica“ des Ulrich Campell (Quellen zur Schweizergeschichte, Bd. IX) und Traugott Schiess in der Einleitung des dritten Bandes der von ihm herausgegebenen Korrespondenz Bullingers mit den Graubündnern (Quellen zur Schweizergeschichte, Bd. XXV). Für meinen Zweck genügt eine knappe Zusammenfassung der Tatsachen und ihrer Bedeutung innerhalb der Zeitgeschichte.1

Urkunden aus dem Staatsarchiv Graubünden
28. Februar 1570. STAGR 1/Nr. 1669 
Bulle von Papst Pius V. für Dr. Johann Planta, Herr zu Rhäzüns: Vollmacht, alle kirchlichen Pfründen im Bistum Chur und in den Untertanenlanden, die durch die Reformation der katholischen Kirche entfremdet wurden, an sich zu ziehen, vor allem auch die Güter des Klosters zu Bendern, bzw. St. Luzi. 
20. März 1572. STAGR 1/Nr. 1779.                                                                                                                         
Geleitbrief des Gotteshaus- und Zehngerichtenbundes für Dr. Johann von Planta, Herrn zu Rhäzüns, der sich in Chur vor Gericht zu verantworten hat wegen der ihm vom Papst übersandten Bulle. Original: Hand des Churer Stadtschreibers Daniel Gugelberg v. Moos. Oblatensiegel der Stadt Chur. Rückseite: Kurzregest von der Hand des Landschreibers Regett v. Capol.2

Was war das Verbrechen des Herrn von Rhäzüns?
Als einer von den wenigen seines Planta-Geschlechtes, die im alten Glauben verharrt waren, hatte er vom Papste Pius V. eine Bulle erhalten, durch die ihm die Befugnis eingeräumt wurde, alle Güter der katholischen Kirche in den Bistümern Chur und Como, die in ketzerische Hände geraten waren, einzuziehen, und durch zwei besondere päpstliche Breven wurde seinem Sohne, dem Churer Domdekan Conrad Planta, die Propstei Teglio im Veltlin zugesprochen. Diese Propstei „uff der Tell“ – wie der deutsche Ausdruck lautet – hatte ursprünglich zum Ordensgut der Humiliaten gehört, die wegen ihres Widerstandes gegen die strengen Massregeln des Kardinals Borromeo aufgelöst worden waren. Nun war sie seit langem im Besitz der Familie Guicciardi, der sie von den Drei Bünden überlassen worden war mit der Bedingung, dass die Einkünfte zur Unterstützung der reformierten Prediger im Veltlin benutzt werden müssten. Als im Oktober 1571 Dr. Johann von Planta mit dem Sohn und Bruder in Teglio einritt und auf Grund der päpstlichen Vollmacht die Übertragung der Pfründe beanspruchte und auch erlangte, da ergriff die protestantischen Bündner eine sehr begreifliche Erregung. Sie wuchs zu heftigster Leidenschaft, als eine Abschrift der obenerwähnten päpstlichen Bulle bekannt wurde, die der Pfarrer von Teglio den Churer Stadtpfarrern Tobias Egli und Ulrich Campell hatte zukommen lassen. Man fühlte sich am eigenen Leibe bedroht und die beiden genannten Geistlichen übernahmen sofort die Führung im Kampfe. Zunächst versuchten sie auf gütlichem Wege, Planta zu einer Auslieferung der gefährlichen Bulle und zum Verzicht auf die Propstei zu bewegen; nach einigem Zögern erklärte er sich auch bereit, die Bulle vor ihren Augen zu zerreissen, die Propstei aber wollte er nicht fahren lassen. So zerschlugen sich diese Unterhandlungen und die Churer Pfarrer warfen dem Herrn von Rhäzüns offen den Fehdehandschuh hin, indem sie von der Kanzel herunter in leidenschaftlicher Rede gegen ihn wetterten. Zugleich ergriffen die alten Widersacher der Planta, die Salis, die günstige Gelegenheit, einen ihrer gefährlichsten Gegner unschädlich zu machen, an ihrer Spitze der österreichische Landvogt von Castels Dietegen von Salis. Die Häupter des Landes sahen sich schliesslich genötigt einzugreifen, zuerst am Martini-Beitag von 1571. In den ersten Januartagen 1572 trat wieder ein Beitag in Chur zusammen, diesmal unter sonderbar geheimnisvollen Vorzeichen. Nach Berichten der Zeitgenossen schien am Morgen des 3. Januar die Sonne in zwei Teile gespalten zu sein; die Gelehrten unserer Zeit haben auf ein sogenanntes Nebensonnenphänomen geschlossen. Der gemeine Mann jener Tage aber und nicht minder der Gelehrte glaubten an ein Zeichen des Himmels und brachten die Erscheinung natürlich in Zusammenhang mit dem Plantahandel, der damals schon die Gemüter auf das hefigste erregte. 
Die Beschlüsse dieses Beitages lassen keinen Zweifel darüber, dass die Mehrheit der Ratsboten Planta günstig gesinnt war. Obwohl der Rhäzünser die angefochtenen Dokumente ausgeliefert und einen förmlichen Verzicht auf die Propstei ausgesprochen hatte, beschloss der Beitag doch, auf die Gemeinden auszuschreiben, wem die Propstei in Zukunft gehören solle, ob dem Planta oder den Guicciarden. Die Mehrheit der Gemeinden sprach sich dahin aus, es sei den Behörden die Entscheidung über die Verwendung der Pfründe zu überlassen. Auf Grund dieser Mehren beschloss dann ein neuer Beitag im Februar, die Propstei Teglio sei zu gemeinen Handen zu nehmen und ihr Ertrag zu einem kleinen Teile den reformierten Prädikanten des Veltlins zuzuweisen; das übrige solle einem Spital oder einer Schule zukommen. Planta aber wurde zur Deckung der Kosten mit einer Busse von 200 Goldkronen belegt, mit der er sich ohne weiteres einverstanden erklärte. Man kann das begreifen, denn wie die Dinge lagen, musste er das Gefühl haben, recht glimpflich aus dem bösen Handel herausgekommen zu sein. Als er damals Chur verliess, wähnte er sich zweifellos in Sicherheit … 

Zur Überführung der Strafgerichtsverhandlung nach Chur. …, aber er hatte die gegen ihn angefachte Bewegung unterschätzt. Die Feuer, die zugleich an mehreren Orten aufgegangen waren, liessen sich nicht mehr dämpfen. Und nach dem Februar-Beitag hat jedenfalls die Agitation seiner politischen Gegner aus dem Hause Salis mit Vehemenz eingesetzt. Sie hatten ein leichtes Spiel, denn die Sache des Planta bot Griffpunkte genug, an denen man sich festkrallen konnte, wenn man den Mann zu Fall bringen wollte. Den Protestanten war er ein Vertreter der gegenreformatorischen Bewegung, die in der glänzenden Persönlichkeit des Carlo Borromeo ihren Führer hatte, und wessen man sich von dieser Seite zu gewärtigen hatte, das wusste man wohl nach den Erfahrungen der letzten Jahre! Dem gemeinen Mann aber war Planta der grosse Herr und Lehnsmann Österreichs, vor dem man sich unter allen Umständen in Acht nehmen musste. Und in diesen Gefühlen trafen sich Protestanten und Katholiken. Auf allen Wegen, in allen Herbergen, wo Säumer und Reisende zusammentrafen, konnte man es hören, der Planta wolle mit Hilfe fremder Potentaten die alte bündnerische Freiheit antasten, habe er doch durch fremde Hilfe die Veltliner Pfründe an sich gebracht – und in diesen Dingen verstanden die Bündner keinen Spass. Es ist ein schönes Zeichen für die gesunde Kraft des Gedankens der Volkssouveränität, dass man auch in den katholischen Landesteilen dem Papste nicht das Recht einräumen wollte, im Freistaat der Drei Bünde Pfründen zu verteilen. Das hat Planta damals schmerzlich genug erfahren müssen. Nicht die Protestanten haben ihn vor das Strafgericht geschleppt – im katholischen Laax wurde er in Ketten gelegt, von seinen eigenen Glaubensgenossen wurde er als Gefangener nach Chur geführt. Und in der Strafgerichtsverhandlung war ein Katholik Ankläger, ein Protestant Verteidiger! Die politische Seite des Handels war dem Volke die wichtigste. Und so erfüllte sich das Geschick des Herrn von Rhäzüns.

Schliesslich wurde kurzer Prozess gemacht. Im Bergell, wo die Salis zu Hause waren, schlugen alsbald die Flammen lichterloh empor. Hier ergriff man zuerst die Fahne und es gelang den Bergellern, ein kleines Heer vor Chur zu versammeln, um den Landesverräter zu strafen. Unter dem Drucke dieser bewaffneten Macht trat dann das Strafgericht zusammen, der greise Von Planta – er zählte damals gegen 70 Jahre – wurde auf das grausamste gefoltert und auf Grund von Geständnissen, die im der Schmerz abgezwungen, zum Tode verurteilt. Die Akten des Prozesses existieren nicht, vermutlich wurden sie bei Seite geschafft, doch lassen Auszüge, die sich erhalten haben, darauf schliessen, dass die Verurteilung des Planta aus folgenden Gründen erfolgte: Er habe eine päpstliche Bulle angenommen und diese Tatsache so lange verheimlicht. Er habe die Propstei Teglio eigenmächtig in Besitz genommen. Er habe sich mit fremder Hilfe zu den Herren in Bünden erheben wollen. So erlitt er am 31. März 1572 den Tod durch das Schwert des Henkers.

Über das objektive Verschulden des Herrn von Rhäzüns sind sehr verschiedene Urteile gefällt worden. Planta selbst hat stets betont, dass ihm die Bulle ohne sein Begehr zugekommen sei und mir scheint, man dürfe ihm hierin vollen Glauben schenken, solange nicht ein schlüssiger Beweis des Gegenteils vorliegt. Ich glaube, dem klugen Herrn von Rhäzüns sei die Zusendung der päpstlichen Bulle sehr ungelegen gekommen und es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass sein erster Gedanke war: Da hat mir mein übereifriger Herr Sohn eine nette Suppe eingebrockt! Ein in politicis ergrauter Staatsmann vom Range des von Planta musste sich doch beim ersten Blicke sagen, dass die Bulle nur gänzlicher Unkenntnis der bündnerischen Verhältnisse ihre Entstehung verdanke. Er hat in seiner Verteidigung ganz richtig betont, es wäre ihm ja durchaus unmöglich gewesen, auch nur den kleinsten Teil dessen durchzusetzen, was ihm der Papst aufgetragen habe. Und man kann doch wahrhaftig nicht annehmen, dass ein Staatsmann, der sich in den schwierigsten Geschäften glänzend bewährt hatte, in seinem Alter noch eine Unternehmung an die Hand nehmen werde, deren Aussichtslosigkeit ganz offensichtlich war. Nicht ganz so günstig liegt für ihn der Pfründenhandel. Hier hat er aus Habgier, wie die einen behaupten, aus übertriebener Sohnesliebe, wie die anderen sagen, gegen ihm wohlbekanntes Recht verstossen.
Und dass er dabei fremde Hilfe, nämlich die des Papstes in Anspruch genommen, ist ebenfalls nicht zu leugnen. Das Strafgericht aber hat offenbar noch an andere fremde Hilfe gedacht. Nach dem Februar-Beitag war Planta ins Engadin gereist und hatte zur Rückkehr nach Rhäzüns den weiten Weg über Landeck, den Arlberg, das Drusustal, Pfäfers und den Kunkelpass gewählt. Das musste auffallen und so verbreitete sich sofort das Gerücht, der Rhäzünser sei in Innsbruck gewesen und habe dort seinen Lehnherrn um Hilfe gebeten. Ja, die Gerüchte verdichteten sich sogar zu der bestimmten Angabe, von Planta habe ein eigentliches Bündnis mit Österreich geschlossen und es stehe schon ein Heer von 8-10`000 Mann bereit, um in Bünden einzufallen. Damit komme ich auf eine Seite des Handels, die noch nicht eingehend behandelt worden ist. Ich benutze dabei bisher nicht veröffentlichtes Material aus den Kopialbüchern des Statthalterei-Archivs in Innsbruck.

Eine kleine Abschweifung ist auch hier nicht zu umgehen 
Wie kam Planta dazu, ein Lehnsmann von Österreich zu sein?
Schloss und Herrschaft Rhäzüns gehörten bis zum Jahre 1458 dem uralten bündnerischen Adelsgeschlechte der von Rhäzüns. Im genannten Jahre starben sie aus und durch Erbschaft ging die Herrschaft über an die Gräfin Ursula II. von Rhäzüns mit Gemahl Graf Eitel-Friedrich I. von Zollern, das bekannte schwäbische Geschlecht, dessen einer Zweig Wilhelm II. die deutsche Kaiserkrone bis 1918 trug. Die Zollern blieben allerdings nur 36 Jahre lang Rhäzünser/bündnerische Dynasten. Im Jahre 1497 schlossen sie mit dem Hause Österreich einen sehr günstigen Tauschhandel ab, durch den sie die Herrschaft Haigerloch in Schwaben gegen Rhäzüns erhielten. Ein zeitgenössischer Chronist vergleicht diesen Tausch mit jenem berühmten homerischen, da Diomedes seine erzene Rüstung für die goldene des Glaukos eingetauscht, und fügt mit schwäbischem Humor bei: „id est: ain ross umb ain sackpfeifen“. Der Wert von Rhäzüns wurde damals auf etwa 7`000 Gulden geschätzt, derjenige von Haigerloch aber auf 60`000. Dennoch glaubte Österreich einen guten Tausch gemacht zu haben, ihm galt nämlich Rhäzüns erheblich mehr als “ain sackpfeifen“. In den weitgespannten Plänen des Kaisers Maximilian war Bünden bekanntlich ein Faktor von grosser Bedeutung und so musste ihm sehr viel dran liegen, im Herzen dieses Landes eine Herrschaft zu erwerben, die ihm den Schlüssel zum Vorder- und zum Hinterrhein-Tal und damit auch zu den wichtigsten Pässen in die Hand spielte. Freilich: hätte er gewusst, wie der Schwabenkrieg ausgehen würde, er hätte sich`s kaum so viel kosten lassen! 
Nach 1499 verlor denn auch die Herrschaft Rhäzüns für Österreich politisch den Wert, den man ihr vorher beigemessen hatte, und man suchte in der Folge nur finanziell so viel daraus zu lösen als irgend möglich, indem man sie als Pfandlehen an bündnerische Herren verlieh. 

Nun zurück zu den Anfängen als Johann v. Planta 1558 die Herrschaft Rhäzüns übernahm 
Im Jahre1558 nun brachte Dr. Johann von Planta, dessen Einfluss in seiner engeren Heimat, dem Engadin, infolge seiner Abneigung gegen den neuen Glauben gebrochen war, die Herrschaft Rhäzüns um die Summe von 14`000 Gulden an sich und dadurch wurde er Lehnsmann des Erzherzogs von Österreich.
Schon damals hatten seine Gegner die Abhängigkeit des Rhäzünsers gegenüber einem fremden Fürsten auszuschlachten versucht. Sie hatten beantragt, ihm zu verbieten, „fürderhin in rhätten und thetten zu sitzen“, das heisst Planta solle unfähig erklärt werden, in Bünden ein öffentliches Amt zu bekleiden. Österreichs Einspruch hatte dann aber die Wirkung, dass diese Anträge verworfen wurden. Als um 1572 der Unwille im Lande immer stärker wurde, spielte man die Doppelstellung des Planta wieder gegen ihn aus. Und man kann durchaus begreifen, dass dieses Argument beim Volke von grösster Wirkung war, zieht sich doch durch das ganze 16. und 17. Jahrhundert der Kampf der bündnerischen Patrioten gegen die Beeinflussung der führenden Politiker des Landes durch fremde Potentaten.

In unserem Falle stellt sich nun die Frage so: Hat Dr. Johann von Planta tatsächlich versucht, seinen Lehnherrn zu einem Angriff auf Bünden zu bewegen? Liesse sich das erweisen, so hätte er den Tod zweifellos verdient. Es sei schon hier festgestellt, dass die Prüfung des Materials, das mir zu Gebote stand, klar und schlüssig ergibt, dass die Anschuldigung grundlos war.
Das erste Schreiben des Herrn von Rhäzüns, von dem in den Kopialbüchern des Statthalterei-Archivs in Innsbruck die Rede ist, wird erwähnt in einer Mitteilung der „Kammer“ in Innsbruck an die „dominos regentes“, oder wie wir heute etwa sagen würden, an das Ministerium. Die Mitteilung trägt das Datum vom 5. März 1572 und es ergibt sich aus ihr, dass Planta an die Kammer eine Eingabe gerichtet hat, in der er sich über die Umtriebe des Dietegen von Salis, des österreichischen Vogtes auf Castels, beschwert. Ferner scheint er seinen Herren kundgegeben zu haben, die Bünde beabsichtigten, ihn aus den Räten auszuschliessen. Im mehrfach genannten Februar-Beitag wurde allerdings diese Frage behandelt. Aus dem Abschied geht aber nicht hervor, dass ein Beschluss gefasst worden sei. Es heisst nur, Planta habe „sich berumpt“ (gerühmt), Brief und Siegel zu haben, die ihm das Recht einräumten, in „rhätten und theten“ zu sitzen, was zweifellos auf die oben erwähnten Vorfälle aus dem Jahre 1558 Bezug hat. Der Beitag hat lediglich beschlossen, man wolle diese Urkunden prüfen und suchen, ob man etwa andere fände, die dagegen sprächen.

Die Kammer in Innsbruck aber äussert in ihrem Schreiben vom 5. März 1572 die Meinung, wegen der Salis sollten Massregeln getroffen werden zur Verhütung künftigen Übels. Ferner solle die Regierung dem Planta ein Schreiben an die Drei Bünde zustellen, in dem verlangt wird, man solle ihm ungehindert die Session lassen und ihn aus den Räten ausschliessen.
Wie alle anderen, so liegt auch dieses Schreiben des Planta leider nicht im Original vor; man kann aber seinen wesentlichen Inhalt aus dem vorliegenden Material erkennen. Er hat darin keinesfalls um Hilfe gebeten. Er beschwert sich nur über einen Amtmann des Erzherzogs – denn das war Dietegen von Salis – an der Stelle, die das Recht hatte einzuschreiten, wenn es ihr schien, ihr Vogt habe sich in irgendeiner Weise verfehlt. 

Das zweite Schreiben des Rhäzünsers scheint tiefer in die Sache selbst eingetreten zu sein. Es wird erwähnt in einem Schreiben des „Regiments“ an den Erzherzog selbst vom 18. März 1572. Als die Lage immer drohender wurde und das Wasser ihm immer höher zum Halse stieg, hat sich Planta nochmals nach Innsbruck gewendet und nochmals gegen seinen Widersacher Dietegen von Salis Klage geführt. Er teilte dem Regiment in Innsbruck mit, Dietegen von Salis habe „durch sein pratig“ grossen Unwillen beim gemeinen Mann gegen ihn erweckt und zwar wegen einer Bulle, die ihm seine Heiligkeit ohne sein Begehr zugesendet habe. Der Papst Pius V. habe ihm darin „etwas gwalts geben, die geistliche pfruennden, so von untaugenlichen Personen genossen wurden, daz er dieselben recuperieren und andere taugliche Personen darzu verordnen“. 

Wenn Planta wirklich so geschrieben hat, so verstand er die diplomatische Kunst, eine Sache zu sagen und doch nicht zu sagen. Wie unschuldig das klingt: untaugliche Personen durch taugliche ersetzen! Nur muss man nicht vergessen, dass in diesem Falle tauglich = katholisch, untauglich = protestantisch zu setzen ist. Es handelte sich ja darum, Pfründen wie die von Teglio, die durch Bundestagbeschluss den Evangelischen zugewiesen waren, der katholischen Kirche wieder zuzuführen, unbekümmert um den Willen der bündnerischen Behörde.

Die Antwort, die das „Regiment“ ihm erteilte, war nichts weniger als ermutigend für ihn. Statt ihm zu helfen, liest man ihm gehörig die Leviten! Falls er selbst, so schrieben ihm die Innsbrucker Exzellenzen, irgendetwas vorgenommen, was zu dieser Empörung geführt habe, so sei ihm das ohne Vorwissen des Erzherzogs keineswegs zugekommen. Der Erzherzog trage darüber ein nicht geringes Missfallen und befehle ihm, alsbald alles abzubestellen und fürderhin nichts Ähnliches mehr vorzunehmen. Ferner solle er unverzüglich berichten, was er mit den „Purgallern“ für Irrungen habe und was für Freiheiten ihm der Papst eingeräumt habe, wegen deren dieser Span sich erhoben. Im Weiteren verlangen sie von ihm Bericht darüber, was das Vorhaben der Bergeller sei und gegen wen sie die Ansammlung gerichtet hätten; ob nicht etwa zu befürchten sei, sie möchten weitergreifen und Land und Untertanen des Erzherzogs überziehen und vergewaltigen.

Aus diesem Schreiben ergibt dich mit Sicherheit, dass Planta im Februar 1572 nicht nach Innsbruck gereist ist um seinen Lehnsherrn um Hilfe zu ersuchen. Sonst wären die Herren vom Regiment besser in den Handel eingeweiht gewesen und hätten den Rhäzünser nicht erst um einen Bericht ersuchen müssen. Die Nachrichten über den Auszug der Bergeller waren ihnen nicht durch Planta, sondern aus anderen Quellen zugegangen, von denen noch zu reden sein wird.
Festgestellt sei ferner: Planta hat in seinem Schreiben an das Innsbrucker Regiment, genau wie in einem früheren, lediglich Klage geführt gegen Dietegen von Salis – und das vertrug sich durchaus mit seinen Pflichten als Bundsmann in den Drei Bünden. Er hat keineswegs fremde Potentaten gegen sein eigenes Vaterland aufbieten wollen, um sich, wie das Strafgericht angenommen hat, zu den Herren in Bünden zu machen.

Wie gänzlich zwecklos übrigens ein solches Unterfangen gewesen wäre, zeigt die Antwort von Innsbruck mit aller Deutlichkeit. Es fällt dem Erzherzog und seinen Ministern nicht im Entferntesten ein, sich zugunsten ihres Lehnsmannes in bündnerische Händel einzumischen, sie sind froh, wenn sie nicht mit Gewalt hineingezogen werden. Die ganze „Engenndeiner“ Unruhe sehen sie nur aus dem Gesichtspunkte des Schutzes ihrer eigenen Grenzen und das einzige, was sie schliesslich für Planta taten, war eine Fürbitte beim Strafgericht. Auf Verwendung des österreichischen Gesandten und der Eigenossen wurde Planta nicht unter dem Galgen enthauptet, sondern an der gewohnten Richtstätte vor dem oberen Tor; sein Leib aber wurde seinen Freunden überlassen, die ihn dann im Kloster St. Luzi beisetzten. Die Hilfe des Lehnsherren galt also lediglich dem toten Planta, das Schicksal des Lebenden opferten sie ohne Bedenken ihrem staatlichen Interesse. Sie wollten unter keinen Umständen in Händel verwickelt werden, alles Übrige war ihnen gleichgültig. 

Und dass sie nicht ohne Sorge waren, das Feuer möchte über die Grenzen schlagen, ergibt sich aus dem nämlichen Schreiben vom 18. März 1572. Man ersieht daraus, dass Oswald Trapp, Pfleger zu Glurns und Mals, dem „Regiment“ folgenden schriftlichen Bericht hat zugehen lassen: Er sei durch eine glaubwürdige Person verständigt worden, am 10. März seien die Bergeller mit 200 Mann und auf ihr Zutun auch die Oberhalbsteiner und Vazer 500 Mann stark mit fliegenden Feldzeichen und Spielen auf Chur gerückt. Dann hätten sie ins Ober- und Unterengadin Boten geschickt, um auch diese Talschaften aufzubieten, ihnen nach Chur nachzurücken (was ihnen tatsächlich nicht gelang). Die Absicht sei, stracks nach Rhäzüns zu ziehen und den Doktor von Planta dort mit Raub und Brand zu überfallen, weil er von der päpstlichen Heiligkeit Privilegien und Freiheiten erhalten habe, „ain Visitation inn der religion an etlichen orten bey und unndter ihnen fürzunehmen“.

Aus eigenen Informationen setzt das „Regiment“ hinzu, es sei ihm Kund geworden, unter den „Enngendeinern“ (so nennen die Österreicher die Bündner im Allgemeinen) sei allerlei böses Gemurmel und Gerede, des Planta Sohn, dem Dompropst zu Chur, seien durch den Papst etliche geistliche Güter verwilligt worden. Dazu schüre Dietegen von Salis, der ohne das gegen den von Planta in Irrung stehe, das Feuer.

Das „Regiment“ glaubte nun allerdings, das Vorhaben der Bergeller richte sich nur gegen die Person des Planta und nicht gegen erzherzogliches Eigentum zu Rhäzüns, immerhin sei diesen aufrührerischen Leuten nicht viel „Ehrbarkeit“ zuzutrauen. Darum habe das „Regiment“ im Namen des Erzherzogs Schreiben an folgende Stellen gerichtet: an den Pfleger Trapp, an Herrn Hansen Khuen, Pfleger zu Naudersberg, an Franz und Siegmund Hendl, Pfleger zu Lanndegg, Zollner in der Finstermuncz und dem Grafen Hannibal von hohen Embs, als Inhaber der Herrschaft Feldkirch; der gerade anwesende Hauptmann auf Tarasp Conrad Jäcklin sei mündlich verständigt worden. Diese Männer wurden angewiesen, gewisse Kundschaft zu bringen über den Charakter und die Ausdehnung der Empörung und über etwaige Gefahren für die Lande des Erzherzogs. Was sie erfahren könnten, sollen sie sofort durch Eilboten nicht nur der Regierung in Innsbruck, sondern auch dem Landeshauptmann an der Etsch mitteilen, damit man sich rüsten könne, etwaigen bewaffneten Angriffen zu begegnen. Die Notdurft der Zeit erfordere durchaus, dass der Landeshauptmann in Meran persönlich zugegen sei und der Erzherzog möge ihm daher erlauben, hineinzureisen und zwar ohne Verzögerung, damit nichts versäumt werde. 

Nach vertraulichen Berichten, die ihm zugegangen, glaubt das „Regiment“ nämlich, es liege immerhin die Möglichkeit vor, dass die Aufrührer gegen den Trapp etwas Gewalttätiges vornehmen könnten.
Aus einem späteren Schreiben des „Regimentes“ an den Erzherzog vom 29. April 1572 ergibt sich übrigens, dass man auch in Bünden nicht ohne Sorge war, durch den Planta-Handel mit Österreich in kriegerische Verwicklungen zu geraten. Aus diesem Schreiben ist nämlich folgendes zu ersehen:

Die in Chur versammelten Ratsboten haben der Regierung in Innsbruck ein Schreiben zugestellt, in dem in der Hauptsache ausgeführt wird: Es sei ihnen von einigen Personen, die aus der Herrschaft Feldkirch kamen, zu Ohren gekommen, man behaupte dort, die Bündner hätten einen Eingriff gegen des Erzherzogs Freiheit und Gerechtsame in Rhäzüns begangen und wider die Erbeinigung gehandelt. Darüber habe der Erzherzog sein höchstes Missfallen ausgesprochen und er habe die Absicht, die Bünde an drei Orten „krieglicherweis“ zu überziehen. Wiewohl sie nun solcher „Land mär“ im Grunde keinen Glauben schenkten, möchten sie doch nicht unterlassen, sich gegen diese Anschuldigungen zu verteidigen. Sie hätten sich unterstanden, „an derselben heusern, herrschafften und freyhaiten ainichen abbruch zu thuen“, und hätten auch keineswegs wider die Erbeinigung verstossen.

Das „Regiment“ schlägt eine Antwort vor, in der darauf hingewiesen wird, es sei dem Erzherzog bekannt geworden, die „pundt“ seien in die ihm eigentümlich zugehörende Herrschaft Rhäzüns eingebrochen, hätten sechs Urteilsprecher dorthin abgeordnet, die ein Inventar aufgenommen, alles, was sie gefunden, in zwei Gemächern eingeschlossen und der Schlüssel dazu nach Chur mit sich genommen hätten. Die Verwahrung des Schlosses hätten sie der Hausfrau des weiland Doktor von Planta übergeben und zugleich vier Personen zurückgelassen, die das Feld bebauen sollen. Ferner sollen sie auch die Absicht haben, andere im Gebiete des Erzherzogs liegende Güter einzuziehen. Der Erzherzog könne zwar noch nicht recht an diese Dinge glauben, denn er habe den Bünden niemals Anlass zu solchem Vorgehen gegeben. Jedenfalls könne er nicht zusehen und gestatten, dass unbefugte Eingriffe dieser Art vor sich gingen. Wenn die Bünde sich von ihm bedroht wähnten, so seien sie durchaus unrecht berichtet gewesen. Er habe stets gute Nachbarschaft gehalten. Schliesslich solle der Erzherzog verlangen, dass ordentlich Recht erfolge, wenn jemand gegenüber aus der Herrschaft Rhäzüns irgendetwas zu sprechen oder zu suchen habe

Meine Erkundigungen beim bündnerischen Staatsarchiv haben ergeben, dass ein solches Schreiben des Erzherzogs dort nicht vorhanden ist, was allerdings mit Rücksicht auf die grossen Brände, die wenige Jahre nach dem Planta-Handel die Stadt Chur heimsuchten, nicht gerade verwunderlich ist. Verhandlungen mit Innsbruck ziehen sich dann noch längere Zeit durch die bündnerischen Landesprotokolle, doch dreht es sich dort um Erbschaftsangelegenheiten.  

In Innsbruck aber hat man sich bald nach der Hinrichtung des Rhäzünsers doch gefragt, ob man seiner Würde nichts vergebe, wenn man diese tumultuarische Verurteilung eines Lehnsmannes ungerügt lasse. Wenigstens beim Erzherzog scheint sich ein Gefühl dieser Art geregt zu haben. Das ersieht man aus einem Schreiben des „Regimentes“ an den Landesfürsten vom 5. April 1572. Daraus geht hervor, dass der Erzherzog seine Regierung hat wissen lassen, es mache ihm „etwas bedenken“, dass die Bündner seinen Diener und Pfandinhaber Dr. von Planta mi dem Schwert gerichtet und dass sein Rat und Vogt im Prätigau Dietegen von Salis dabei an der Spitze einiger Fähnlein die Hauptrolle gespielt habe, ohne ihm vorher irgendetwas mitzuteilen und Bescheid zu erwarten, wie das sein Pflicht gewesen wäre. Der Erzherzog hat dann offenbar die Meinung geäussert, es wäre gut, den Salis nach Innsbruck zu zitieren. Das „Regiment“ wird um ein Gutachten befragt.

Die Herren antworten am 5. April 1572, sie hätten sich`s allerdings selbst gedacht, der schnelle Prozess gegen den Dr. von Planta und die Nichtbeachtung seines „fürschreibens“ an die Bünde werde beim Erzherzog „allerley nachgedennkhens“ verursachen. Nun aber hätten alle eingelaufenen Nachrichten, so wie ein Schreiben der Bünde an den Grafen Hannibal von Hohenems ergeben, dass die Bündner nicht gesonnen seien, etwas gegen den Erzherzog oder seine Untertanen vorzunehmen; es habe ihnen das Recht zugestanden den Planta als ihren Bundsmann zu richten. Daher erachtet es das „Regiment“ keineswegs als ratsam oder tunlich, durch Schreiben oder anderweitig in dieser vorstellig zu werden; man kenne ja auch des Planta Verbrechen und den Inhalt seines Geständnisses noch nicht. Wenn man darüber genaue Kunde habe, sei es immer noch Zeit, vielleicht die Sache weiter zu erwägen. 

Was den Salis betreffe, so sei es ihm sicherlich nicht zugestanden, ohne Vorwissen des Erzherzogs sich so tief in den Handel einzulassen, dass man ihn „vast für den fürnehmsten Anstiffter“ halte. Der Erzherzog habe gewiss alle Ursache, ihm das nicht hingehen zu lassen. Dass man ihn aber jetzt nach Innsbruck zitieren wolle, sei höchst bedenklich und nicht ratsam. Er werde ja doch nicht erscheinen (!) und wenn er merke, dass etwas gegen ihn im Gange sei, werde er möglicherweise seine Anhänger um sich sammeln und noch schlimmere Praktiken anzetteln. Darum sei es ratsam, abzuwarten und den Salis später bei irgendeinem anderen Anlass nach Innsbruck zu zitieren. Dann könne man ja auf den Planta-Handel zurückkommen.  

Wie man sieht, war das Selbstvertrauen der Innsbrucker Regierung nicht gerade gross und die Machtmittel gegenüber ihren „Untertanen“ in Bünden sehr wenig wirksam. Sie getraut sich nicht einmal, den Salis, ihren eigenen Vogt, aufzufordern, sich in Innsbruck zu stellen, um Rechenschaft abzulegen über seine „Praktiken“. Das Gefühl, ein freier, souveräner Staat zu sein, war in jener Zeit in Bünden ebenso sehr erstarkt, dass die Untertanenverhältnisse zu Österreich eines praktischen Inhaltes fast ganz entbehrten. Dieses „zudem er gewisslich nit erscheinen würde“ ist in seiner hilflosen Resignation ein gar klägliches Exempel erzherzoglicher Gewalt! 

Übrigens ist in dem Innsbrucker Material, das mir vorliegt, noch ein Beispiel solch landesherrlicher Ohnmacht zu finden. Ende August des Jahres 1572 hatte das Regiment wieder Gelegenheit, sich mit dem Planta-Handel zu befassen. Damals kam ein anderer, um sich zu beklagen, und zwar der Mann, der nach dem Urteil der Zeitgenossen die Hauptschuld trug am tragischen Schicksal des Herrn von Rhäzüns, Domdekan Conrad von Planta, der Sohn des Rhäzünsers. Dieser geistliche Herr hat nach der Hinrichtung seines Vaters für sich und seinen Vetter Conrad eine „Supplikation“ an den Erzherzog gerichtet, in der er verlangt: 1. Der Erzherzog möge den Vogt von Castels Dietegen von Salis absetzen und gegen seine Untertanen im Prätigau vorgehen wegen des „Überfalles“. 2. Er möge die Untertanen von Rhäzüns (die ebenfalls mit ihrem Fähnlein am Strafgericht waren) vor einem Kommissar zur Rechenschaft fordern.

Hatten die Innsbrucker Herren schon dem Vater ihre Hilfe versagt, so wollten sie sich für den Sohn noch viel weniger in Unkosten stürzen. Das Regiment äussert sich in einem Schreiben an den Erzherzog vom 29. August 1572 im gleichen Sinn und im gleichen Ton wie am 5. April: Gewiss sei es nicht ratsam, den Salis länger als Vogt im Prätigau zu lassen, gegenwärtig aber sei nicht der rechte Moment für eine solche Massregel. Den Prätigauern etwas zu befehlen, sei zwecklos, denn es sei zu besorgen, „welches gleichwohl schimpflich, sy wurden kain gehorsam laisten“ … Das einzige Mittel, das ihnen bleibe, sei – ohne Erwähnung der Supplikation des Domdekans – bei den Bünden vorstellig zu werden, sie möchten gegen die Prätigauer einschreiten, damit der Erzherzog nicht zu weiteren Schritten gezwungen würde. Ebenso wenig ratsam sei, die Rhäzünser vor einen Kommissar zu rufen – sie würden ja doch nicht erscheinen („dieweil sy die underthanen vor kainem commissarj erscheinen wurden“). So wurde das Gesuch des Domdekans abgewiesen, weil die Innsbrucker Regierung keine Mittel in der Hand hatte, ihre ungeberdigen Untertanen zu meistern.

Die Rhäzünser – das sei schliesslich noch erwähnt – haben den Anlass der Hinrichtung des Planta benutzt, um in dem langen Kampfe um ihre Selbständigkeit einen Schritt vorwärts zu kommen. In einem Schreiben vom 10. April 1572, dessen Konzept im bündnerischen Staatsarchiv liegt, führen sie Klage gegen den verstorbenen Herren. Der Planta habe sich bei Übernahme der Pfandschaft verpflichtet, keinerlei neue Auflagen zu schaffen, vielmehr alles zu lassen wie es von jeher war. Das Versprechen aber habe er nicht gehalten. Er habe sie schwer bedrückt mit Steigerung der Zinsen, mit „Frefflen Bussen“, er habe Personen „ohn alle Inditium und ursachen“ gefänglich eingezogen und sonst allerlei Unbill ihnen zugefügt. Die Rhäzünser bitten daher den Erzherzog, ihnen keinen dieses Geschlechtes oder deren „Fründtschaft“ zum Herrn zu setzen.
Am letzten April 1572 berichtet das Regiment über diese Bittschrift. Es ist der Ansicht, man solle antworten: der verstorbene Kaiser, des Erzherzogs Vater, habe dem Planta für seine Lebenszeit und dem tauglichsten seiner Söhne für zwanzig Jahre die Herrschaft Rhäzüns pfandweise verschrieben. Die Planta hätten eine Urkunde darüber in der Hand und so müsse es dabei bleiben. Wenn die Untertanen von Rhäzüns über Gebühr bedrückt würden, so sei der Erzherzog jederzeit bereit, ihnen beizustehen. Es solle dem neuen Pfandherren ausdrücklich geboten, sein Untertanen nicht weiter zu beschweren. 
Damit kann ich diesen kleinen Exkurs in eine trübe Zeit unserer Geschichte schliessen.


H: Das Epitaph (Grabdenkmal) des Johann Anton von Rost 

Aus dem Pfarr-Archiv: Verfasser ist nicht genannt…?1

Das Epitaph (Grabdenkmal) des Johann Anton v. Rost (1638-1706) kam bei der Aussenrenovation der Pfarrkirche Maria Geburt in den Jahren 1968 und 1969 zum Vorschein. 

Infolge der Wiederentdeckung eines Grabdenkmals in Rhäzüns wurde nach 263 Jahren ein Nachruf auf den damaligen österreichischen Administrator der Herrschaft Rhäzüns und kaiserlichen Gesandten bei den Drei Bünden (von 1696 bis 1706), Anton von Rost, wiederaufgefunden.1

Bei Aussenrenovationen an der heutigen Pfarrkirche Maria Geburt in Rhäzüns kamen aus der Zeit der Zugehörigkeit der Herrschaft Rhäzüns zu Österreich zwei Grabdenkmäler zum Vorschein, welche die bei Erwin Poeschel (Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. III) verzeichneten Rhäzünser Grabtafeln (für Ägidius von Greuth und A. M. Hinderegger) um zwei interessante Beispiele vermehren. Das eine Grabdenkmal bietet hinsichtlich der Person, für die es bestimmt war, keine Schwierigkeiten. Das andere enthält nur das Wappen und den Todestag, jedoch keinen Namen. Ob das Vorhandene nur einen Teil eines ehemals grösseren Steins darstellt oder überhaupt nur in dieser Form ausgeführt wurde, soll hier vorläufig offen bleiben. 
Die eine Grabtafel ist heute links aussen am Chor aufgestellt. Sie wurde nach den Angaben des Pfarrers in der Erde im Winkel zwischen der Fassade und der rechten Längsseite der Kirche aufgefunden. Die Grundelemente des Denkmals sind auch hier das Wappen und die darunter angeordnete Inschrift. Der wachsende Raumanspruch, den der in der Barockzeit sich immer üppiger ausbreitende wortreiche Text anmasst, drückt allmählich das Wappen von seinem ursprünglichen Platz aus der Schriftplatte hinaus. Es wird in der Bekrönung des Denkmals verwiesen. Diese Feststellung bewahrheitet sich gerade auch bei dem Grabmal, das hier vorgestellt werden soll.
Den grössten Teil des Grabdenkmals nimmt die hochrechteckige Schrifttafel mit den Angaben über den Toten ein. 
Sie ist rechts und links von einem kräftigen, geschwungenen und wellenförmig angeordneten Blattornament eingerahmt. Über der Schrifttafel erkennt man das Allianzwappen v. Rost-Schütz; unter derselben sieht man auf einer konsolenartigen, von Voluten eingefassten Sockelpartie ein kleineres querangeordnetes zweites Schriftfeld, und ganz zu unterst folgt in ganz kleiner Schrift ein Hinweis auf den Bildhauer, der das Denkmal anfertigte.
Die Inschrift des Grabdenkmals ist noch sehr gut leserlich, und die vorkommenden Abklärungen sind leicht aufzulösen.
In diesem Erinnerungszeichen haben wir das Grabdenkmal des Freiherrn Johann Anton v. Rost, geboren 1638, gestorben (laut Grabinschrift) am 14. September 1706, vor uns. Dieser Mann war österreichischer Administrator der Herrschaft Rhäzüns und kaiserlicher Gesandter bei den Drei Bünden. Er war der Vater des späteren Churer Fürstbischofs Joseph Benedikt v. Rost, geboren 1696 in Rhäzüns / Vils (Tirol), Bischof von 1728 bis 1754. Ein anderer Sohn des Johann Anton v. Rost und damit ein Bruder des Bischofs Joseph Benedikt v. Rost war Leopold Carl v. Rost, geboren in Rhäzüns am 4. Februar 1704. Dieser war von 1745 bis 1750 Abt des Benediktinerklosters Füssen im bayrischen Allgäu.
                                                     
Epitaph (Grabmal) an der Westfassade der Pfarrkirche Rhäzüns (Sammlung chrsp.) 

Der Vater (†1706) erlebte allerdings den Aufstieg seiner geistlichen Söhne in die Mitra- und stabführende kirchliche Hierarchie nicht mehr. Der älteste Sohn, Franz Rudolph v. Rost (geb. 1686), war von 1699-1706, seinem Todesjahr, Domherr an der Kathedrale von Chur. Zu dieser Stelle hatte ihm schon in sehr jungen Jahren der einflussreiche Vater verholfen. Das Bübchen war damals 13 Jahre alt und hatte natürlich seine Studien noch längst nicht vollendet! Er hatte noch eine Tochter Maria Jacobina v. Rost, geboren in Rhäzüns am 19. September 1799. Alles in allem eine sehr klerikale Familie mit drei Priestern, darunter ein Bischof und ein Abt.

Für die titelsüchtige Barockzeit ist der verstorbene Herr Johann Anton v. Rost natürlich eine „Exzellenz“ (Illustrissimus et Excellentissimus Dominus). Man rühmt seinen Eifer, seine Arbeit und seinen Einsatz. Zum Stil barocker Grabdenkmäler gehören oft Wortspiele und Antithesen. So auch hier: „In dieses Grab ist nun tot hinabgesunken jener Mann, der im Leben für Gott, die Religion und den Kaiser immerdar aufrecht dastand, der hocherlauchte und vortrefflichste Herr, Herr Johann Anton v. Rost“ (pro Deo, religione et Caesare in vita semper erectus). Die nie verletzte treue Ergebenheit seiner Vorfahren gegenüber dem erhabenen kaiserlichen Hause hat er durch sein unvergessliches Zeugnis bestätigt und gemehrt. (…aviti sanguinis erga augustissimam Donum incoruptam semper fidem unumquam morituro testimonio auxit). Dann werden die verschiedenen Ämter im Dienste des Kaisers erwähnt. Während 32 Jahren war er „Dynasta“ (=Pfleger, Vogt oder Verwalter) der österreichischen Herrschaft in Vils (in der Nähe von Reutte im Tirol, am Oberlauf des Lechs, unweit der bayerischen Grenze); 23 Jahre war er kaiserlicher Hofkammerrat (also auf dem Finanzdepartement) und schliesslich war er während 10 Jahren der erste österreichische Administrator der Herrschaft Rhäzüns und dabei während 8 Jahren „in meist trüben Zeiten“ kaiserlicher Gesandter bei den Drei Bünden. Für Rhäzüns wird der latinisierte Name „Rhaetium“ verwendet (Rhaetii = in Rhäzüns).

Noch rühmendere Töne als die Grabinschrift schlägt der Eintrag im Sterberegister von Rhäzüns an. Das Todesdatum weist dort gegenüber dem Grabmal eine kleine Differenz auf (17. September), ist aber vielleicht doch richtig, weil der Eintrag sogar die Todesstunde weiss. Der Mann starb bestens auf den Tod vorbereitet und hatte alle Sakramente empfangen. Der Pfarrer spendet ihm das Lob, er sei eine Säule des katholischen Glaubens, ein wahrer Vater aller seiner Untergebenen, ein Wohltäter der Priester, ein Beispiel der Gerechtigkeit und ein Spiegel aller Tugenden gewesen.

Im Mitgliederverzeichnis der Rosenkranzbruderschaft von Rhäzüns erscheint er zusammen mit seiner Frau an erster Stelle. Auch Chr. M. Tuoer nennt Johann Anton v. Rost einen „um die katholische Religion und das Domkapitel sehr verdienten Mann“.

Wenn somit auch angesichts der barocken Ruhmredigkeit (nun, sie lebt auch heute noch!) einige Abstriche vorzunehmen sind, hat sicher Johann Anton v. Rost, dessen Grabmal nun wieder zum Vorschein kam, ein ehrendes Andenken seiner Mitwelt verdient.

Mit seinem vollen Titel wird der Verstorbene auf dem Grabmal als Herr Anton v. Rost zu Aufhofen und Kehlburg usw. bezeichnet. Mit dieser Bezeichnung „zu Aufhofen und Kehlburg“ erscheint J. A. v. Rost auch in einer Urkunde vom 30.12.1696 (Gemeindearchiv Rhäzüns, Nr. 51. Blasius Caliezi: Der Übergang der Herrschaft Rhäzüns an den Kanton Graubünden). Sie bedarf einer Erklärung. M.s.u. 32. Verwaltung und Politik        

Aus der Bergwelt der Dolomiten über Nordtirol nach Rhäzüns 
(Zu dieser Zeit gehörten das Gebiet der Dolomiten und das Südtirol noch zu Österreich.)

Die adelige Familie von Rost-Schütz stammte ursprünglich aus dem ladinischen Gebiet von Livinallongo (deutsch: Buchenstein) zwischen dem Pordoi- und dem Falzaregopass in der grossartigen Bergwelt der Südtiroler Dolomiten. Livinallongo erreicht man auf der bekannten Dolomitenstrasse von Bozen nach Cortina d`Ampezzo oder auch über Bruneck (Brunico) im Pustertal. Aus der Gegend von Livinallongo kamen die v. Rost in das in nördlicher Richtung näher bei Bruneck gelegene Enneberger- o. Gadertal. Seit Hans v. Rost (1521) hatten die von Rost den Ansitz Aufhofen im Dorfe Aufhofen bei Bruneck inne und nannten sich nun „von Rost zu Aufhofen“. Im Jahre 1554 erhielten sie auch das Schloss Kehlburg in der Gemeinde Gais unweit Bruneck, und nannten sich nun „von Rost zu Aufhofen und Kehlburg“. Das Zeichen „usw.“ nach dem Worte Kehlburg auf der Grabtafel besagt aber, dass der Mann noch weitere Titel führte. Darüber gibt uns das Sterberegister im Pfarrarchiv von Rhäzüns Auskunft. Dort erscheint ein Name, der zum Teil nicht mehr gut leserlich ist, aber eindeutig „Schrottwinkel“ heissen muss. Damit ist kein Ansitz in Taufers im Münstertal, unmittelbar an der schweizerisch-italienischen Grenze, gemeint, sondern in Taufers im Tauferertal (Valle di Tures) unweit Bruneck im Pustertal, wo die v. Rost bereits im Jahre 1500 Besitz erwarben (J. Weingartner, die Kunstdenkmäler Südtirols, I 338). In diesem Tal liegen auch das bereits erwähnte Schloss Kehlburg und Aufhofen sowie Uttenheim (Villa Ottone), ein Ort, der in der Geschichte der v. Rost ebenfalls eine Rolle spielte. Alle drei Orte, deren Titel der Verstorbene führte (Aufhofen, Kehlburg und Schrottwinkel) liegen also in der nähern oder weiteren Umgebung von Bruneck im Pustertal (Südtirol).

Ähnliche Häufung von Titeln – um nicht zu sagen Titelfirlefanz – kennen wir ja auch bei uns. So nennt sich der Freiherr Paul Buel (†1697) „von Strassberg und Rietberg“. Das Prädikat „von Strassberg“ erhielt sein Vater im Jahre 1694 bei der Erhebung in den Reichsadel durch den Kaiser: die in Parpan begüterten Buel durften den Namen der damals bereits zerfallenen Burg Strassburg in Malix übernehmen. Paul Buel erwarb dann später die Hälfte des Schlosses Rietberg im Domleschg, und seither führte seine Familie das erweiterte Prädikat „von Strassberg und Rietberg“. Die Flugi wurden einmal zu Flugi „Aspermont“, und es ist noch nicht allzu lange her, gaben sich manche Leute alle erdenkliche Mühe, ihrem Namen noch irgendein Titelchen mit einem „von“ anzuhängen. Nomina und adiosa! (Schluss folgt) Verfasser ist nicht…? 1

    
„Anno 1706 die 14. 7 bry / Jahr 1706 Tag 14 September“. Aus dem Sterberegister im Pfarrarchiv Rhäzüns. „Joannes Antonius von Rost-Schütz, Administratorius et commisarius“ der Herrschaft Rhäzüns 2

1. Teil A-F   -   3. Tei I-M