3. Orts- und Flurnamen / Nums da leug e funs

Woher stammen die Orts-, Flur-, Berg- und Fluss-Namen, wer hat sie getauft? Diese Frage fasziniert vor allem bei den über 230 Flurnamen auf Rhäzünser Territorium.

Zur Entstehung der Namenlandschaft 

Naturnamen – Geographische Begriffe – Gestalt

„Und Gott nannte das Trockene Land, und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer“ (Genesis I, 10).

Von allem Anfang an sollte die Umwelt, in die der Mensch gestellt wurde, Namen haben. Das Trockene, die „Erde“, auf der er siedelt, ist das „Land“. Der Fluss, der es durchfliesst, ist das „Landwasser“. So blieb es durch alle Zeiten. Der Bergbauer, der seinen Nachbarn fragt: „Gosch ins Land?‟, gebraucht das Wort bereits in einem eingeschränkten Sinne. Für ihn steht Land für das weite Gebiet unter ihm im Gegensatz zu seinem „Berg“. Er unterscheidet aber auch bereits ein „Oberland“, ein „Unterland“, ein „Vorderland“ und ein „Hinterland“. Er hat gelernt, mit Hilfe einfacher Ortspräpositionen und Adverbien seine Umwelt präziser zu definieren. Sofern das Land zwischen Höhen eingebettet da liegt, ist das ein „Tal“. Seine tiefsten Stücke sind der „Grund“. Seine Flanken, die Talhänge, erstrecken sich auch im Reichtum an sprachlichen Ausprägungen. Da erscheint im Lebensraum der Alemannen der Wang, den die Romanen spunda nennen. Die Vorfahren beider Völker, die Räter oder wer sie auch sein mochten, sagten dafür ble(i)s. So heissen heute noch hunderte von begrasten Abhängen, die man beweiden oder abmähen kann. Nackte Geröllhalden aber nannten schon die Urbewohner unsere Alpen grava. Auch dieses Wort behauptete sich durch Jahrtausende. Wer kennt nicht das Alpdörflein Grevasalvas bei Sils/Segl, das vielleicht „Weissgufer“ heissen würde, wenn man seinen Namen verdeutscht hätte wie Grauberg für den Pitz Grisch bei Flims.

Die Talhänge sind oft gewaltig durchfurcht. Von oben her haben sich die Töbel ins Gelände eingefressen. Dazwischen liegen Tschuggen und Tschüggeli, Chrachen und Chrinnen, Nollen, Tolen und Chummen. Das alles sind uralte Bezeichnungen für Bodenformen, Wörter und keine Namen, behaupten manche, Wörter wie Tisch und Dach. Namen sind nach ihrer Meinung nur solche Wörter, die losgelöst vom Gelände, das sie trägt, einen Ort bezeichnen, so zum Beispiel Bernina oder Plessur. Darüber kann man streiten. Sicher ist, dass alle Gelände-, Flur- und Gewässernamen zunächst bloss Wörter oder auch Wortgefüge waren. Ihr Sinn war klar und blieb bestehen, auch wenn man sie vom Ort löste. Zwei Beispiele dafür wären Cresta, das hundertfach als Name fixiert ist, als Wort in der Bedeutung „Hügel, Anhöhe, Kamm“ aber zum Wortschatz jedes Romanen gehört, wie Büel bei den Alemannen. Auch Valbella lebt im Wortschatz als val bella munter weiter und jedes Kind weiss, dass es ein „schönes Tal“ sein muss. 

Der Wortschatz einer Sprache ist das grosse Reservoir, aus dem dauernd und beliebig Material für die Benennung der Örtlichkeiten geschöpft wird.


In der Neuzeit: 

„Für ein genaues Kartographieren von Landkarten mussten die vielen namenlosen Orte, Flure, Berge, Flüsse etc. einen Namen erhalten."


Herkunft  sowie Deutung der Orts- und Flurnamen von Rhäzüns / Razén

Der Name „Rhäzüns“ bezeichnete ursprünglich den Felsen, auf dem wohl seit ältester Zeit eine Burg gestanden hat. Robert v. Planta deutet ihn aus „Raetiodunum – Räterburg“.2

Auf dem Grabdenkmal des Johann Anton von Rost (1638-1706) wird für Rhäzüns der latinisierte Name „Rhaetium“ verwendet.3   

In den Dokumenten des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters sowie der Frühen Neuzeit finden sich nur wenige Ortsnamen in Rätien, die öfter vorkommen als der Name Rhäzüns. Das liegt allerdings nicht an der Bedeutung von Rhäzüns als Gemeinschaft, sondern steht im Zusammenhang mit den folgenden vielfältigen Anwendungsbereichen des Begriffs:

- Siedlung Rhäzüns (3000 v. Chr., archäologische Funde)
- Castello rhaezunnus (3000 v.Chr., Lagerstätte)
- Schloss Rhäzüns (erste Erwähnung 1288)
- Geschlechtsnamen der Freiherren „von Rhäzüns“ (erste Erwähnungen 1137/39 bis1458)    
- Herrschaft Rhäzüns (1139-1819)
- Rhäzünser Boden (1139-1851) 
- Rhäzünser-Fehde (1391-1411)
- Rhäzünser Meister: Wandgemälde in den Kirchen St. Georg (960) und St. Paul (1200)   
- Rhäzünser Rheinauen sind als von nationaler Bedeutung aufgeführt
- Rhäzünser „Zollbruck“: erste Rhein-Transitbrücke von Süden her (1491) (3000 v.Chr.?)
- Rhäzünser als Hauptherren im Oberen Bund (1424 etc.)
- Rhäzünser Heil- und Mineralquelle (erste Erwähnung 1797)
 

In den Urkunden zeigen sich beim Namen Rhäzüns in der Schreibweise immer wieder Unterschiede, zum Beispiel:

- 1500 v. Chr. bis 350 n. Chr.: Die Römer nannten Rhäzüns Raetio, Rhätus, Rhätius, Rätus, Rhätien, Rezia, Retia.
- 700 bis 800 n. Chr.: „Raezune“ ist erstmals im karolingischen Urbar enthalten.
- 1139 n. Chr.: Ein Arnoldus de „Ruzunne“ tritt als Zeuge auf.
5. April 1288: Als „castro-Rutzunnes“ wurde das Schloss (Burg) Rhäzüns erstmals urkundlich erwähnt.4


Das Gebiet der Gemeinde umfasst eine Fläche von:

- Wald: 884 ha, davon produktive Waldfläche 780 ha
- Landwirtschaft: 308 ha
- Alpgebiet: 145 ha  
- Dorfgebiet: 18 ha                   
- Total: 1355 ha, resp. 13,55 km2

- Im Jahr 2017 zählte Rhäzüns ca.1500 Einwohner. (Pro Einwohner ca.0.90 ha od. 9033 m2) 
- Die 230 Fluren haben jede durchschnittlich eine Fläche von 589,13 Aren, resp. 5.89 ha.
- Der tiefste Punkt liegt auf 601 m ü. M. und der höchste, Crest Stievel, auf 2002 m ü. M. 
- Der Hausberg ist aber der Crest Ault auf 1942 m ü. M.5   


Alp Starlera:

Am 14. Juli 1928 kaufte die Viehversicherungsgenossenschaft (VVG) Rhäzüns die Alp Starlera, die auf dem Gebiet der Gemeinde Innerferrera liegt.

Im Jahr 2002 hat die VVG Rhäzüns die Alp Starlera der Bürgergemeinde Rhäzüns geschenkt und sie auch grundbuchamtlich überschreiben lassen; somit ist die Bürgergemeinde Rhäzüns (Cumin Burgheis da Razén) die rechtmässige Eigentümerin der Alp Starlera.

Die Alp Starlera misst eine Fläche von 1155 ha, resp. 11.55 km2.6


Orts- und Flurnamen auf Gemeindegebiet / Nums da liac e da funs sin territorium dil cumin7 

Carta Territoriala dil cumin da Razèn / Gebietskarte der Gemeinde Rhäzüns



Landeskarte der Schweiz 1:25'000: Erste Ausgabe 1961. Dritte Gesamtnachführung 1978. Verzeichnis der Orts- u. Flurnamen  von Hans Casanova-Caliezi, (1926-2019)

Abkürzungen:

Äck. = Äcker
Wi. = Wiese
Wa. = Wald
Bgt. = Baumgarten
Mai. = Maiensässe
Wei. = Weide

Ort und Flurnamen:

Alpwei. = Alpweide
Alp Sura – Oberalp
Alp Sut – Unteralp
Arscheglia – Lehm-Wi., Äck.
Arsas – früherer Waldbrand, Wa.
Bagniels – Wa.
Betlahem – Dorfteil Blans – Mai., Wa.
Bleis – Berg-Wi., Alpwei.
Bleis dil Begl – Alpwei.
Bleis dil Crap – Alpwei.
Bleis dil Daniel – Wei.
Bleis Greumda – Alpwei.
Bleis Pintga – Alpwei.
Bot Ault – Alpwei.
Bot da la Caldera – Alp sut
Bot da Leurs – Alpwei.
Bot da la Crusch – Alp sut, Wei.
Bot da la Parvésa – Alpwei.
Bot da Sogn Gieri – Kirchenhügel
Bot da Tschart – Hügel
Campeun – Wi., Äck.
Caplutta – Wi., Äck.
Carna sut – Wi., Äck.
Carschatsch – Dorfteil
Casti – Schloss
Castugls – Dorfteil
Cauma sura – Viehrastplatz auf der Weide
Caumas – Wi., Äck.
Cavriu – gerodet, Wa., ehem. Alpwei.
Cazzetta – Wi., Äck.
Clamugna
Clavadatsch – Mai.
Crap da Miribi – Felsen
Crap da Sal – Alpwei.
Crappa Salums – Wa.
Crest Ault –Hausberg (1942 m ü. M.)
Crest Stivel – höchster Punkt (2002 m ü. M.)
Cresta biema – Hügel
Cresta Leunga – Hügel
Cresta Sogn Paul – Wa., Wei.
Crusch – Wi., Äck.
Cugns – Alpteil
Curtgani – Dorfteil
Culm – Alpwei.
Culm dils Marons (Malè)
Curtgen – Bgt. / Bongert
Dalnova – Mai, Alpteil
Darnaus – Wi., Äck.
Darschagliéras – Wi., Äck.
Davitg – Dorfteil
Denter Crestas – Wi., Äck.
Denter Terms – zwischen Mark- oder Grenzsteinen, Alpgrenze.
Fantanuglias – Quelle mit lat. ucula, Mai., Wa.
Fanteunas – Brunnen, Alpwei.
Feuns – Wa.
Figiu – Wa., Wi.
Foppas – Wa., Mai.
Gassa da Vegnas – Dorf- und Feldweg
Genna sura – sut, Wi, Äck.
Gieri Meg – Wi.
Ginellas – Wi., Äck.
Ginéver – Wi., Äck.
Grava – Bett des Rheins, Rhäzünser Rheinauen
Hola od. Foppa – Bodenmulde
Iert Bel – schöner Garten, beim Schloss
Ils Zonns – Zäune, Wa. bei Runcars
Isla –ehemalige Rheininsel
Isla Bella – schöne Insel, Rheinauen
La Crappa – Steine, Wa.
Lag da l`Alp sura
Lag Miert – toter See
Larisch tort – krumme Lärche, Wei., Wa.
Larischs – Lerchen, Alp, Wa.
Las Vals – Wa.
Malè – Apfelbaum, Wa., ehemals Mai.
Malè cotschen ne Tschietschen – roter Apfelbaum
Malpass – Wa.
Megnga leunga
Miribi – schau schön, Wa., Felsen
Mulegn – Mühle
Mulegn sura – Obermühle
Mulegn sut – untere Mühle
Mulegn veier – Weiher-Mühle
Mulitg nov – Alpläger
Murè – Gottesacker/Friedhof. Ab 2010 Dorfteil Mulin sut.
Murè Curtgins (heute Zivilschutzanlage und Turnhalle)
Nursa – Schaf, Mai.
Paliu Fravi – Schmids-Ried, Sumpf, Wa.
Paliu Greunda – grosser Sumpf od. Ried, Wa.
Paliu radunda – runder Sumpf od. Ried, Wa.
Palius – Sümpfe od. Riede, Wei.
Pardels – von lat. pratum „Wiese“ prau, Wa.
Parvésa – von lat. pratum „Wiese“ prau, Wei.
Peglia – Wi.
Pegn greum – grosse Fichtentanne, Wa., Wei.
Penzas – Mai.
Pigniu – Fichtentanne, Wi. Wa.
Pitschét – klein, Wi.
Planas – ebene Wi., Wa.
Platta – Platte, Wa.
Pleum da Dumengias – Sonntagsweide-Boden
Pleum miez – Wei.
Pleum dils Porcs – Ebene der Schweine, Mai., Alpwei.
Pleum da Schers – Rastebene für Weidetiere, lagern und ruhen zum Wiederkäuen. Ort, wo man auch Schlingen für den Tierfang legte. Alpwei.
Pleum da Spagna – Camp der Spanierebene (Rastplatz der spanischen Armee 1700, beim Durchzug nach Mailand. M.s.u. 57. Zeittafel
Pleum da Streias – Hexenboden, Wa.
Pleum sura – Mai.
Prada – Wi. (ab 2009 auch Dorfteil).
Prau Campeum – Wiesenfeld (ab 1993 auch Dorfteil)
Prau Cascheum – Mai.
Prau Mascal – Wei. Wi.
Prau da Mél – Mai.
Prau miez – Wi.
Prau Mulegn – Wi.
Prau Pign – Wa., ehem. Wi.
Prau dil Pré – Wa., ehem. Mai.
Prau radund – Wi.
Prau da Spegnas – heute Wa.
Prau Tgileum – Mai.
Prau Triepel sura – Wa.
Prau Triepel sut – Wa.
Prau dil Vaul – Mai.
Prau Videum – Wa.
Puleras – Wi., Wa.
Punteglias – Steg zur Brücke
Puz – Alpwei.
Quadra – Äck.
Ratiras – Äck., Wi. (ab 2010 Werkhof Rhäzüns- Bonaduz).
Reum dil Sep – Wa.
Rosas – Mai., Wa.
Runcaglia – Wi., Wei.
Runcalatsch – Wi., Wei.
Runcars – Wi., Wa.
Rusna – Mai.
Rusnas da Nev – Alpwei.
Ruver – Wi., Äck.
Salums – Wa.
Saulzas – Sportanlage
Schetga da Blans – Wa.
Schetga da Foppas – Wa.
Schetga da Rosas – Wa.
Schetga dil Tu– Wa.
Sella sura et sut – Alpwei.
Sibel – Hügel
Suitgs – Wi., Äck.
Sogn Gieri – Kirche, Wi., Äck.
Sogn Paul – Kirche, Wei.
Sort – Wa. , ehem. Mai.
Sorts – Wi.
Spegnas – Wa.
Stavel Martella – Wei., Alpwei.
Stavel dil Vaul – Alpwei.
Stavlegna – Alpwei.Sterpa – Wa.
Suitg – Wi., Äck.
Summagassa – Wi., Äck.
Sur Rieven – Wi., Äck.
Surual – Dorfteil, Wi.
Sut Rieven – Wi., Äck.
Taleumas – Wa., Wi.
Tamberg – Mai. (einzigartig: deutscher Flurname), Tam-Munt, od. Tamunt, dt: Hinterberg.
Tarmuz – Markstein, (Abl. von lat. Termen mit dim. –ottu), Tarmuz, ault u. bass – Wa., Wi., Wei.
Tschaminada – Wi., Äck.
Tscheum da l`aura – Wetterkopf, Felskopf
Tscheum Pardatsch – Wa.
Tiercel – Wi., Äck.
Trutginet – Fussweg
Tschaneuntas – (Abl. von rom. tscheina Abendmahl, „Abendweide“), Mai.
Tschart – Wi., Äck.Tschunceuns – Wi. , Wa.
Tuf – Tufsteingrube, Wei.
Tumatschelli – Wi., Äck.
Tumbiesc – Wi.
Undrau - Wi., Äck., Wa.
Val Bella – Wa.
Val da Bos – Wa.
Val Cavorgia – Wa.
Val Curtgegn – Wi., Wa.
Val Fareia – Wa.
Val da Feuns – Wa.
Val da Luazzas – Wa.
Val da Planas – Wa.
Val da Rosas – Wa.
Val da Sperts – Geistertal, Wa.
Val da strias
Val malé – Wa.
Val martella – Wa.
Val dil Prau pign – Wa.
Vallet – Alpwei.
Val Torta – gebogenes Tal, Alpwei.
Vallettas – Wi. (heute mit Saulzas)
Vaul ars – Wa.
Vaul bel – Wa.
Vaul dalla sterpa – Wa.
Vaul dils Tirolers – Wa.
Vegnas – Wi.
Via alva – Wi.
Via teissa – alter Alpweg
Veier Mulegn – Weiher-Mühle (steht unter nationalem Naturschutz).

Ehemalige Flurnamen (nicht mehr gebräuchlich seit):
Eèr dil Weibel 1823
Furjala dil Schulader 1823
Brawfarig 1600
Frickhen Acker 1529
Giaunda Punteglias 1681
Nurantren 1443
Prau dil Maleir 1680
Prau dil Minder 1782
Prau dil Obrist 1782
Runggais 1495
Gut Sassella (jenseits des Rheins) 1443 Obere Au 1598
Untere Au 1598
Untere Rofna 1598
Zollbruck 1491
Gassa auf der Alp 1532
Sars 1553

Bemerkung: Für Mühle wird im Rhäzünser Romanisch „Mulegn“ und in Rumantsch Grischun „Mulin“ gebraucht.

Der Name Starlera lässt sich von sterl oder stierl (einjähriges Rind auf Bündnerromanisch) ableiten, lat. sterilis: unfruchtbar, mit -era lat. aria.nt.8

Räzünscher Alp (Splügen): einst Besitz der Herrschaft Rhäzüns, wahrscheinlich aus der Zeit des Schamser Krieges der Jahre 1450 bis 1452 (der so genannte "Dunkle -" oder auch "Schwarze Krieg"). Seit längerer Zeit ist die Gemeinde Splügen Besitzerin der Räzünscher Alp.nt.9

 

Dorfplan und Strassenbezeichnungen von Rhäzünsnt.11
 

Nachtrag: Via la Val